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Gesindeordnung

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Bild einer Magd aus einer Monatsblattfolge von Caspar Luyken um 1700

Eine Gesindeordnung regelte das Verhältnis zwischen „Gesinde“ (Dienstboten) und der Herrschaft (Dienstherr). Markant war das ungleiche Verhältnis zwischen den Rechten der Dienstherren und den Pflichten der Bediensteten. So konnte der Arbeitgeber seine Dienstboten teilweise ohne Kündigungsfristen und ohne gesetzliche Vorgaben jederzeit entlassen, während die Mägde und Knechte eine Kündigungsfrist von mehreren, meistens bis zu drei, Monaten einhalten mussten. Gesinde konnte, wenn es unerlaubt der Arbeit fernblieb polizeilich gesucht werden und zurückgeführt werden,[1] teilweise unterlagen sie der herrschaftlichen Hauszucht.

Allgemeine Betrachtung

Die erlassenen Gesindeordnungen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und später im Deutschen Reich wurden zum Ende der Erbuntertänigkeit neu entworfen und verabschiedet. Sie sollten weiterhin die Beschränkungen der Freizügigkeit und die Möglichkeiten der Disziplinierung der ländlichen Arbeitnehmer garantieren. Sie sollten aber auch dem Mangel an billigen und gehorsamen und gefügigen Dienstpersonal sicherstellen. Und letztlich wollte man verhindern, dass erneute soziale und politische Unruhen, wie sie in den 1790er Jahren aufgetreten waren, verhindert werden könnten. Mit diesen Verordnungen entstand eine gehorsamspflichtige Zugehörigkeit zum Hause der Herrschaft en aber nicht zu deren Familie. Die vertraglich vereinbarte „Lohnarbeit“ im Sinne einer zeitlich begrenzten Pflicht zur Erbringung von Arbeitsleistungen für einen Arbeitgeber bestand im Austausch für bestimmte Gegenleistungen in Form von Naturalien und Geld.

Eintrag im Dienstbotenbuch der Dienstbotin Anna Schöfmann, 1850–1852

Das sogenannte „Gesinde“ war das zur häuslichen Arbeit verpflichtete oder verdingte[2] Hauspersonal eines Grund- oder Gutsherren. Hierzu zählten auch die Knechte und Mägde die alle Dienstarbeiten verrichten mussten. Diese Bediensteten waren verpflichtet ein „Gesindebuch“ zu führen, in das der Hausherr seine Beurteilung schrieb und die Anstellungszeit bestätigte[3]. Gesinde und Dienstboten wurden synonym gebraucht und unterschieden sich von den freien Lohnarbeitern. Sie wurden auch nicht nach ihrer geleisteten Arbeit unterschieden, sie standen als ganze Person der hausherrlichen Befehlsgewalt. Der Bedarf an Gesinde richtete sich auch über das Prinzip des Angebotes und der Nachfrage, das Gesinde wurde wie eine Handelsware beliebig ausgetauscht, verliehen oder abgeworben und ohne wirklichen Lohnwert entlohnt[4]. Als Gegenleistung zu ihrer Arbeit erhielten sie in der Regel Kost, Unterkunft und zum Dienstende etwas Geld. In Deutschland gab es bis 1919 etwa 44 Gesindeordnungen, wovon sich 19 auf Preußen und die übrigen auf die anderen fürstlichen Staaten verteilten. Alle Gesindeordnungen untersagten dem Gesinde das Recht auf Zusammenschluss und Streikrecht und erlaubten dem Hausherrn in einem gewissen Rahmen die Züchtigung des Gesindes. Das Recht der körperlichen Züchtigung wurde erst ab 1. Januar 1900 im ganzen Gebiet des Deutschen Reiches aufgehoben. Ab 12. November 1919 wurde in Deutschland die Beschränkung des Vereins- und Versammlungsrechte für Bedienstete und Hauspersonal aufgehoben, die bis dahin 44 gültigen Gesindeordnungen wurden außer Kraft gesetzt[5]. Bei grober Betrachtung weisen die verschiedenen Gesindeordnungen der deutschen Staaten gleiche Elemente auf, sie unterscheiden sich trotzdem, da sie auf die regionalen Situationen zugeschnitten waren und mitunter aus anderen Situationen entstanden sind.

Die Preußische Gesindeordnung 1810

Ein Kammerdiener reicht seinem Herrn eine Zeitung auf einem Tablett. (Deutschland, um 1900)

1810 wurde die Preußische Gesindeordnung vollkommen neu gefasst. Sie regelte Pflichten und Rechte zwischen Herrschaft (Arbeitgeber) und Gesinde (Arbeitnehmer) in 176 Paragrafen und ersetzte die 208 Paragrafen der Gesinderordnungen des Preußischen Landrechts. Sie war durch die Unterwerfung des Gesindes unter die Willkür der Herrschaft gekennzeichnet und verstieß nach heutigem Verständnis gegen die Gleichheit der Vertragspartner. Gleichwohl stellte sie gegenüber dem Gesindezwangsdienst insofern einen Fortschritt dar, als das Verhältnis zwischen Herrschaften und Dienstboten sich aus grundsätzlich freiwillig zu schließenden vertraglichen Vereinbarungen ergab und nicht mehr durch feudalistische Dienstverpflichtungen. Unterschieden wurde rechtlich zwischen Haus- und Hofgesinde (Dienstbotinnen, Gouvernanten und Mägde sowie Landarbeitern, Tagelöhnern). Betroffen von der Gesindeordnung waren vor allem Frauen. Ein Fünftel der um 1900 registrierten weiblichen Erwerbstätigen waren als Dienstmädchen beschäftigt. Die Dienstboten unterstanden der polizeilichen Aufsicht. Es bestand ein Koalitionsverbot, und die Arbeitskraft der Dienstboten hatte der Herrschaft vollständig zur Verfügung zu stehen. Vorgesehen war zwar alle 14 Tage das Recht auf einen Sonntagsausgang, aber dieser konnte jederzeit aufgehoben werden. Nur ein Teil des Lohns wurde ausgezahlt, der übrige Lohn wurde in Naturalien, insbesondere Kost und Logis, erbracht. Der Herrschaft stand Züchtigungsrecht zu; gegen körperliche Übergriffe durfte sich das Gesinde nur im Falle der Gefährdung des eigenen Lebens wehren. Abgesehen davon musste sich das Gesinde ausdrücklich Verbalinjurien gefallen lassen, die unter Gleichen ohne weiteres als Beleidigung aufgefasst worden wären.

Novellierungen

Mit Königlichem Kabinettsorder vom 8. August 1837 wurde festgelegt, dass die Strafbestimmungen der Gesindeordnung von 1810 betreffend der Zwangsrückführung von entlaufenem Gesinde auch auf Instleute in der Provinz Preußen anzuwenden ist (jedoch nicht in Brandenburg, Schlesien, Pommern, Posen, wo Instleute nicht zum Gesinde gehörten). 1846 wurde dem Gesinde vorgeschrieben, mit Erreichen des 16. Lebensjahres ein "Gesindedienstbuch" (Arbeitsbuch) zu führen: "Bei Entlassung des Gesindes ist von der Dienstherrschaft ein vollständiges Zeugnis über die Führung und das Benehmen in das Gesindebuch einzutragen". Bei Unstimmigkeiten zwischen "Herrschaft" und "Gesinde" wurde die Gesinde-Polizei eingeschaltet, vertreten durch den Bürgermeister bzw. Amtsvorsteher. (Verordnung vom 29. September 1846) 1848 wurden die Patrimonialgerichte (Gutsgerichte des Adels) abgeschafft. Dessen Kompetenzen gingen an die königlichen Gerichte. Dies ist von besonderer Bedeutung für das Gesinderecht, wo bis dato Beschwerden des Gesindes über die Dienstherrschaft (den Gutsherrn) von letzterem als Beklagten und Gutsrichter in einer Person behandelt und abgeurteilt werden konnten. 1854 verschärfte das Gesetz betreffend die Verletzungen der Dienstpflichten des Gesindes und der ländlichen Arbeiter die Strafvorschriften bei Vertragsbruch, um die Landflucht und den „Leutemangel“ zu bekämpfen sowie "hartnäckigen Ungehorsam oder Widerspenstigkeit gegen die Befehle der Herrschaft oder der zu seiner Aufsicht bestellten Personen". Geldstrafe bis zu 5 Talern oder Gefängnis bis zu drei Tagen. Strafvorschriften bei Verletzung der Dienstpflicht durch die Herrschaft gab es nicht. 1872 verloren die Rittergutsbesitzer die gutsherrliche Polizeigewalt in den Gutsbezirken an den königlichen Landrat durch die neue Kreisordnung. Dies ist wichtig u. a. für das Gesinderecht (Gesindepolizei). Zu dieser Zeit unterschied man vier Gruppen von Landarbeitern:

  1. Das unverheiratete Gesinde (entlohnt mit Wohnung, Kost, Kleidung, wenig Bargeld)
  2. Durch Jahreskontrakte gebundene Arbeiter (auf Martini/11. November oder zum 1. April bei 3, 6 oder 12 Monatskündigung) gegen Deputat (Wohnung, Naturalien, Brennholz, Weidenutzung für Kuh-Schweine-Schafe) und Bargeld (ersterer 50-80 % des Gesamtlohns). Tagelöhner, Instleute, Leute, Deputanten mussten noch einen weiteren Arbeiter stellen, den Scharwerker, etwa ledige Kinder. Die Ehefrau arbeitete auf Verlangen in der Ernte, beim Waschen, Melken, am Schlachttag gegen extra Barlohn.
  3. Freiarbeiter (entlohnt nur mit Bargeld): Lohnarbeiter, landlose Einlieger, Büdner, Kleinstellenbesitzer, Kätner, Kossäth[6], Accordarbeiter.
  4. Wander- oder Saisonarbeiter: Fremdarbeiter angeworben durch Vermittler in Gruppen oder Arbeiterkolonnen. Mussten die Karenzzeit beachten, d. h. im Winter (Dezember - Februar) nach Hause gehen.

In Preußen wurde zudem am Ende der 1860er Jahre amtlich festgelegt, dass Kontorbediente und Markthelfer, Stiefelputzer und Aushilfskellner, Hilfsarbeiter, Gewerbsgehilfen und Wirtschaftslehrlinge wie auch landwirtschaftliche Deputat-Tagelöhner (Einlieger und Instleute) rechtlich nicht dem Gesinde zuzuordnen seien[7]. Schließlich wurde 1900, mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), einige Bestimmungen der Gesindeordnung gemildert.

Die Gesindeordnung für Frankfurt am Main 1810

Mit der „Gesindeordnung für die großherzoglich Frankfurtische Residenz- und Handelstadt Frankfurt am Mayn, und deren Umkreis innerhalb der Stadtgemarkung“ glaubte man eine bedeutende Lücke in der Gesetzgebung und der Polizeiverwaltung der Stadt Frankfurt am Main ausgefüllt zu haben. Die Gesindeordnung Frankfurts wurde 1810 erlassen und trat im Jahre 1811 in Kraft, sie beschränkte sich auf das Dienstgesinde im engeren Sinne des Wortes. Der Personenkreis bezog sich im § 3 nur auf solche Personen, welche sich gegen einen bestimmten Lohn, ohne oder mit noch anderen Nebenbedingungen, also für Kost, Kleidung und anderen Naturalien, auf längerer Zeiten bei Privatpersonen in Dienst verdingten. Diese Regelung schloss Hilfsarbeiter, Handwerksgesellen, Arbeiter bei Kunstgewerben und Fabriken aus. Die Ordnung enthielt ein Reglement für das Benehmen jener sozialen Schicht, und ihrer Dienstherrschaften gegen sie, sowohl vor dem Eintritt in den Dienst, als während der Dauer derselben. Die Hauptpunkte welche beim Gesindewesen ins Auge zu fassen waren, fanden nach Meinung der Verfasser mit gleicher Rücksicht auf Herrschaft und Gesinde Anwendung, sie berücksichtige die polizeiliche Schuldigkeit und eröffne die Gelegenheit gutes Dienstgesinde zu erhalten. Somit sei sichergestellt ordnungsmäßig, treu und fleißig bedient zu werden. Diese Gesindeordnung wurde anderen Regierungen, welche ähnliche Verordnungen erlassen wollten, in jeder Hinsicht als Muster empfohlen[8].

Gesindeordnung des Königreichs Sachsen 1833

Bereits seit dem Jahre 1482 gab es in Sachsen gesetzliche Bestimmungen, die sich mit der Gesindeordnung befassten. Kurfürst Johann Georg I. war bestrebt nach dem Dreißigjährigen Krieg den wirtschaftlichen Wiederaufbau Sachsens voranzutreiben. Dazu gehörte unter anderen Dekreten im Jahre 1651 ein zweijähriger Gesindezwang, der durch die Gesindeordnung des gleichen Jahres ein größeres Bauernlegen verhindert wurde und der Unterversorgung der Bevölkerung entgegen gewirkt wurde[9]. Die weiteren Gesindeordnungen wurden im Laufe der folgenden Jahrhunderte wiederholt erläutert, ergänzt und erneuert. Seit 1805 existierte ein Entwurf zu einer neuen Gesindeordnung. Von den Ständen 1814 angeregt, gab die sächsische Regierung 1830 die Zustimmung der baldigen Vorlegung eines Gesetzentwurfes, welcher dann 1833 erfolgte. Dieses neue Gesetz sollte möglichst genaue Vorschriften über die gegenseitige Rechte und Verbindlichkeiten der Dienstherrschaften und des Gesindes regeln. Man wollte Willkür, Unbilligkeit und Unordnung vermeiden und es sollte den Fortschritten in der Kultur entsprechen. An die Stelle der häuslichen Gewalt sollte ein regelndes Rechtswerk entstehen, es sollte den betreffenden Personen dienen sowie für Rechtsunerfahrene ein Leitfaden sein. Das Gesetz wurde am 10. Januar 1835 publiziert. Es umfasste sechs Abschnitte mit insgesamt 124 Paragraphen.

Übersicht

Im ersten Abschnitt wurde in den §§ 1 – 3 die allgemeinen Bestimmungen und Begriffsklärungen erfasst. Der zweite Abschnitt, von § 4 – § 33, umfasste Vorschriften, die sich mit dem Dienstvertrag beschäftigten. Hierzu gehörte die Klärung darüber, wer als Vertragspartner auftreten darf und wer Verträge abschließen darf. Grundsätzlich wurde dem Hausherrn das generelle Verhandlungsrecht eingeräumt. Weiterhin regelte die Ordnung die polizeiliche Meldepflicht und das Aufenthaltsrecht. Es wurden die Bestimmungen über den Abschluss des Dienstvertrages (§17) festgelegt und es wurde ein Mustervertrag empfohlen. Ab den § 22 wurde das Recht zur Vertragsaufhebung erörtert, Weigerungsgründe des Gesindes wurden aufgeführt und die Zahlung bzw. Zahlungsverweigerung von Mietgeld wurde dargelegt, hierzu gehörte auch die Abwerbung (§ 32 Abspenstigmachung) des Gesindes und die Regeln für die Gesindemakler. Das gegenseitige Verhältnis der Dienstherrschaften und des Gesindes während des Dienstes wurde im dritten Abschnitt geregelt. In den §§ 34 – 54 werden die Aufgaben des Gesindes dargelegt, in den §§ 55 – 76 folgten die Obliegenschaften der Dienstherren. Im vierten Abschnitt, ab § 77 bis § 113, wurden die gesetzlichen Bestimmungen über die Aufhebung des Dienstvertrages und deren Folgen festgelegt. Der fünfte Abschnitt legte die Bestimmungen von dienstlosem Gesinde fest, die unter polizeilicher Aufsicht gestellt wurden und ihren Aufenthaltsort festlegten. Hierzu war die Verordnung nach der „Vorschrift der Gesindeordnung über die Dienstboten zu führende polizeiliche Aufsicht betreffend“ vom 10. Januar 1815 gültig. Die §§ 121 – 124 im sechsten Abschnitt regelten das Verfahren in Gesindesachen, ihre Zuständigkeit fiel in die Hände der Justiz oder der Polizei.[10]

Die schaumburg-lippische Gesindeordnung 1805

Dienstbotin beim Servieren (Liotard: Das Schokoladenmädchen, 1743/45)

Die Gesindeordnung Schaumburg-Lippes von 1752, die ein Teil der Lippischen Landesverordnung war, entsprach nach Aussage des Verfassers nicht mehr der Denkart und Sitte der Zeit und sollte, da sie auch unvollständig war, erneuert werden. Vorgänger war die „Gesinde-Ordnung“ vom 21. August 1738, die durch Graf Albrecht Wolfgang von Schaumburg-Lippe (1699 – 1748) erlassen worden war[11]. Unter Mitarbeit der Ämter und Magistratsräten wurde die bestehende Verordnung vom 4. Juli 1780 einer Begutachtung unterzogen und nach Vorschlägen mit den Ständen der Ritterschaft und Städte überarbeitet. Es folgte die schaumburg-lippische Gesindeordnung vom 14. November 1795, die von Fürst Friedrich Wilhelm Leopold von Lippe in Kraft gesetzt wurde, sie bestand aus insgesamt 45 Paragraphen. Wie in den anderen Gesindeordnungen, so wurde auch in dieser das Recht der Hausherrschaft deutlicher hervorgehoben und zu Lasten der Dienstboten diktiert. Eine zweijährige Gesindezeit wird vom Landesherren für die Eltern empfohlen, deren Kinder vor ihrer Verheiratung stehen.[12]

Die Gesindeordnung des Großherzogtums Hessen 1877

Als in den Jahren 1882 bis 1907 im Großherzogtum Hessen die Erwerbstätigkeit von Frauen deutlich an Gewicht zunahm und die in den herrschaftlichen Haushalten dienenden Personen erheblich anstieg, wurde deren Lebens- und Arbeitsverhältnisse durch die Gesindeordnung vom 28. April 1877 reguliert. Die Gesindeordnung war aber zu Gunsten der Herrschaften konzipiert und die meistens noch jugendlichen Dienstmädchen waren zu „Ehrerbietung, Gehorsam, Treue, fleißiger und gewissenhafter Leistung“ gegenüber ihren Arbeitgebern verpflichtet, die sie auch zu „anderweitigen“ (d. h.: beliebigen) Arbeiten als den vereinbarten heranziehen durften. Ohne Erlaubnis durften sie nicht über Nacht die Wohnung verlassen. Schwangerschaft und über 14 Tage dauernde Krankheit waren Kündigungsgrund, staatliche Kontrolle fanden durch Gesinderegister und Dienstbuch statt[13]. Die hessische Gesindeordnung legte das Verhältnis zwischen Dienstherrschaft und Dienstboten fest (Art. 1), regelte im die Form des Gesindevertrages (Art. 2), wobei die Gültigkeit sowohl in einem schriftlichen oder mündlichen Vertrag liegen konnte. Allgemein waren die Dienstverträge auf ein Jahr ausgelegt (Art. 5) und schließlich wurde in den Artikeln 7 – 8 die Leistung von Gegenleistungen erörtert[14].

Neufassung der Arbeitsverhältnisse

Die Gesindeordnungen übten auf die Neugestaltung der Arbeitsverhältnisse und den Arbeitsverfassungen erhebliche Veränderungen aus, die sich von der Fronarbeit auf die Lohnarbeit verlagerten. In Sachsen, Hannover und Hessen erfolgten die Änderungen zwischen 1832 und den Jahren ab 1850, deren Anlass in der bäuerlichen Befreiungsbewegung der Jahre 1848–49 lag. In den südlichen, südwestlichen und westlichen Regionen des deutschen Reichs war der Reformbedarf geringer, da in diesen Gebieten die Fronarbeit eine untergeordnete Rolle spielte. Zudem wurde in den Ständen einer gründlichen Reform wenig Interesse entgegengebracht, wobei sich in Süddeutschland die Vereinbarungen in lange Verhandlungen verstrickten und längere Zeit als private Übereinkommen, denn als staatliche Regulierung, verstanden wurden. Wie in den anderen Regionen beschleunigte sich der Abschluss von reformierten Gesindeordnungen erst mit den Bauernprotesten von 1848–49. In Bayern geschah dieses erst nach dem Ersten Weltkrieg[15].

Literatur

  • Jürgen Kocka: Arbeitsverhältnisse und Arbeiterexistenzen. Grundlagen der Klassenbildung im 19. Jahrhundert (= Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts 2). Dietz, Bonn 1990, ISBN 3-8012-0153-8, S. 125–130.
  • Max Weber: Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland (1892). Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1984, ISBN 3-16-544862-0 (sehr ausführliche Schilderung für das 19. Jahrhundert nach Provinzen)
    • 1. Halbband umfasst: Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, Posen;
    • 2. Halbband umfasst: Schlesien, Mecklenburg; Tabellen, Register.
  • Klaus Tenfelde: Ländliches Gesinde in Preußen – Gesinderecht und Gesindestatistik 1810 bis 1861. In: Archiv für Sozialgeschichte. 19, 1979, ISSN 0066-6505, S. 189–229.

Weblinks

 Wikisource: Dienstboten – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Christine Gorse, Adel: Hauspersonal. Auf: Planet-Wissen 17. Februar 2017
  2. verdingen = eine Arbeit annehmen, Dienst nehmen. In: Universallexikon [1]
  3. Christine Gorse, Adel – Hauspersonal. Auf: Planet-Wissen 17. Februar 2017 [2]
  4. Jürgen Kocka: Arbeitsverhältnisse und Arbeiterexistenzen. Grundlagen der Klassenbildung im 19. Jahrhundert, a. a. O., Seite 111
  5. Geschichte der Landarbeiterbewegung, Tarife/Tarifverträge, Peter Wedel, Das Koalitionsrecht und das Gesinde- und Landarbeitsrecht; Gesellschaft für soziale Reform, Verlag Gustav Fischer ,1917 (Quellen: Brand,H.H.: Landarbeiterbewegung, Von der Goltz, Theodor: Die ländliche Arbeiterklasse und der Staat [3] )
  6. Kossäthen = Gruppe der Dorfbewohner, die in der Regel eine Hütte und etwas Gartenland besaßen [4]
  7. Jürgen Kocka, Arbeitsverhältnisse und Arbeiterexistenzen. Grundlagen der Klassenbildung im 19. Jahrhundert, a. a. O., Seite 115
  8. Allgemeine Literatur Zeitschrift, Jahrgang 1812, Band 1, Nummer 44, Februar 1812: „Gesindeordnung für die großherzoglich Frankfurtische Residenz- und Handelstadt Frankfurt am Mayn, und deren Umkreis innerhalb der Stadtgemarkung“ [5]
  9. Landvekehrswege als Faktor der Entwicklung der Kulturlandschaft und des Straßenwesens im Kurfürstentum Sachsen von 1648 bis 1800. Der Beispielstraßen Leipzig – Deutscheinsiedel. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades doctor philosophiae (Dr. phil.) vorgelegt der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität Chemnitz am 9. Oktober 2006 von Frau Frauke Gränitz (M.A.), Seite 59 [6]
  10. Das Königreich Sachsen in allen seinen Beziehungen oder übersichtliche Darstellung seiner Geschichte, Geographie, Staatsverfassung, Staatsverwaltung und Staatskräfte, der Civil- und Militairbehörden mit ihren Titulaturen, der Unterrichts-, Gewerbs-, Gesundheits- und Heilanstalten, milden ...; Band 1 von Unterweisende Haus-Secretair für das Königreich Sachsen : ein Handbuch für alle Stände, Verlag Polet, 1840, Original von University of Michigan, Digitalisiert 21. Nov. 2005 [7] Seiten 266 – 291
  11. Schaumburg-lippische Gesindeordnung vom 21. August 1738 Schaumburg-Lippische Landesverordnungen, Band 2, Schaumburg-Lippische Landesverordnungen, Veröffentlicht 1805, Original von Bayerische Staatsbibliothek, Digitalisiert 16. Febr. 2011 [8] Seite 336 ff, Nr. 131
  12. Schaumburg-Lippe: Die Gesinde-Ordnung vom 17. November 1899 nebst dem Gesetz betreffend den Vertragsbruch ländlicher Arbeiter vom 24. März 1899, mit erläuternden Anmerkungen versehen [9]
  13. Lebensläufe von Fabrikanten, Arbeitern und Angestellten aus der Pionierzeit der Industrialisierung [10] Digitales Archiv Hessen-Darmstadt
  14. Auszug aus der Gesindeordnung vom 28. April 1877 [11] Digitalarchiv Hessen-Darmstadt
  15. Jürgen Kocka: Arbeitsverhältnisse und Arbeiterexistenzen. Grundlagen der Klassenbildung im 19. Jahrhundert, a. a. O., Seite 28
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