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1883

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Ereignisse

  • 1883: Hartuf (frz. Artouf). Die Siedlung Hartuf, nahe Beth Schemesch, war 1883 von der englischen Mission gekauft und nach deren gescheiterten Missionsversuchen 1895 an die bulgarische Chowewe-Zionsvereinigung "Ezrat Ahim" weiterverkauft worden, die 1896 dort zu siedeln begann
  • 1883: Klaus Pringsheim geboren, jüdischer Dirigent in Berlin
  • 1883: Harry Kahn geboren, Schriftsteller (Lustspiele)
  • 1883: Hermann Sinsheimer geboren, Schriftsteller (Essays, Prosa)
  • 1883: Isaak Abelin geboren, Mediziner (Physiologie) in Bern
  • 1883: Heinrich Stern in Berlin geboren, Rechtsanwalt, Vorsitzender der Repräsentanten-Versammlung Berlin (seit 1930), führend im religiös-liberalen Judentum
  • 1883: Richard Hellmut Goldschmidt geboren, Psychologe
  • 1883: Gustav Kafka geboren, Psychologe und Philosophie-Historiker (Antike)
  • 1883: Fritz Landauer geboren, jüdischer Architekt, tätig in Augsburg
  • 1883: Felix Ascher geboren, jüdischer Architekt, tätig in Hamburg
  • 1883: Ernst Grünfeld geboren, Volkswirtschaftler (Genossenschaftswesen)
  • 1883: Arthur Kaufmann in Bochum geboren, Rechtsanwalt, in Hannover, Dr. iur., war hauptsächlich als Syndikus in der Wirtschaft tätig; nach dem Novemberpogrom übernahm er die jüdische Wohlfahrtspflege in Hannover; 1941 wurde er mit seiner Frau und vielen Leidensgenossen nach Riga deportiert
  • 1883: Arthur Israel geboren, Mediziner (Chirurgie) in Hamburg
  • 1883: Bernhard Aschner geboren, Mediziner (Gynäkologie) in Wien
  • 1883: Richard, Edler von Mises in Lemberg geboren, Mathematiker (neue Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung), Kriegsflieger, bis 1933 o. Prof. in Berlin, danach Istanbul; gest. 1953 in Boston, Massachusetts; er war der Bruder von Ludwig von Mises
  • 1883: Lewis L. Lorwin geboren, Volkswirtschaftler in den USA
  • 1883: Alexander Krein geboren, jüdischer Komponist in Russland
  • 1883: Michael Gnjessin geboren, jüdischer Komponist in Russland
  • 1883: Gründung des Verlages R. Löwit (Wien I, Fleischmarkt 1)
  • 1883: "Justus" = Aron Briman, ein getaufter Jude (erst Protestant, dann Katholik), veröffentlicht 1883 in Paderborn sein „Der Judenspiegel“ anonym und wiederholte bereits bekannte „Talmud-Zitat“-Fälschungen. Als eine Tageszeitung in Münster Auszüge druckte, kam es zum Prozess. Ein Dr. Jacob Eckert erbot sich als „Gutachter“, ohne hebräische oder gar talmudische Kenntnisse zu haben. Er liess Briman kurzerhand das „Gutachten“ selbst schreiben („Der Judenspiegel und die Wahrheit“). Als Gegenleistung liess Ecker Brimans „Judenspiegel“ danach nicht nur unter eigenem Namen erscheinen ("Die Hundert Gesetze des Judenkatechismus") – um eine Professur zu erhalten. Er empfahl Briman auch gleich weiter – an August Rohling in Österreich als „Berater“ bei dessen talmudischer "Material"suche. Bereits 1865 war Briman in Wien wegen Urkundenfälschung zu Gefängnis und Landesverweisung verurteilt worden; Prof. Franz Delitzsch in Leipzig nannte Brimans Talmud-"Übersetzung" "ein Machwerk infernaler Lüge", der Prof. der Theologie Bickel "einen Schwindel gelehrter Industrieritter"
  • 1883: "Esra", 1883 in Berlin zur "Unterstützung ackerbautreibender Juden in Palästina und Syrien" gegründeter Verein; - förderte Ansiedlung in Palästina
  • 1883: Estland. Die erste jüdische Gemeinde entstand in Tallinn (erste Synagoge 1883).
  • 21.1.1883–1.3.1941: Oskar Baum, geb. in Pilsen, gest. in Prag; Schriftsteller und journalistische Arbeiten; Sohn eines jüdischen Tuchwarenhändlers, früh erblindet; Lehramtsprüfung 1902, verdiente seinen Lebensunterhalt als Organist und Kantor einer Synagoge, später wurde er Klavierlehrer; 1904 machte Max Brod Baum mit Kafka und Felix Weltsch bekannt; Baum heiratete Margarete Schnabel; die Wohnung des Ehepaars wurde zum Treffpunkt des Prager Kreises; reger Briefwechsel zwischen Kafka und Baum; Baum schrieb (u. a.): "Uferdasein – Abenteuer und Erzählungen aus dem Blindenleben von heute", 1908; "Das Leben im Dunkeln" (1909, autobiographisch); "Die Tür ins Unmögliche" (Roman, 1919); "Neue Wirklichkeit", 1921; "Nacht ist umher", 1929; Baum starb an den Folgen einer Darmoperation; seine Frau kam im KZ Theresienstadt um, wohin sie deportiert worden war; der einzige Sohn des Paares, Leo Baum (1909-1946), kam beim jüdischen Anschlag auf das King David Hotel in Jerusalem ums Leben (22.7.1946)
  • 26.1.1883–6.2.1971: Dr. phil. Julie Braun-Vogelstein, geb. in Stettin; gest. in New York, war eine deutsche Kunsthistorikerin, Journalistin und Schriftstellerin; Julie Braun-Vogelstein, Tochter des Rabbiners Heinemann Vogelstein, studierte Archäologie, Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie in Berlin (als eine der ersten Frauen in Preussen), München, Paris, London und Wien; 1936 emigrierte sie nach Amerika und lebte später in New York; dort hatte sie auch einen Sitz im Board des Leo Baeck Instituts; neben eigenen Publikationen gab sie die Gesammelten Werke der (nichtjüdischen) Generalstochter Lily Braun (geb. von Kretschmar), der ersten Frau ihres Mannes Heinrich Braun (1854-1927), heraus sowie die Tagebuchaufzeichnungen des hochbegabten, sehr jung im Kriege (1918) als Leutnant gefallenen Sohnes dieser Ehe, ihres Stiefsohns Otto Braun; Veröffentlichungen: Von französischer Buchmalerei, 1914; Interieur und Stilleben, 1915; Otto Braun – Aus nachgelassenen Schriften eines Frühvollendeten, Berlin 1919; Die ionische Säule, Berlin u. a.1921; Lily Braun: Ein Lebensbild, 1922; Ein Menschenleben, Heinrich Braun und sein Schicksal, Tübingen 1932; Art – The Image of the West, New York 1952; Geist und Gestalt der abendländischen Kunst, Den Haag 1957; Was niemals stirbt – Gestalten und Erinnerungen, Stuttgart 1966; Heinrich Braun – Ein Leben für den Sozialismus, Stuttgart 1967; Fragment der Zukunft, Stuttgart 1969
  • 4.2.1883: Reinhold Rüdenberg geboren in Hannover, Elektrotechniker, seit 1927 Hon. Prof. der Technischen Hochschule Berlin, Chef-Elektriker der Siemens-Schuckert-Werke, Dr. ing. h. c.
  • 22.2.1883–26.3.1958: Erwin Kalser, geb. u. gest. in Berlin, deutsch-jüdischer Schauspieler; Sohn des Salomon Kalischer, Physiker, und von Irmgard von Cube, Drehbuchautorin; 1901-1906 Studium der Literaturgeschichte in Berlin, 1907 Dr. phil; während des Studiums Schauspielunterricht bei Friedrich Kayssler, erste Auftritte zwischen 1907 und 1910 bei Eugen Robert am Hebbel-Theater in Berlin, ging mit Robert nach München, 1910 Durchbruch an den Kammerspielen München, dort bis 1923 Mitglied, 1923-1933 am Staatstheater Berlin unter Leopold Jessner; engagierte sich für das politische Theater Erwin Piscators, 1933 Emigration über Paris in die Schweiz, bis 1939 am Schauspielhaus Zürich, dort gelegentlich auch als Regisseur, als Schauspieler u.a. in den Uraufführungen von Ferdinand Bruckners "Die Rassen" (1933) und in den Stücken von Cäsar von Arx ("Der Verrat von Novara", 1934, "Der heilige Held", 1936, und "Der kleine Sündenfall", 1938), 1939-1946 als Filmschauspieler in Hollywood, 1946 Rückkehr nach Zürich und bis 1951 Mitglied am Zürcher Schauspielhaus, von 1952 an bis zu seinem Tod im Ensemble der Staatl. Schauspielbühnen Berlin
  • 4.3.1883–12.5.1945: Julius Fromm, geb. in Konin (Warthe), gest. in London, Geburtsname: Israel Fromm, Gummifabrikant im Deutschen Reich; er brachte 1916 unter dem Firmennamen Fromms Act das weltweit erste Qualitäts-Kondom ohne störende Naht, genannt Fromms, auf den Markt; Julius Fromm war das erste Kind einer armen ostjüdischen Familie aus dem damals zum Russischen Reich gehörenden Teil Polens; seine Eltern lebten im Schtetl, dem jüdischen Armenviertel, das zur Kleinstadt Konin gehörte und 120 Kilometer östlich von Posen lag; wegen der Armut und Perspektivlosigkeit wanderte die Familie 1893 in die deutsche Hauptstadt Berlin aus, lebte im Scheunenviertel in Berlin-Mitte nahe dem Alexanderplatz und bestritt ihren Lebensunterhalt mit Heimarbeit durch Herstellung und Verkauf von Zigaretten; neben seiner Arbeit als Zigarettenverkäufer studierte Julius in Abendkursen Chemie; 1906 heiratete er seine bereits schwangere Verlobte; insgesamt hatte das Paar drei Söhne; nach dem frühen Tod seiner Eltern übernahm Fromm 1912 die Verantwortung für seine acht jüngeren Geschwister und machte sich selbstständig; er gründete 1914 in einer Hinterhofwerkstatt im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg sein Fabrikations- und Verkaufsgeschäft für Parfümerie und Gummiwaren; Fromm experimentierte mit Gummi und erfand das transparente und nahtlose Kondom aus Naturkautschuk, bei dem ein Glaskolben in eine Rohgummilösung getaucht wurde; als Ein-Mann-Unternehmen stellte er es anfangs her und vertrieb es, wie damals üblich, über den Drogeriehandel; 1916 brachte er mit seiner nun Fromms Act Gummiwerke GmbH genannten Firma sein erstes Markenkondom unter dem Namen Fromms Act auf den Markt; die damals gebräuchlichen Kondomarten, meist aus Tierdärmen, Fischblasen oder Gummiprodukten genäht, waren unbeliebt, fanden jedoch Verwendung, um sich vor der gefürchteten Syphilis zu schützen; Fromms modernes Produkt wurde zum Marktführer im Bereich Kondomherstellung, nebenher vertrieb er auch andere Gummiprodukte; im Ersten Weltkrieg kam es zur massenhaften Verbreitung des Kondoms; in den meisten Soldatenbordellen war ungeschützter Geschlechtsverkehr nicht erlaubt, um Soldaten vor Geschlechtskrankheiten zu schützen; dadurch lernten Millionen Männer das Kondom kennen, das dem Schutz der Gesundheit diente und ungewollte Schwangerschaften stark reduzierte; die Nachfrage nach Verhütungsmitteln war entsprechend dem Bedürfnis nach Familienplanung am Anfang des 20. Jahrhundert stark gestiegen und wurde auch durch die sexuell freizügigere Kultur der 1920er Jahre gefördert; populäre Slogans wie „Wenn’s euch packt, nehmt Fromms Act“ machten den Firmennamen zum Synonym für Kondome schlechthin; bereits 1919 wurden täglich 150.000 „Frommser“ produziert; ein Dreierpack kostete damals 72 Reichspfennige; 1922 errichtete Fromm in der Rahnsdorfer Strasse im Ortsteil Berlin-Friedrichshagen (Bezirk Treptow-Köpenick) eine Kondomfabrik, die bei der Produktion der Kondome 1928 schnell an die Grenzen ihrer Kapazität gelangt war; zur Erweiterung der Produktionskapazität kaufte Fromm daher 1929 in der Friedrichshagener Strasse in Berlin-Köpenick ein 16.000 m² grosses Gelände und errichtete dort bis 1930 nach Plänen der Architekten Arthur Korn und Siegfried Weitzmann, die zu jener Zeit zur Avantgarde des Neuen Bauens zählten, ein modernes Fabrikgebäude, das national und international Beachtung fand; durch die streng betonte Sachlichkeit und die vorherrschenden Baustoffe Stahl, Beton und Glas schufen sie eine Art Prototyp der modernen Fabrikarchitektur; bereits 1926 verfügte die Firma auch über Niederlassungen im Ausland und produzierte 24 Millionen Kondome; unter der nationalsozialistischen Herrschaft versuchte Fromm, seinen Betrieb weiterzuführen, schaltete Anzeigen, liess in der Werkskantine eine Hakenkreuzfahne aufhängen und verteilte bei den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin an die internationalen Gäste einen zweideutigen „Nahverkehrsplan“; Fromm experimentierte zusammen mit der I.G. Farben AG in Leverkusen an der Erfindung eines geeigneten synthetischen Gummis, um sich von dem knapper und teurer werdenden Naturkautschuk unabhängig zu machen; gleichzeitig verbesserte Fromm die Gleitfähigkeit der Kondome und verhinderte durch Beigabe von Talkum, Glimmer und anderen Pulvern das bis dahin lästige Verkleben der zusammengerollten Kondome; obwohl er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wegen des stärker werdenden Antisemitismus in Deutschland seine Söhne ins Ausland brachte, empfand er die Nazi-Herrschaft nicht als persönliche Bedrohung und glaubte, dass die NSDAP-Herrschaft eine vorübergehende Angelegenheit sei, die man als erfolgreicher Unternehmer im Lande „aussitzen“ könne; 1934 leiteten NS-Behörden allerdings ein betriebswirtschaftliches Verfahren ein, um Fromm die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen zu können; das Gutachten kam aber zu dem Ergebnis, dass sich Fromm als Unternehmer vorbildlich für die Arbeitsbedingungen und die sozialen Belange seiner Mitarbeiter einsetze; die Behörden fanden auf diesem Wege keine Handhabe gegen Fromm; nach den Olympischen Spielen 1936 begann die antisemitische Zeitung Der Stürmer eine Hetzkampagne gegen Julius Fromm und andere jüdische Geschäftsleute; im Verlauf der Kampagne musste Fromm erkennen, dass sein Verbleiben als Jude in Deutschland ohne Gefahr für Leib und Leben nicht möglich war; er beauftragte seine Bank, die Reichs-Kredit-Gesellschaft AG, mit dem Verkauf seiner Firma, die einen Wert von etwa 8 Millionen Reichsmark (nach heutiger Kaufkraft etwa 120 Millionen Euro) hatte; der Verkauf wurde aus politischen Gründen verschleppt, und Fromm sah sich gezwungen, den Kaufpreis um 50 % zu reduzieren; schliesslich lehnte das Reichswirtschaftsministerium den Verkauf an einen Käufer nach freier Wahl des Verkäufers ab, und das Frommsche Unternehmen wurde am 4. August 1938 im Rahmen der sogenannten Arisierung zum Spottpreis von 200.000 Schweizer Franken (118.000 Reichsmark) auf Geheiss von Hermann Göring an dessen Patentante Elisabeth Edle von Epenstein-Mauternburg zwangsverkauft; Göring erhielt für dieses Geschäft von der Baronin unter anderem die Burgen Veldenstein und Mauterndorf; Julius Fromm konnte Deutschland nach dem Zwangsverkauf seines Unternehmens verlassen und emigrierte mit seiner Familie nach London, wo Julius Fromm 62-jährig, nur wenige Tage nach dem Kriegsende in Europa, verstarb; die Freude über das Kriegsende soll den Tod Fromms verursacht haben; er hatte offenbar beabsichtigt, nach Deutschland zurückzukehren und sein Eigentum wieder zu übernehmen, wie es ihm als Opfer der Nazidiktatur zugestanden hätte; nach Kriegsende versuchte sein Bruder Siegmund, das Unternehmen von der sowjetischen Militärverwaltung zurückzuerhalten; da die Frommschen Fabriken (das Köpenicker Werk war bei Luftangriffen 1943 und 1945 zerstört worden) im sowjetischen Sektor Berlins lagen, wurde die Wiedereinsetzung der alten Gesellschafter und die Rückführung in Privateigentum von den regierenden deutschen Kommunisten in der Berliner Stadtverwaltung hintertrieben; Fromm wurde unter anderem als „kapitalistischer Ausbeutertyp“ dargestellt; ausserdem wurde ihm aktive Unterstützung nationalsozialistischer Propaganda unterstellt; schliesslich wurde behauptet, dass Fromm sein Unternehmen als gutes Devisengeschäft an die Nazis freiwillig verkauft hätte; vier Jahre nach Fromms Tod wurden per Verwaltungsakt am 2. Dezember 1949 die Frommsche Gummiwerke GmbH durch den Magistrat von Gross-Berlin in Volkseigentum überführt; Grundlage bildete das „Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949“; ein Antrag der Erben Fromms auf Rückübereignung wurde 1951 abgelehnt; 1947 kaufte Julius Fromms zweiter Sohn Herbert die Rechte am Markennamen von einem Vetter Görings zurück und schloss zwei Jahre später mit der Bremer Hanseatischen Gummiwarenfabrik einen Lizenzvertrag; seitdem werden am Produktionsstandort Zeven (Niedersachsen) Kondome unter dem Markennamen „Fromms“ hergestellt; die Firma wurde 1967 von der mittlerweile zur französischen Hutchinson-Gruppe gehörenden Mapa GmbH übernommen; der Begriff „Fromms“ bzw. „Frommser“ für Kondome war noch jahrzehntelang umgangssprachlich in Deutschland gebräuchlich, wurde jedoch durch neue umgangssprachliche Begriffe für Kondome langsam verdrängt; berühmt als Zitat wurde Fromms Anweisung an seinen Werbechef angesichts eines bereits erzielten neunzigprozentigen Marktanteils: "Die Konkurrenz soll platzen"
  • 7.3.1883: Der „cand. iur. Theodor Herzl“ beantragt als „inactiver Bursch“ die Entlassung aus der „Wiener Akademischen Burschenschaft Albia“ wegen dortiger antisemitischer Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem kürzlich stattgefundenen „Richard-Wagner-Commers“ (kurz darauf wird er aus der Mitgliederliste gestrichen).
  • 11.3.1883–9.2.1930: Paul Levi, geb. in Hechingen (Baden-Württemberg), gest. in Berlin, deutscher Rechtsanwalt und sozialdemokratischer bzw. sozialistischer Politiker; neben Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht u.a. war er einer der Mitbegründer der KPD und von März 1919 bis 1921 deren Vorsitzender, bevor er aufgrund innerparteilicher Differenzen aus der Partei ausgeschlossen wurde, darauf in die USPD und wenig später wieder in die SPD zurück kehrte; er entstammte einer antimonarchistischen, bürgerlichen jüdischen Familie aus dem hohenzollerschen Hechingen; er schloss 1905 sein Jurastudium (Berlin, Heidelberg, Grenoble) mit einer Promotion zum Thema Das Verhältnis von Verwaltungsbeschwerde und Verwaltungsklage ab und liess sich 1909 als Anwalt in Frankfurt am Main nieder; im gleichen Jahr trat Levi, der sich seit seiner Gymnasialzeit als Sozialist verstand, der SPD bei; er gehörte zu deren linken Flügel; 1913 verteidigte Levi Rosa Luxemburg (mit der er 1914 zeitweise liiert war) gegen den Vorwurf der „Aufreizung von Soldaten zum Ungehorsam" vor Gericht; während des Ersten Weltkriegs schloss er sich der „Spartakusgruppe“ (die nach dem Ersten Weltkrieg in „Spartakusbund“ umbenannt wurde) an, einer innerparteilichen revolutionären Oppositionsfraktion in der SPD, ab 1917 in der USPD, die die kriegsbilligende Burgfriedenspolitik und den Reformismus der Mutterpartei unter Friedrich Ebert ablehnte und bekämpfte; später gehörte Levi mit Luxemburg und Karl Liebknecht zu den Gründern der aus dem Spartakusbund und anderen linksrevolutionären Gruppen am Jahreswechsel 1918/19 konstituierten KPD, deren Vorsitz er als Nachfolger des am 10. März 1919 ermordeten Leo Jogiches übernahm; auf dem Heidelberger Parteitag im Oktober des Jahres setzte er die Beteiligung der KPD an Wahlen durch; sein rigider Kurs gegen die Mehrheit der Parteimitglieder führte zur Abspaltung der KAPD und zur Konstituierung des Rätekommunismus, ermöglichte aber 1920 die Vereinigung mit grossen Teilen der USPD zur VKPD; Levi lehnte die so genannte „Offensivstrategie", die in der Leitung der VKPD im Februar 1921 eine Mehrheit mit Unterstützung der Vertreter der Komintern fand, ab; er trat Ende Februar vom Vorsitz der VKPD zurück; in der Broschüre Unser Weg.Wider den Putschismus kritisierte Levi die putschistische Taktik der KPD beim Märzaufstand 1921 öffentlich; nachdem er diese Kritik an der deutschen und der internationalen Leitung der Kommunisten aufrecht erhielt, wurde er auf Betreiben der Mehrheit der Komintern-Führung um Sinowjew aus der KPD ausgeschlossen; Lenin und Trotzki stimmten ihm jedoch zugleich inhaltlich zu, und von Lenin ist die Aussage überliefert: Levi hat den Kopf verloren. Er war allerdings der einzige in Deutschland, der einen zu verlieren hatte. Levi und andere aus der VKPD Ausgeschlossene und Ausgetretene wie Ernst Däumig schlossen sich zur Kommunistischen Arbeitsgemeinschaft (KAG) zusammen; in diesem Zusammenhang veröffentlichte Levi auch die bislang unbekannte Schrift Rosa Luxemburgs Die Revolution in Russland, die sie im September und Oktober 1918 im Gefängnis verfasst hatte; darin stand ihre scharfe Kritik an den Bolschewiki: Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden; in Reaktion auf diese Kritik am Kaderkonzept Lenins wurde Rosa Luxemburg von Stalin später des „Spontaneismus" bezichtigt, und der „Luxemburgismus" wurde von der KPdSU wie auch später der SED konstant als Abweichung vom Kommunismus denunziert; über die Rest-USPD, der die KAG im Frühjahr 1922 beitrat, kehrte Levi nach deren teilweisen Vereinigung mit der MSPD 1922 in die SPD zurück und war dort eine der wichtigsten Persönlichkeiten des linken und marxistischen Flügels; ab 1923 gab er eine eigene Korrespondenz heraus: die "Sozialistische Politik und Wirtschaft"; diese ging 1928 in der Zeitschrift "Der Klassenkampf" auf, deren Redaktion Levi bis zu seinem Tod angehörte; 1924 rief er gemeinsam mit anderen Marxisten die Sozialwissenschaftliche Vereinigung (SWV) ins Leben, einen parteiunabhängigen Verein, dessen Ziel die Diskussion und Weitervermittlung marxistischer Ansätze war; daraus ging u.a. die Organisation "Rote Kämpfer" hervor; viele der politischen Freunde Levis schlossen sich 1931 der SAPD an; Levi blieb Mitglied des Reichstages, widmete sich aber besonders der Aufklärung der Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht; als brillanter Redner war er bei seinen Gegnern - im Gerichtssaal wie im Parlament – gefürchtet; 1930 bereitete sich Levi auf einen Revisionsprozess zu einer Beleidigungsklage des ermittelnden Staatsanwaltes im Mordfall Luxemburg und Liebknecht gegen den leitenden Redakteur der Zeitschrift "Das Tage-Buch" vor; darin hatte Berthold Jacob einen Artikel unter dem Titel „Kollege Jorns" veröffentlicht, in dem der Staatsanwalt Jorns der "Verschleppung der Ermittlungen und der Vertuschung der Morde" bezichtigt wurde; in erster Instanz hatte Levi einen Freispruch des angeklagten Journalisten erwirkt und durch die erhaltene Akteneinsicht neue Informationen über die Vertuschung der Morde an Luxemburg und Liebknecht erhalten; im Februar des Jahres erkrankte er an einer fiebrigen Lungenentzündung; wenige Tage später, am 9. Februar 1930, stürzte er unter ungeklärten Umständen aus dem Fenster seiner Wohnung in Berlin und erlag seinen Verletzungen; als sich nach seinem Tod die Reichstagsabgeordneten zu einer Gedenkminute von ihren Sitzen erhoben, verliess die NSDAP-Fraktion demonstrativ den Saal; Paul Levi wurde auf dem Waldfriedhof Wilmersdorf beigesetzt
  • 4.4.1883–11.11.1961: Bruno Weil, geb. in Saarlouis, gest. in New York, demokratischer Politiker und aktiver Gegner des Nationalsozialismus, Rechtsanwalt, war führend im Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens und im Kartell-Convent der Verbindungen deutscher Studenten jüdischen Glaubens in Berlin, 1935 emigriert, arbeitete er seit 1942 in New York für die Wiedergutmachung als Gründer und Präsident der Axis Victims League; Entdecker der Schwartzkoppendokumente [Dreyfus]; Hauptwerke: Die jüdische Internationale, 1924; Die Affaire Dreyfus, 1930; Durch drei Kontinente, 1948; 2000 Jahre Cicero, 1962
  • 27.4.1883–9.9.1939: Richard A. Bermann (Richard Arnold Bermann, besser bekannt unter seinem Pseudonym Arnold Höllriegel), geb. in Wien, gest. in Saratoga Springs, New York, USA; österreichisch-jüdischer Journalist und Reiseschriftsteller; aufgewachsen in Wien und Prag, studierte er an der Universität Wien Romanistik; nach seiner Promotion 1906 zunächst Hauslehrer in Italien; 1908 ging er auf Anraten Hermann Bahrs nach Berlin, wo er zunächst als Angestellter des Scherl-Verlags tätig war; bei der Konkurrenz, dem „Berliner Tageblatt“, begann er unter dem Pseudonym Arnold Höllriegel zu schreiben; geprägt durch die Tradition des Wiener Feuilletons und den Stil Peter Altenbergs führte er in Berlin das Kurzfeuilleton ein; bald wurde er fester Mitarbeiter des Berliner Tageblatts, behielt das Pseudonym jedoch bei; mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs musste Bermann nach Wien zurückkehren, wo er bis 1928 seinen Wohnsitz hatte; er konnte im Kriegspressequartier unterkommen und schrieb als „pazifistischer Kriegsberichterstatter“ (Hermann Broch) für das Berliner Tageblatt und die Wiener „Zeit“; ab 1923 war er hauptsächlich als Reiseschriftsteller tätig; seine Reisen, u. a. nach Ägypten und Palästina (1923: „Palästina“, 1923), an den Amazonas (1924: „Das Urwaldschiff. Ein Buch vom Amazonasstrom mit acht farbigen Bildern nach Aquarellen von Franz Heckendorf“, 1927), in die Südsee (1925/1926), in die USA und nach Hollywood (1926), verarbeitete er in Feuilletons für das Berliner Tageblatt und in erfolgreichen Büchern; 1933 führte ihn eine Expedition gemeinsam mit Ladislaus Almasy (bekannt als der „englische Patient“) in die libysche Wüste, wo sie die sagenumwobene Oase Zarzura entdecken; hier, mitten in der Wüste, erreicht ihn im Frühjahr 1933 die Kündigung des Berliner Tageblatts; Bermann erkannte früh die Bedeutung von Film und Radio; aus Hollywood berichtete er u. a. von seinen Begegnungen mit Charlie Chaplin; Bermann war u. a. mit Leo Perutz befreundet; seine Bekanntschaften mit Sigmund Freud, Victor Adler und Arthur Schnitzler schildert er in seiner Autobiographie; nach 1933 arbeitete Bermann mit Hubertus Prinz zu Löwenstein für die American Guild for German Cultural Freedom; nach dem „Anschluss“ Österreichs und seiner Flucht musste er 1938 selbst die Hilfe der „Guild“ in Anspruch nehmen; er konnte in die USA emigrieren, wo er jedoch im Herbst 1939 in der Künstlerkolonie Yaddo einem Herzinfarkt erlag
  • 5.5.1883–20.8.1942: Rudolf Spielmann, geb. in Wien als zweites von sechs Kindern (Vater: Moriz Spielmann [er stammte aus Nikolsburg], Mutter: Cäcilie Neustädtl), gest. in Stockholm, österreichisch-jüdischer Grossmeister im Schach; als Berufsschachspieler zählte er neben Tartakower, Réti und Georg Marco zu den hervorragenden Persönlichkeiten der Wiener Schachschule; sein grösster Erfolg war das Turnier auf dem Semmering 1926, wo er vor Aljechin, Vidmar, Nimzowitsch und Tartakower gewann; aufgrund seines risikofreudigen Spiels landete er manchmal auch am unteren Ende der Turniertabelle; er hatte eine ausgeglichene Bilanz gegen Capablanca, unter den Spitzenspielern kam nur Keres auf ein besseres Ergebnis; Spielmann erzielte seine Siege in Bad Kissingen 1928 und Karlsbad 1929 kurz nachdem Capablanca die Weltmeisterschaft verloren hatte; seine beste historische Elo-Zahl betrug 2 716 (Januar 1913); als Jude von den Nationalsozialisten verfolgt (sein Bruder und eine seiner Schwestern starben im Konzentrationslager, eine weitere Schwester überlebte, nahm sich jedoch später aufgrund von Depressionen das Leben), floh er über Holland und die Tschechoslowakei nach Schweden (er wollte von dort noch weiter nach England oder Amerika), wo er 1942 verarmt und vergessen starb (unter ungeklärten Umständen wurde er am 20.8.1942 in seinem Zimmer verhungert aufgefunden; er hatte unermüdlich an seiner Autobiographie – die ihm die Mittel für die weitere Flucht und die Sicherstellung des Überlebens verschaffen sollte – gearbeitet, das Manuskript, alle persönlichen Aufzeichnungen wurden ihm jedoch gestohlen und sind bis heute verschollen, die Spuren führen nach Amerika); Spielmann war vor allem gefürchtet wegen seiner taktischen Fähigkeiten; wegen seines gewagten, brillanten Angriffs- und Kombinationsspiels nannte man ihn auch „den letzten Ritter des Königsgambits“; er liebte Opfer über alles und ist darin dem späteren Weltmeister Michail Tal vergleichbar; 1935 erschien sein bekanntes Buch „Richtig opfern!“; im Schach war er ein Draufgänger, im Privatleben ein friedliebender, sanfter Mensch, der gern dem Bier zusprach, von seiner Erscheinung her klein und dick, war Zeit seines Lebens Junggeselle, war, wie nicht nur seine Briefe zeigen, ein anständiger, aufrechter liebenswürdiger Charakter, dem man grösstes Unrecht antat; sein Grabstein wird vom schwedischen Schachbund gepflegt, die Inschrift lautet (übersetzt aus dem Schwedischen): „Hier ruht Schachgrossmeister Rudolf Spielmann, geboren 1883 in Wien, gestorben 1942 in Stockholm. Als ruheloser Flüchtling, vom Schicksal schwer geschlagen, fand er ein Zuhause bei seinen schwedischen Freunden. Schwedens Schachspieler bewahren durch die Aufstellung dieses Steins das Andenken an einen genialen Meister und edlen Menschen.“
  • 20.5.1883–12.3.1938: Otokar Fischer (Ottokar Fischer), geb. in Kolin, gest. in Prag, tschechisch-jüdischer Schriftsteller und Literaturhistoriker; Theaterkritiker; Untersuchungen zu Heine (Biographie, 2 Bände, 1923/1924), Kleist, Nietzsche; reflexive Lyrik, Dramen über Probleme des modernen Menschen; Übersetzungen (Goethe)
  • 27.5.1883–2.11.1956: Emil Utitz, geb. in Prag, gest. in Jena, Herausgeber des Jahrbuches für Charakterologie 1924-1932, zunächst jüdisch, dann evangelisch, dann konfessionslos, sein Vater war Lederwarenfabrikant; Emil Utitz studierte Philosophie an den Universitäten Prag, München und Leipzig, wurde 1906 promoviert und habilitierte sich 1910 an der Universität Rostock; 1916 erhielt er den Professorentitel, 1921 den eines nichtbeamteten ausserordentlichen Professors; 1925 nahm er einen Ruf als ordentlicher Professor für Philosophie an die Universität Halle an; hier befasste er sich vor allem mit psychologischen Fragen; Am 29. April 1933 beurlaubt, wurde er am 23. September 1933 nach § 3 des Berufsbeamtengesetzes in den Ruhestand versetzt; er emigrierte nach Prag und wurde dort nach Fürsprache des Germanisten Ferdinand Josef Schneider mit der Ordnung des Nachlasses des Phänomenologen Franz Brentano betraut; 1934 erging an ihn ein Ruf der Deutschen Universität Prag auf den Lehrstuhl für Philosophie (unico primo loco); nach dem Einmarsch der Wehrwacht verhaftet, wurde Utitz in das Konzentrationslager Theresienstadt verbracht; 1945 wurde er erneut Professor an der Universität Prag; seit 1919 Mitglied der DDP, später ausgetreten; Mitglied des Rotary Clubs; Austritt im Mai 1933, da der hallische Club im April eine Erklärung in die Schweiz gesandt hatte, die sich gegen die von der ausländischen Presse behaupteten »Greueltaten« an Juden wandte
  • 11.6.1883–21.1.1968: Ferdinand Lion, geb. in Mülhausen/Elsass; gest. in Kilchberg/Zürichsee, Schweizer Journalist und Schriftsteller, studierte in Strassburg, Heidelberg, München, emigrierte 1933 in die Schweiz, redigierte 1937-1938 die Zeitschrift "Mass und Wert", deren Hrsg. Thomas Mann war; Hauptwerke: Textbuch für die Oper Cardillac von Paul Hindemith, 1926; Die grosse Politik, 1926; Das Geheimnis des Kunstwerks, 1928; Thomas Mann, 1947; Romantik als deutsches Schicksal, 1947; Lebensquellen französischer Metaphysik, 1949; Der französische Roman im 19. Jahrhundert, 1952; Lebensquellen der deutschen Metaphysik, 1960; Geist und Politik, 1980
  • 14.6.1883–17.3.1964: Franz Landsberger, geb. in Kattowitz, gest. in Cincinnati, Ohio, Kunsthistoriker; der Vater, Adolf Landsberger, war Bankier und Stadtrat im oberschlesischen Kattowitz; Franz Landsberger legte 1903 am Maria-Magdalenen-Gymnasium in Breslau seine Reifeprüfung ab und studierte anschliessend Kunstgeschichte, Philosophie und Literaturwissenschaft an den Universitäten Berlin, Genf, München und Breslau, wo er auch 1907 promovierte; nach längerem Aufenthalt in Italien sowie Reisen durch Deutschland, England und Frankreich und nach weiteren Studien bei Heinrich Wölfflin in Berlin habilitierte sich Landsberger 1912 in Breslau; 1910 heiratete er, aus dieser Ehe stammte eine Tochter; als Leiter des Jüdischen Museums in Berlin wurde er 1938 in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, konnte aber nach einigen Wochen nach Oxford ausreisen, da er von der dortigen Universität eine Einladung erhalten hatte; von England aus ging er in die USA; nach dem Tod seiner ersten Ehefrau schloss er dort 1946 eine zweite Ehe; nach der Habilitation hatte er bis 1933 als a.o. Prof. an der Universität Breslau gelehrt, in dieser Zeit erschienen viele seiner deutschsprachigen Werke, die erkennen lassen, dass er auf fast allen Gebieten der Kunst gearbeitet hat; frühe Veröffentlichungen waren "Wilhelm Tischbein" (1908), der "St. Galler Folchart-Psalter" (1912), "Impressionismus und Expressionismus", in 6. Auflage 1921 erschienen, und "Vom Wesen der Plastik" (1924); nachdem ihm von den Nationalsozialisten die venia legendi entzogen worden war, übernahm er 1935 die Leitung des Jüdischen Museums in Berlin; besonders verbunden war er mit Max Liebermann, den er 1936 bereits mit der ersten Gedächtnisausstellung geehrt hat; neben dem Katalog für diese Ausstellung gab er 1937 eine Auswahl von Briefen Liebermanns heraus; auf die glückliche Rettung aus dem KZ nach England im Jahre 1938 folgte 1939 die Berufung an das Hebrew Union College in Cincinnati; der Erforschung der jüdischen Kunst widmete er fortan seine ganze Arbeitskraft; mit seinem Buch "History of Jewish Art", das 1946 erschien, und mit weiteren Fachbeiträgen zu diesem Themenkreis wurde er zur anerkannten Autorität auf diesem Gebiet; freundschaftlich verbunden war er mit Leo Baeck, Emil Ludwig, der Schriftstellerin Mechtilde Lichnowsky und bis in seine letzten Lebensjahre auch mit dem aus Schlesien stammenden jüdischen Maler Ludwig Meidner
  • 24.6.1883–4.12.1942: Fritz Löhner / Fritz Löhner-Beda (auch: Fritz Loehner oder Fritz Lohner; Geburtsname Friedrich Löwy), Pseudonym: Beda (Kurzform von Bedřich, tschechisch für Friedrich), geb. in Wildenschwert/Böhmen; als "Judensau" brutal zu Tode geprügelt im KZ Auschwitz; Autor, Journalist (Mitarbeit Welt/Wien, Jugend/Wien, Fremdenblatt/Hamburg), Librettist und Schlagertexter; promoviert; Gegner der Assimilation; erst Satiriker (Getaufte und Baldgetaufte, 1908; Israeliten und andere Antisemiten, 1909), dann Lyriker (Ecce ego, 1920); schliesslich Librettist zu Franz Lehárs Friederike 1928, und Land des Lächelns, 1929, und zu Paul Abrahams Ball im Savoy, 1933; er schrieb u. a. "Gern hab ich die Frauen geküsst", "Dein ist mein ganzes Herz", "Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren", "Du schwarzer Zigeuner", "Ausgerechnet Bananen" (später Melodiegrundlage für den Werbesong der Fünfminuten-Terrine von Maggi), "Oh Donna Clara", "Was machst du mit dem Knie, lieber Hans"; 1938 kam er in das KZ Dachau, von dort in das KZ Buchenwald und schrieb dort das Buchenwaldlied; er war auch Vizepräsident des Österreichischen Schriftstellerverbandes und aktiv in der jüdischen Studentenverbindung Kadimah in Wien; Löhner-Bedas Frau Helene, der er den Text des Liedes Dein ist mein ganzes Herz aus der Operette Das Land des Lächelns gewidmet hatte, wurde am 31. August 1942 mit ihren Töchtern nach Minsk deportiert und am 5. September 1942 im Vernichtungslager Maly Trostinez mitsamt ihren Töchtern Eva und Liselotte ermordet
  • 3.7.1883–3.6.1924: F r a n z K a f k a , deutschsprachiger Prosaiker, dessen Bedeutung, Einfluss und Nachwirkung nicht hoch genug eingeschätzt werden können, geb. in Prag, gest. im Sanatorium Kierling bei Wien (er starb an Tuberkulose, an der er seit 1917 gelitten hatte); Kafka entstammte einer jüdischen Kaufmannsfamilie; promovierte 1906 als Jurist; ab 1908 Versicherungsangestellter in Prag; 1922 wegen Kehlkopftuberkulose pensioniert; bestimmend für sein Leben und Schaffen war die erdrückende Dominanz des Vaters („Das Urteil“, 1913; „Brief an den Vater“, 1919) sowie problematische Liebesbeziehungen u. a. zu Felice Bauer (1887-1960) und Milena Jesenská (1896-1944); sein Werk wurde zum grössten Teil erst postum, gegen seinen testamentarischen Willen, von seinem Freund und Biografen Max Brod veröffentlicht, besonders die drei fragmentarischen Romane „Der Prozess“, entstanden 1914, veröffentlicht 1925, „Das Schloss“, entstanden 1922, veröffentlicht 1926, „Der Verschollene“ (auch unter dem Titel „Amerika“), entstanden 1912-1914, veröffentlicht 1927, sowie Tagebücher und Briefe; zu Lebzeiten erschienen u. a. die Erzählungen „Die Verwandlung“, 1912, „Vor dem Gesetz“, 1915, und „In der Strafkolonie“, 1919; Kafkas Werk entzieht sich durch seine Einzigartigkeit einer pauschalen Kategorisierung oder Einordnung in eine Epoche; bekannt sind Einflüsse von Goethe, Flaubert, Dostojewskij, Kierkegaard und Nietzsche bis zu Autoren aus seinem direkten Umfeld (Brod, Meyrink); Versuche, Kafkas rätselhafte, mitunter ironische Symbolik aufzuschlüsseln, u. a. mit psychoanalytischen, biografischen oder sozialkritisch-politischen Ansätzen, bleiben unbefriedigend; seine Protagonisten, die in einer grausamen, labyrinthisch-grotesken Welt ohne Handlungsfreiheit isoliert sind, leiden unter Schuldgefühlen, ohne deren Ursache zu kennen; Recht und Gesetz entwickeln sich in den Händen anonymer Mächte zu Maschinen der Überwachung und Bestrafung; die klaustrophobischen Visionen inspirierten Anti-Utopien und prägten die postmoderne Literatur; das Adjektiv „kafkaesk“ wurde zum Sinnbild der Ängste und Traumata des 20. Jahrhunderts; durch die Ächtung seiner Werke im Nationalsozialismus setzte die Beschäftigung mit Kafka erst nach dem Krieg ein; weitere Werke: Erzählungen: „Betrachtung“, 1912; „Der Heizer“, 1913; „Ein Bericht für eine Akademie“; 1917; „Ein Landarzt“, 1919/1920; „Ein Hungerkünstler“, 1922; Selbstzeugnisse: „Briefe an Milena“; „Briefe an Felice“; „Die Tagebücher“; weitere Briefausgaben
  • 17.7.1883–18.11.1928: Mauritz Stiller, geb. in Helsinki, gest. in Stockholm, russisch-schwedisch-jüdischer Regisseur und Drehbuchautor; er gilt als Entdecker und Mentor von Greta Garbo; Mauritz Stiller wurde mit dem Namen Mosche Stiller als Sohn russischer Juden in Helsinki geboren; 1903 bis 1911 war er an finnischen Bühnen beschäftigt; 1911 wurde er mit der Leitung des Stockholmer „Lilla teatern“ betraut; im März 1912 bot ihm die Filmgesellschaft Svenska Bio einen Vertrag über zunächst drei Jahre an, und Stiller begann seine Laufbahn als Filmregisseur, Drehbuchautor und Schauspieler; bei seiner Arbeit orientierte er sich am dänischen Film, erst ab ca. 1916 gelang es ihm, vom kolportagehaften Trivialfilm zu thematisch und künstlerisch anspruchsvolleren Werken zu finden; ein frühes Beispiel dafür ist sein Film „Ikarus“, eine 1916 entstandene Verfilmung des Romans „Michael“ von Herman Bang; neben dem bereits etablierten Victor Sjöström entwickelte sich Stillers Name in den folgenden Jahren zum Markenzeichen für den künstlerisch hochwertigen schwedischen Stummfilm der späten 1910er und frühen 1920er Jahre; während Sjöström eher dramatische Stoffe wählte, galt Stiller als Regietalent für Komödien; 1919 begann eine Reihe von Literaturverfilmungen in Schweden; Stiller drehte als erstes „Das Lied von der glutroten Blume“ nach Johannes Linnakoski und stellte die rauhe Natur des Nordens und den sich in ihr abmühenden Menschen in den Mittelpunkt; als sein erstes Meisterwerk gilt heute die 1919 entstandene Verfilmung eines Selma-Lagerlöf-Romans, „Herrn Arnes Schatz“; Lagerlöf war aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden und lehnte eine weitere Zusammenarbeit mit Stiller ab; 1920 gelang Mauritz Stiller mit der Komödie „Erotikon“ eine Innovation auf dem Gebiet der Erzähltechnik im Film, die später unter anderem von Ernst Lubitsch nachgeahmt wurde: Stiller liess komische Szenen ernst spielen und erreichte damit ein Auseinanderfallen von Text und Bild, das die Darstellung von Ironie ermöglichte und eine geistreiche Alternative zum vorherrschenden Slapstick bot; mit „Johan“ kehrte Stiller 1921 zur landschaftsbetonten Literaturverfilmung zurück; die Geschichte über Menschen in den Weiten Lapplands nach einem Buch von Juhani Aho wurde von Aki Kaurismäki 1999 im Stil eines Stummfilms als „Juha“ wiederverfilmt; nach „Die Herrenhofsaga“ (1923), einer weiteren Lagerlöf-Verfilmung Stillers, versuchte die Schriftstellerin vergeblich, Mauritz Stiller als Regisseur der Verfilmung ihres Romans „Gösta Berling“ zu verhindern; für Gösta Berling, seinen letzten Film in Schweden, arbeitete er mit Sjöströms Kameramann Julius Jaenzon zusammen und engagierte die unbekannte Kleindarstellerin Greta Garbo; der Film mit seiner starken äusseren Dramatik gilt als letzter Höhepunkt des schwedischen Stummfilms; der Erfolg dieses Films brachte der Garbo und ihm einen Vertrag mit dem US-amerikanischen Filmproduzenten Louis B. Mayer; gemeinsam gingen beide 1925 in die USA zu MGM, doch während Garbo zum Star wurde, hatte Stiller Meinungsverschiedenheiten mit den Filmproduzenten; die Regie von „Dämon Weib“ (The Temptress, 1926) mit Garbo in der Hauptrolle wurde ihm während der Dreharbeiten entzogen; nach nur drei unter seinem Namen vollendeten Filmen kehrte er 1928 nach Schweden zurück, da er keine Chance mehr sah, in Hollywood Fuss zu fassen; kurz nach seiner Rückkehr starb er im Alter von nur 45 Jahren an einer Rippenfellentzündung
  • 18.7.1883–25.8.1936: Lew Kamenew (Lew Borissowitsch Kamenjew, russ. Лев Борисович Каменев, geboren als Leo Rosenfeld in Moskau, hingerichtet ebenda; sowjetrussischer Politiker; er wurde in die Familie des Kursker Lokomotivführers Boris Rosenfeld (dieser war getaufter Jude), der bei der Moskau-Kursker Eisenbahn tätig war, hineingeboren; sein Vater hatte das Petersburger Technologische Institut absolviert und seine Mutter die Bestuschewsche Frauenhochschule; 1901 bestand Kamenew die Reifeprüfung am Gymnasium in Tiflis und begann in Moskau Jura zu studieren, wo er im selben Jahr in die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands SDAPR eintrat; nach einer kurzen Haft 1902 gab Kamenew sein Studium auf und wurde als „Berufsrevolutionär“ für die Partei tätig; in Tiflis lernte er Stalin kennen; 1902 bereiste Kamenew Europa, wo er Lenin und weitere Exilanten traf; Kamenew heiratete Olga Bronstein, die Schwester des damals bei den Sozialdemokraten einflussreichen Leo Trotzki; von 1904 an sass Kamenew zwei Jahre im Gefängnis; 1905 kehrte er nach Russland zurück, um an der ersten (niedergeschlagenen) russischen Revolution von 1905 teilzunehmen; 1907 wurde er verhaftet und verbrachte ein Jahr im Gefängnis; nach seiner Entlassung 1908 ging er wieder in den Untergrund und wurde in Genf einer der engsten Mitarbeiter Lenins und unterstützte ihn bei der Herausgabe der bolschewistischen Propaganda-Organe, u. a. der Zeitung Der Proletarier; gemeinsam mit Lenin und Sinowjew bekämpfte er in der Partei die Gruppe der sogenannten Otsowisten um Bogdanow und Lunatscharski; 1913 kehrte er nach Petersburg zurück, um dort die halb-legale Prawda herauszugeben und die bolschewistische Fraktion in der Duma zu leiten; nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde er verhaftet und blieb bis 1917 in der Verbannung in Sibirien, wo er wieder auf Stalin traf; 1917 wurde Kamenew – trotz zuvor schwankender Haltung gegenüber der Revolution – erstmals ins Zentralkomitee der Partei gewählt und war seither einer der engsten Mitarbeiter Lenins, während der Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk Vorsitzender der Delegation der bolschewistischen Regierung; später war Kamenew jahrelanger Vorsitzender des Moskauer Sowjets, Mitglied des "Politischen Büros" der Kommunistischen Partei und Vorsitzender des Rats für Arbeit und Verteidigung; nach dem Tode Lenins teilten sich Kamenew, Sinowjew und der Georgier Stalin in dessen Macht; in der Sitzung vom 23. Oktober 1917 stimmte Kamenew zusammen mit Sinowjew gegen den Beschluss, zum bewaffneten Aufstand der Oktoberrevolution überzugehen; zusammen mit Sinowjew verriet er anschliessend in einem Zeitungsartikel den Aufstandsplan; nach dem Sieg der Oktoberrevolution trat Kamenew für eine Koalitionsregierung ein, die auch sozialistisch orientierte Parteien einschliessen sollte, die sich gegen die Bildung der ersten Sowjetregierung ausgesprochen hatten; vom 9. bis 21. November 1917 war Kamenew der erste Vorsitzende des Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitees (GZEK) und damit kurzzeitig Staatsoberhaupt Sowjetrusslands; von 1917 bis 1926 war er Mitglied des Zentralkomitees und von 1919 bis 1926 Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki) bzw. nach ihrer Umbenennung im Jahr 1918 der Kommunistischen Partei Russlands (ebenfalls Bolschewiki), aus der später die KPdSU hervorging, er war Leiter des Exekutivkomitees des Moskauer Sowjet und stellvertretender Vorsitzender des Rates der Volkskommissare; ursprünglich ein enger Weggefährte von Josef Stalin, geriet Kamenew mit ihm in innerparteilichen Konflikt und verlor 1925/26 zusammen mit Sinowjew als Exponent der sogenannten linken Opposition nach und nach alle seine Partei- und Staatsämter; 1927 wurde er, ebenso wie Radek, Sinowjew, Trotzki und andere, wegen oppositioneller Haltung aus der Partei ausgeschlossen, jedoch 1928, nachdem er sich der herrschenden Richtung unterworfen hatte, wieder in die Partei aufgenommen; während der Stalinschen "Säuberungen" wurde er im ersten Moskauer Schauprozess 1936 verurteilt und danach hingerichtet; 1988 wurde Kamenew in der Sowjetunion rehabilitiert; die Kugeln, mit denen Kamenew und Sinowjew getötet wurden, wurden in ein kleines Glaskästchen mit dem darauf geschriebenen Namen des jeweiligen Opfers gesteckt und vom Geheimdienstchef Genrich Jagoda privat behalten; als Jagoda exekutiert worden war, übernahm sein Nachfolger Nikolai Jeschow die Kugeln, die nach dessen Exekution in den Besitz seines Nachfolgers, des Massenmörders in Stalins Diensten, Lawrenti Beria (Zitat: "Jeder, den wir verhaften, ist grundsätzlich schuldig"), übergingen
  • 24.7.1883–25.4.1980: Katia Mann (geborene Katharina Hedwig Pringsheim), geb. in Feldafing bei München, gest. in Kilchberg bei Zürich, war die Ehefrau von Thomas Mann und Mutter von Erika, Klaus, Golo, Monika und Michael Mann sowie von Elisabeth Mann-Borgese; als jüngstes Kind und einzige Tochter des Mathematikprofessors Alfred Pringsheim und der ehemaligen Schauspielerin Hedwig Pringsheim wuchs sie in äusserst wohlhabenden und liberalen Verhältnissen auf; in Thomas Manns Werken findet sich in mehreren Figuren ein starker Bezug zur Person Katia Mann; darüber hinaus inspirierte sie ihn zu dem Roman Der Zauberberg von 1924 und der Erzählung Die Betrogene von 1953
  • 5.9.1883–23.11.1967: Otto Deutsch (Otto Erich Deutsch, Otto Eric Deutsch), österreichisch-jüdischer (konvertierter) Musikwissenschaftler, geb. und gest. in Wien; lebte 1939-1951 in der Emigration in Cambridge, dann wieder in Wien; Hauptwerke: Schubert- und Mozart-Dokumentationen, auch Dokumentation zu Händel; erstes vollständiges Werkverzeichnis der Werke Franz Schuberts, das „Deutsch-Verzeichnis“ (1951, englisch; entsprechende Abkürzung „D“ = Nummer)
  • 23.9.1883-25.8.1936: Grigori Sinowjew (Gregor Sinowjew / Grigorij Jewsejewitsch Sinowjew, russ.: Григорий Евсеевич Зиновьев, eigentlich: Gerson Apfelbaum / Owsej-Gerschen Aronowitsch Radomyschelski-Apfelbaum; einige Quellen bestreiten den Namen "Apfelbaum" überhaupt), geb. in Nowomirgorod im Gouvernement Cherson (allerdings übersiedelten seine Eltern bereits in seiner frühesten Kindheit nach Jelisawetgrad, heute Kirowohrad, Ukraine, wo er bis zu seinem 20. Jahr lebte; im Übrigen wurde im Jahr 1923 Jelisawetgrad zu seinen Ehren auf Sinowiewsk umbenannt); hingerichtet in Moskau, war hervorragender bolschewistischer Politiker, bedeutender Organisator der kommunistischen Partei, talentvoller Redner; seit 1903 Bolschewik; in der Schweiz lernte er Lenin kennen, zu dessen vertrautesten Mitarbeitern er bald gehörte, besonders durch sein Schreibtalent, das er Lenin ausgiebig zur Verfügung stellte; bis zur Revolution 1917 lebte er meistens im Ausland als Emigrant und beteiligte sich publizistisch an den Organen der bolschewistischen Partei, kehrte 1917 mit Lenin nach Russland zurück und war seit dem Sieg der Bolschewistenpartei in Russland bis Anfang 1926 Vorsitzender des Sowjets von Petersburg, Mitglied des "Politischen Büros" der russischen Kommunistischen Partei und Vorsitzender der Exekutive der Kommunistischen (Dritten) Internationale, wodurch er besonders im Ausland bekannt wurde; nach dem Tode Lenins 1924 war Sinowjew einer der drei Parteiführer, die die tatsächlichen Beherrscher Sowjetrusslands wurden (seine zahllosen Reden bestanden fast ausschliesslich aus Variationen der Gedankengänge von Lenin); von 1921 bis 1926 war Sinowjew Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Russlands (dem Vorgänger der KPdSU); ursprünglich ein enger Weggefährte von Stalin, wurde er im Zuge der stalinistischen "Säuberungen" hingerichtet; Sinowjew, jüdischer Abstammung, mit ursprünglichem Familiennamen Radomyslski (Радомысльский), blieb enger Vertrauter Lenins; trotz seines gemeinsam mit Kamenew offen geäusserten Widerspruchs zu einigen Ansichten Lenins behielt er dessen Vertrauen und blieb sein engster Mitarbeiter und Sprecher; als Vorsitzender des Leningrader Sowjets und Chef der Komintern erlangte er grossen Einfluss; nach Lenins Erkrankung und Tod bildete er zusammen mit Stalin und Kamenew zunächst das sogenannte Triumvirat, den engsten Machtzirkel der Kommunistischen Partei, um den gemeinsamen innerparteilichen Kontrahenten Leo Trotzki, den militärischen Führer der Revolution und Volkskommissar für Armee und Flotte, von der Macht fernzuhalten; im Rechenschaftsbericht des ZK der KPR(B) von 1923 vermerkte Sinowjew: „Wir sind gezwungen, die Weisungen Lenins durch kollektive Arbeit zu ersetzen“; wohlweislich verschwieg er allerdings, dass Lenin bereits Ende 1922 einen Brief an den Parteitag verfasst hatte, in dem er den derzeitigen Mitgliedern des Politbüros die Eignung als seine Nachfolger abgesprochen und insbesondere vor Stalin gewarnt hatte; erst 1924, nach Lenins Tod, verlas Sinowjew diesen Brief, aber, um Widerstand zu ersticken, nur jeder Delegation einzeln; gleichzeitig betrieb Sinowjew jedoch, von der zunehmenden Machtfülle Stalins beunruhigt, im Geheimen dessen Sturz; 1923 traf er sich mit anderen führenden Funktionären zu einer geheimen Beratung im Kaukasus, um geeignete Massnahmen sowohl gegen Stalin als auch gegen Trotzki zu besprechen; der Plan scheiterte am Widerstand einiger Stalin-Anhänger und wurde dem Generalsekretär zugetragen; Stalin vergass das nicht, und Sinowjew bezahlte es später mit seinem Leben; im Bestreben, sich zu rehabilitieren, forderten Sinowjew und Kamenew den Parteiausschluss Trotzkis, der weiter gegen das Triumvirat opponierte; Sinowjew über Trotzki vor dem ZK: „Warum duldet ihr diesen Hundekadaver im Politbüro?“ Stalin sah seine Chance gekommen, sich aller Widersacher zu entledigen, indem er sie gegeneinander ausspielte; auf einem Plenum 1925 distanzierte er sich offiziell von Sinowjew, Kamenew und deren Forderung, entzog aber gleichzeitig Trotzki seinen Posten als Armeechef; Sinowjew sah seinen Fehler zu spät ein; ein Zweckbündnis mit Kamenew und Trotzki ab 1926, um dem "Diktator" Einhalt zu gebieten, wurde von anderen Funktionären vereitelt; Sinowjew verlor seine Funktionen als Vorsitzender der Komintern und als Leningrader Parteichef, wurde als angeblicher Drahtzieher einer Verschwörung aus dem Politbüro, 1927 aus der Partei ausgeschlossen, später unter Reuebezeugungen wieder aufgenommen, erneut ausgeschlossen und nach Sibirien verbannt; unter erzwungener öffentlich bekennender Abkehr von jeglicher Opposition durfte er 1933 in die Partei zurückkehren und wurde Anfang 1934 zum Rektor der Universität in Swerdlowsk (Ural) ernannt, während Stalin schon dessen definitive Vernichtung plante; hierfür konstruierte Stalin die Verschwörungstheorie, es gäbe einen trotzkistisch-sinowjewschen Block, die er später - mit Blick auf die Abstammung der Beklagten - noch durch antisemitische Ausfälle erweiterte; 1936 wurde Sinowjew entgegen Stalins Zusagen unter absurden, unter Folter erpressten „Geständnissen“ (er musste sich u. a. selbst als Faschisten bezeichnen) zusammen mit anderen in einem ersten inszenierten Moskauer Schauprozess zum Tode verurteilt und in der Moskauer Lubjanka erschossen; die Urteile waren, wie Chruschtschow später berichtete, schon vor dem Prozess von Stalin persönlich abgesegnet worden; die Familienangehörigen Sinowjews und der anderen Ermordeten wurden in Gulags deportiert oder ebenfalls umgebracht; der Name Sinowjew ist auch verbunden mit dem "Sinowjew-Brief" (1924) an die Kommunistische Partei Grossbritanniens; dieser Brief, der einen Aufruf zum offenen Aufruhr enthielt, belastete die eben erst hergestellten diplomatischen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Grossbritannien schwer (die Autorschaft von Sinowjew ist jedoch umstritten)
  • 8.10.1883: Otto Heinrich Warburg in Freiburg i. Br. geboren, bedeutender Physiologe und Biochemiker, getauft wie schon sein Vater Emil Warburg, Leiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Zellforschung Berlin-Dahlem, entdeckte nach eigenen Methoden der Gasanalyse den Stoffwechsel der bösartigen Geschwülste, erhielt dafür 1931 den Nobelpreis für Medizin; er überlebte die Hitlerzeit in Deutschland und wurde Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin; er starb am 1. August 1970 in Berlin; er war nie verheiratet, Angebote verschiedener Frauen zur Heirat hatte er abgelehnt; Hauptwerke: Über den Stoffwechsel der Tumoren, 1926; Ideen zur Fermentchemie der Tumoren, 1947; Wasserstoffübertragende Fermente, 1948; Schwermetalle als Wirkungsgruppen der Fermente, 1949
  • 11.10.1883–8.8.1968: Fritz Stiedry, geb. in Wien, gest. in Zürich, Dirigent, Dr. iur., von Gustav Mahler "entdeckt", war Kapellmeister in Teplitz, Posen, Prag, Nürnberg, Kassel und Berlin (Staats- und Städtische Oper); seit 1924 Direktor der Wiener Volksoper, 1928-1933 an der Städtischen Oper Berlin, 1933-1937 leitete er die Leningrader Philharmonie, 1938 ging er als Dirigent nach New York, wo er seit 1946 an der Metropolitan Opera wirkte; er schrieb Kammermusik und trat auch als Schriftsteller hervor; nachgelassene Oper: Der gerettete Alkibiades
  • 26.11.1883–1.3.1970: Franziska Baumgarten (Franziska Baumgarten-Tramer), geb. in Lodz, gest. in Bern, Psychologin, Külpe-Schülerin, Frau von Moritz Tramer, wirkte bis 1924 in Deutschland; 1929-1953 Privatdozentin (später Honorarprofessorin) und Leiterin der Psychotechnischen Abteilung an der Universität Bern, erfand Psychotests und entwickelte Erziehungsmethoden; Hauptwerke: Die Lüge bei Kindern und Jugendlichen, 1917; Die Berufseignungsprüfungen, 1929; Die Psychologie der Menschenbehandlung im Betriebe, 1931; Die Arbeit, 1940; Charakterprüfung der Berufsanwärter, 1941
  • 30.11.1883–20.7.1945: Richard Prager, geb. in Hannover, gest. in Cambridge/Mass, Astronom, seit 1913 an der Universität Berlin, lehrte seit 1924 in Neubabelsberg; 1938 wurde er verhaftet; ausländischen Freunden gelang es, ihn zu befreien; seit 1939 lehrte er an der Harvard Universität; Hauptwerke: Katalog von 8303 Sternen, 1923; Katalog von 1885 Sternen für das Äquinoktium 1925, 1924
  • 5.12.1883–23.9.1973: Eduard Berend, geb. in Hannover, gest. in Marbach/Neckar, Literarhistoriker, Hauptmann im 1. Weltkrieg, seine biographischen und stilkundlichen Arbeiten wurden grundlegend für die Jean Paul-Forschung, er schrieb u. a. "Jean Pauls Persönlichkeit" und "Jean Pauls Ästhetik", er war Herausgeber von Jean-Paul-Werken in 8 Bänden 1908-1910, von 4 Bänden Briefen 1921-1926, von 5 Bänden Auswahl-Ausgabe 1923, einer Bibliographie 1925 und von 33 Bänden Sämtliche Werke (im Auftrag der Akademie der Wissenschaften) 1927-1964; er war 1939-1957 in die Schweiz emigriert
  • 8.12.1883–20.4.1942: Ludwig Berwald, geb. in Prag, gest. im Ghetto Lodz, Mathematiker, 1919 Habilitation an der Deutschen Universität Prag, 1922-1939 Prof. in Prag, 1941 mit rund 1000 Juden nach Lodz deportiert, wo seine Frau (Hedwig Adler) und er (verhungert) kurz hintereinander 1942 starben; er war einer der Pioniere, die die Differentialgeometrie und die geometrische Variationsrechnung entwickelten
  • 16.12.1883–31.10.1925: Max Linder (bürgerlicher Name Gabriel-Maximilien Leuvielle), frühester weltbekannter Filmstar, geb. in Caverne bei Saint-Loubès, gest. in Paris; auch in halsbrecherischen Situationen, in die er in seinen Filmen oft geriet, verlor er niemals seine stilvolle Haltung; immer trat er in Zylinderhut, Smoking, butterfarbenenen Handschuhen und mit korrekt geschnittenem Schnurrbart auf; zu Beginn des 20. Jhdts. war er der typische Frauenheld Frankreichs; der grosse internationale Durchbruch kam 1910, als eine Reihe von Filmen entstand, die alle den Namen „Max“ im Titel hatten; Linder war damit der erste Schauspieler, dessen Name auf Werbeplakaten genannt wurde; ab 1911 produzierte er die „Max“-Filme in Eigenregie; aber schnell verlor er an Popularität, trug im Krieg schwere körperliche Schäden von Giftgasangriffen davon; mehrmals versuchte er ein Comeback in Hollywood, das ihm dann ab 1921 gelang: „Be My Wife“, „Seven Years Bad Luck“, „The Three Must-Get-Theres“, „Au secours!“ (eine Horrorkomödie, sein letzter schauspielerischer Höhepunkt); im Alter von 40 Jahren heiratete er die 17-jährige Jane Peters, die Ehe wirkte zunächst glücklich, sie bekamen auch eine Tochter; aber Linder war als Neurastheniker häufig deprimiert; zwei Jahre später beging er zusammen mit seiner Frau in einem Pariser Hotel Suizid bzw. tötete sich, nachdem er sie getötet hatte – Hergang und Motive sind unklar; Charlie Chaplin nannte Linder seinen Lehrer; Chaplins frühe Filmauftritte sind stilistisch deutlich von Linder beeinflusst; auch Buster Keaton und Harold Lloyd fanden bei Linder Anregungen; Linders Tochter, Maud Linder, hat zwei Dokumentarfilme über ihren Vater gedreht, die grosse Beachtung fanden; Linder hat bei Hunderten von Filmen mitgespielt (die Schätzungen bewegen sich zwischen 300 und 500), wovon die meisten als verschollen gelten
  • 21.12.1883–18.5.1961: Ottilie Schoenewald, geborene Mendel, geb. in Bochum, gest. in Chicago, Politikerin, DDP-Stadtverordnete in Bochum 1919-1926, seit 1906 im Jüdischen Frauenbund, dessen letzte Präsidentin sie bis 1938 war, Dezernentin in der Reichsvertretung der deutschen Juden in Berlin, emigrierte 1939 nach Holland, 1946 in die USA, wo sie 1948-1950 Präsidentin des Leo Baeck Chapter der UOBB war
  • 25.12.1883–12.3.1948: Josef Reitler (auch Joseph Reitler), geb. in Wien, gest. in New York, Musikologe und Musikkritiker (seit 1905, u. a. bei der Neuen Freien Presse); Dr. phil., Hrsg. "Musikbuch aus Österreich" (1912 f.); er gründete 1915 das Neue Wiener Konservatorium, leitete es in den folgenden Jahren und verschaffte ihm Weltgeltung; er schrieb auch Libretti und war Mitbegründer der Salzburger Festspiele
  • 28.12.1883-22.1.1945: Alfred Wolfenstein, geb. in Halle (Saale) (nach anderen Quellen geb. am 28.12.1888); Selbsttötung in Paris, bedeutender expressionistischer Lyriker, Dramatiker, Übersetzer (u. a. Shelley) und Essayist ("Jüdisches Wesen und deutsche Dichtung", 1922); er zog mit seiner Familie 1901 nach Berlin; studierte an der Berliner Universität Rechtswissenschaften, legte das Staatsexamen ab und wurde 1915 zum Gerichtsreferendar ernannt; Alfred Wolfenstein heiratete 1916 Henriette Hardenberg, gestand jedoch später ein, homosexuell zu sein; die Ehe scheiterte und wurde 1930 geschieden; bereits 1912 erschien Wolfensteins erstes Gedicht in der durch Franz Pfemfert herausgegebenen Zeitschrift "Die Aktion"; durch diese Veröffentlichung bezog Wolfenstein nicht nur literarisch, sondern auch politisch Stellung, denn diese Zeitschrift bot neben expressionistischen Künstlern auch Politikern links der SPD ein bekanntes Forum; Wolfenstein veröffentlichte weitere Gedichte - sein wohl bekanntestes Gedicht, "Städter", erschien 1914 - und gab mit dem zweibändigen Werk Die Erhebung (1919/1920) die wichtigste theoretische Sammlung der expressionistischen Bewegung heraus; 1922 kehrte er aus München, wo er seit 1916 gelebt hatte, wieder nach Berlin zurück; 1930 erhielt er für seine Rimbaud-Übersetzungen den ersten deutschen Übersetzerpreis; Wolfenstein übersetzte auch Paul Verlaine, Gérard de Nerval und Werke des französischen sozialkritischen Schriftstellers Victor Hugo; aus dem Englischen übertrug Wolfenstein Gedichte Victor Hugos und Werke Emily Brontës; in den Jahren der Weimarer Republik trat Wolfenstein auch als Dramatiker in Erscheinung und verfasste 1929 ein gegen die Todesstrafe gerichtetes Theaterstück, "Die Nacht vor dem Beil"; Wolfenstein bekannte sich weiter zum Pazifismus; nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Wolfenstein gewarnt, er stehe auf der "schwarzen Liste"; er verliess Böhmen nach dem Münchener Abkommen und flüchtete nach Paris; bei dem Versuch, sich den Besatzungstruppen 1940 erneut zu entziehen, wurde er in Loire verhaftet und drei Monate im Pariser Gefängnis La Santé festgehalten; nach dreimonatiger Haft lebte Wolfenstein unter anderem mit dem Decknamen Albert Worlin in Südfrankreich; in den Verfolgungsjahren hatte sich Wolfenstein eine schwere Herzerkrankung zugezogen, derentwegen er nach Paris zurückkehrte; am 22. Januar 1945 nahm er sich in Paris das Leben; der in den Kriegsjahren verfasste Gedichtzyklus "Der Gefangene" erschien erst in den 1970er Jahren
  • 1883–1917: Adolf Reinach, Philosoph (Phänomenologische Schule, Rechtsphilosophie)
  • 1883–1920: Adolf Schreiber, Komponist; Spätromantiker
  • 1883–1921: Joseph Mann, Tenor
  • 1883–1927: Adolf Joffe, russisch-jüdischer kommunistischer Politiker, russischer Friedensdelegierter in Brest-Litowsk, Botschafter der Sowjet-Union in Deutschland
  • 1883–1927: Ausbildung von Judenmissionaren in Berlin (der Universität angegliedertes Seminar)
  • 1883–1929: Lilly v. Goldschmidt-Rothschild, verheiratet mit Schey v. Koromly (Wien), Vermögen 1911: 24 Mio RM
  • 1883–1934: Fritz Friedmann-Frederich, Schriftsteller (Lustspiele)
  • 1883–1934: Alfred Savoir, französisch-jüdischer Schriftsteller
  • 1883–1935: Max Sachs, geb. in Breslau, gest. im KZ Sachsenburg, Journalist, 1907 Dr. rer. pol., wurde 1911 Redakteur der Dresdner Volkszeitung, 1922-1924 Stadtverordneter (SPD) in Dresden, 1927 MdL in Sachsen, 1935 schwer misshandelt, starb er eine Woche nach Einlieferung ins KZ
  • 1883–1937: Abraham Coralnik, geb. in Uman in der Ukraine, Redakteur der zionistischen "Welt" 1902-1904 und 1906-1907, Kenner der russischen Judenheit mit besonderem Interesse an der Philosophie; sein späteres Interessen- und Betätigungsfeld war die jiddische Sprache und Literatur; ab 1915 bis zu seinem Lebensende war er Redakteur der amerikanischen Tageszeitung "Der Tog"
  • 1883–1942 Dr. Joseph Carlebach (Joseph Zwi Carlebach), Rabbiner von Hamburg und Altona, Naturwissenschaftler, Pädagoge, Märtyrer im Holocaust; geb. in Lübeck; er schrieb: „Es gibt keine höhere Medizin als Gutsein, keine echtere Hygiene als Sittlichkeit, keinen besseren Arzt als Gott … Heiligung ist die beste Hygiene. Das ist die Medizin der Bibel. Wir beachten Speise-, Ehe- und Genussregeln der Bibel als Gebote der Heiligung“; Joseph Carlebach wurde 1941 in ein Konzentrationslager bei Riga verschleppt, wo er vier Monate später ermordet wurde
  • 1883–1946: Isaac (Isaak) Breuer, geb. in Pápa, Ungarn, gest. in Jerusalem, Sohn von Salomon Breuer, Enkel von S. R. Hirsch, (Religions-) Philosoph, Vertreter der Orthodoxie, Vordenker der Agudat Jisrael; wuchs in Frankfurt auf, studierte in Marburg Jura und (u. a. bei Hermann Cohen) Philosophie; bis 1936 war er in Frankfurt als Rechtsanwalt tätig, ehe er nach Palästina auswanderte; Breuer trat zwar für einen jüdischen Staat ein, war aber Antizionist und bis zu seinem Tod einer der bedeutendsten Vertreter der nichtzionistischen jüdischen Orthodoxie, der eine persönliche, philosophisch (kantianisch bzw. neukantianisch) akzentuierte Note in die neo-orthodoxe Theologie einbrachte; der osteuropäischen Orthodoxie blieb diese westliche Ausformung des Traditionalismus jedoch lange Zeit suspekt; 1938 schrieb er „Weltwende“, 1942 „Sch’ali Srufah“ („Erinnerung an das deutsche Judentum“)
  • 1883–1947: Fischel Lachower, neuhebräischer Schriftsteller, Kritiker und Literarhistoriker
  • 1883–1947: Siddy Wronsky (geborene Neufeld), geb. in Berlin, gest. in Jerusalem, Sozialarbeiterin/Sozialpolitikerin und Lehrerin; Lehrerin für geistig behinderte Kinder in Berlin, dann Leiterin der "Zentrale für private Fürsorge" (dort Schülerin und Nachfolgerin von Albert Levy), Gründerin und Leiterin des Archivs für Wohlfahrtspflege in Berlin, war Dozentin an der Wohlfahrtsschule in Berlin und an der Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit, gründete mehrere Schulen für Sozialarbeit und war Gründerin und (1925-1933) Herausgeberin der Deutschen Zeitschrift für Wohlfahrtspflege; 1927-1930 Mitarbeit am "Jüdischen Lexikon"; Gründerin und Vorstandsmitglied der "Jüdischen Kinderhilfe"; Mitarbeit (Vorstandsmitglied) bei der "Jüdischen Arbeits- und Wanderfürsorge"; Vorstandsmitglied der Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden; Gründerin des Ahavah-Kinderheims der Jüd. Gemeinde Berlin; war zionistische Vertreterin im Preussischen Landesverband jüdischer Gemeinden (auch Begründerin des Bundes zionistischer Frauen); sie emigrierte 1934 nach Jerusalem und war dort weiterhin als Sozialarbeiterin führend tätig, u. a. gründete sie dort 1934 die erste Schule des Jischuw zur Ausbildung von Sozialarbeitern; Werke (Auswahl): Leitfaden für die Wohlfahrtspflege, 1921; Gegenwartsaufgaben der jüdischen Wohlfahrtspflege, 1924; Quellenbuch zur Geschichte der Wohlfahrtspflege, Berlin 1925; Soziale Therapie, Berlin 1926; Zur Soziologie der jüdischen Frauenbewegung, 1927; Soziale Diagnose, 1927 (zweite Aufl.); Methoden der Fürsorge, 1929; Sozialtherapie und Psychotherapie, Berlin 1932 (gemeinsam mit Artur Kronfeld); Social Work and the Jewish Community Idea in Palestine, 1936
  • 1883–28.5.1950: Abraham Ben Yitzhak (Avraham Ben-Yitzhak, geboren als Abraham Sonne in Przemysl, Galizien), israelischer Lyriker; in der deutschen und der hebräischen Sprache gleichermassen zu Hause, verwirklichte er sich allein im hebräischen Gedicht, das bei ihm aus den ältesten Sprachschichten kommt; obwohl sein gesamtes Werk aus nur ganz wenigen publizierten Gedichten besteht, ist er legendär innerhalb der Geschichte der hebräischen Poesie und zählt zu den meist bewunderten Dichtern, wurde mit Hölderlin verglichen; er erhielt eine traditionelle jüdische Erziehung, ging zum Studium nach Berlin und Wien, lebte lange in Wien und floh 1938 vor den Nazis nach Palästina; in Wien war er u. a. mit Hermann Broch und Elias Canetti befreundet, die ihn als eine ganz wunderbare Erscheinung verehrten; Canetti war geradezu süchtig nach ihm, musste immer wissen, was er macht und wie es ihm geht; Abraham Ben Yitzhak starb 1950 in Jerusalem
  • 1883–1950: Benvenuto Donati aus Modena, Herausgeber der italienischen Monatsschrift L'Idea Sionista (von 1901-1904 gemeinsam mit dem Juraprofessor Carlo Conegliani, der die Zeitschrift 1900 gegründet hatte), Ende 1900 Mitbegründer einer zionistischen Föderation in Italien
  • 1883–1950: Hugo Bieber, Schriftsteller (Essays) und Literarhistoriker (u. a. Heine-Forscher); geb. in Berlin, gest. in New York, Dr. phil., war viele Jahre Verlagsdirektor des Volksverbandes der Bücherfreunde, emigrierte 1933 nach Frankreich, 1940 nach Spanien, 1941 in die USA; er war Herausgeber von Heines Briefen (1914), Wielands Werken (1916), Goethes und Hebbels Werken (1925), von Heines Confessio Judaica (1925); - Werke (Auswahl): Die poetische Theorie Joh. A. Schlegels, 1911; Deutsche Gestalten und Denkwürdigkeiten, 1924; Der Kampf um die Tradition, 1925; Heinrich Heine: jüdisches Manifest, 1946; Max Warburg, 1952
  • 1883–1951: Umberto Cassuto (Moshe David Cassuto), geb. in Florenz, jüdischer Gelehrter und Hebraist, Prof. an der Universität Rom; Beiträge zur Bibelwissenschaft; u.a. Geschichte der jüdisch-italienischen Gemeinden (Ebrei a Firenze, 1918) und jüdisch-italienischen Literatur (Dante e Manoello, 1921)
  • 1883–1954: Martin Bloch, Maler (Nachimpressionist)
  • 1883–1955: Samuel Niger (auch: Schmuel oder Shmuel Niger; Pseudonym für Samuel Tscharny oder Schmul Tscharni, auch: Samuel Charney), geb. 1883 in Dukor bei Minsk; gest. 1955, war jiddischer Schriftsteller, Kritiker und Publizist; er gilt als der bedeutendste literarische Kritiker der jiddischen Literatur; Samuel Niger erhielt eine streng jüdische Erziehung und studierte bis zu seinem 17. Lebensjahr den Talmud, aber auch profane Wissenschaften; er war zunächst politisch tätig (1904 Mitbegründer der Zionistisch-Sozialistischen Partei, journalistischer Mitarbeiter des Parteiblatts "Der naier Weg", mehrmals durch die russische Obrigkeit verhaftet und auch gefoltert), wurde dann, nach ersten literarischen Versuchen in Russisch und Hebräisch, Mitarbeiter und Herausgeber zahlreicher jiddischer literarischer Zeitschriften und entwickelte sich zur führenden Figur der jiddischen Kulturarbeit und des Jiddischismus in Russland bis zur Oktoberrevolution; seit August 1919 lebte er in den Vereinigten Staaten (New York) und wurde vor allem durch seine über Jahrzehnte hinweg im Tog erschienenen Artikel zum anerkannten, aber auch gefürchteten Kritiker des jiddisch-literarischen Lebens; Werke/Ausgaben (Auswahl): Wegen jidische Schraber, Wilna 1912 (2 Bände) (auch in Warschau 1912 herausgegeben); Zum Andenken an Schalem Alechem, 1916 (gemeinsam mit Israel Zinberg); Di jidische Literatur un di lezerin, Wilna 1919; Schmusen wegen Bicher, New York 1922; Ausgewählte Schriften, New York 1928 (3 Bände); Mendele Mocher Sforim, New York 1928 (auch Chikago 1936); Schalom Alechem, seine wichtigsten Werke, sein Humor und sein Platz in der jiddischen Literatur, New York 1928; In kamf far a naier dertsiung, New York 1940; Die Tsveisprachigkait fun undser literatur, Detroit, Mich. 1941; Dertseilers un romanistn, New York 1946; H. Leyvik, Toronto 1951; Y. L. Perets, Buenos Aires 1952; Leksikon fun der nayer yidisher Literatur, New York 1956; Kritik un kritiker, Buenos Aires 1959; Bleter geschichte fun der jidischer literatur, New York 1959; Jidische Schraber fun tsvantsikstn jorhundert, New York 1972; Fun mayn togbuch, New York 1973;Bilingualism in the history of Jewish literature, Lanham Md. 1990 (übersetzt von Joshua A. Fogel); Redaktionelle Mitarbeit/Herausgeberschaft (Auswahl); Literarische Monatsschriftn, Wilna 1908 (gegründet von Niger, A. Weiter und Sch. Gorelik); Die jiddische Welt (Wilna, Monatsjournal), 1912-1915; Der Pinkas. Jahrbuch für jüdische Literatur, Wilna 1913; Die Woche, 1914; העבר (Petersburg), 1916; Kultur und Bildung, 1918 (hrsg. vom jüdischen Kommissariat in Moskau); Die neue Welt (Wilna, Monatsjournal, im Auftrag des Kommissariats für Volksbildung, Moskau), 1918/1919; Wilner Tog (bis 1919); Vorwärts (New York), 1919; Der Tog (New York, jiddische Tageszeitung), 1920-1955; Dus naie Leben (New York, Monatsjournal, gemeinsam mit Schitlowski), 1922 (nur elf Nummern erschienen); Literatur (Auswahl): Daniel Tscharny (Samuel Nigers Bruder), Mischpocho-Chronik, in: In Span, 1926 (Heft I und II); Shmuel Niger-bukh (Shmuel Niger memorial volume), redaktirt fun Shloymeh Bikel un Leybush Lehrer, Bibliotek fun YIVO, New York 1958
  • 1883–1959: Jacob Segall (auch: Jakob Segall), geb. in Chempin/Posen, gest. in Tel Aviv, Statistiker, Sozialpolitiker und Arzt, leitete 1908-1933 in Berlin das Büro für Statistik der Juden und redigierte die Zeitschrift für Demographie und Statistik der Juden, leitete 1917-1926 die Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden, praktizierte 1922-1933 als Arzt, ging 1933 nach Palästina, zuerst als Arzt, 1935-1953 wieder als Statistiker; Hauptwerke: Die deutschen Juden als Soldaten im Kriege 1914-1918 (1921, zusammen mit Heinrich Silbergleit); Die beruflichen und sozialen Verhältnisse der Juden in Deutschland, 1922
  • 1883–8.4.1971: Norman Bentwich (Norman De Mattos Bentwich MC = Military Cross, OBE = Order of the British Empire), geb. in London, ältester Sohn von Herbert Bentwich, Barrister, Präsident der Jewish Historical Society; Norman Bentwich war von 1912-1915 Justizminister in Kairo, 1917 bis 1931 in Palästina leitender Verwaltungsbeamter, oberster Justizbeamter zur Neuordnung des Gerichtswesens; Inhaber des Lehrstuhles für Friedenwissenschaft an der Universität Jerusalem, Mitglied des Büros des Emigrantenkommissars; publizierte 1934 „The Jews and a changing civilisation“; 1939-1945 British Ministry of Information and Air Ministry; viele weitere Funktionen und Ämter; 1958-1971 President of London North-Western Reform Synagogue
  • 1883–1972: Max Fleischer (eigentlich Maximilian Fleischer), geb. in Krakau, gest. in Los Angeles, US-amerikanischer Cartoonist und Trickfilmproduzent (Fleischer Studios) österreichisch-jüdischer Herkunft; in seinem Studio entstanden u. a. die Serien Betty Boop, ‚Popeye the sailor, Koko der Clown und Superman, mit denen er bis zu Walt Disneys Erfolgen in den 1930er Jahren den Markt beherrschte; Fleischer und sein jüngerer Bruder Dave (1894-1979) entwickelten das so genannte Rotoskop, ein Gerät, mit dem man Laufbilder Kader für Kader auf einen Zeichentisch projizieren konnte und so die Herstellung von Zeichentrickfilmen vereinfachte; sie kamen damit vier Jahre Disney zuvor, bevor dieser mit Mickey Mouse in Steamboat Willie 1928 nachziehen konnte
  • 1883–1975: Samuel Hugo Bergmann. - Schmuel Hugo Bergman studierte in Prag und Berlin Philosophie. Als Student in Prag trat er in die zionistische Studentengruppe „Bar Kochba“ ein und wenig später begann er, zionistische Artikel zu veröffentlichen. In dieser Zeit traf er Martin Buber, der einen wesentlichen Einfluss auf ihn ausüben sollte. Bergmann arbeitete von 1907 bis 1919 als Bibliothekar an der Prager Universitätsbibliothek. In den Jahren des Ersten Weltkrieges diente er in der österreichischen Armee. Bergmann war vor dem Krieg ein spiritueller und zionistischer Führer in Prag und Böhmen. 1910 besuchte er Palästina. Hier kam ihm die Idee einer Bibliothek für die Juden. Nach dem Ersten Weltkrieg sandte ihn die Zionistische Bewegung nach London, um der Kulturabteilung vorzustehen. Er überzeugte die Bewegung, Gelder für die Gründung der Hebräischen National- und Universitätsbibliothek bereitzustellen. Daraufhin ging er mit seiner Familie nach Jerusalem, um diese Institution aufzubauen. Bergmann fungierte bis 1935 als erster Direktor. Die Gründung der Bibliothek wirkte sich auch auf christliche und moslemische Gruppen aus und trug zur Beliebtheit, der sich Bergmann in Jerusalem erfreute, bei. Die Hebräische Universität wurde 1925 eröffnet. Ab 1928 lehrte Bergmann an der Universität, 1935 wurde er Professor und von 1935 bis 1938 der erste Präsident. Bergmann war der Herausgeber des philosophischen Teiles der Enzyklopädia Hebraica und der Vierteljahrsschrift „Ijun". Er war Mitglied von HaPoel HaZair und von Brith Schalom. In dieser Eigenschaft leitete er 1947 die jüdische Delegation bei der Pan Asia Konferenz in Neu Delhi. Bergmanns Hauptinteressen waren Wissenschaft und Religion. Er schrieb auf Hebräisch über Kant, Maimon und Philosophen des 20. Jahrhunderts. Zweimal erhielt er den Israel-Preis: 1954 für seine philosophischen Werke und 1974 für seinen aussergewöhnlichen Beitrag für Staat und Gesellschaft Israels; 1975 starb Hugo Bergmann in Jerusalem. Bergmanns religiöse Haltung war von Rudolf Steiner, Martin Buber, Franz Rosenzweig, christlichen und indischen Denkern, wie Aurobindo, beeinflusst. Bergmann bemühte sich, seinen Glauben als direkte Erfahrung, als "Begegnung mit Gott" zu leben. Er betonte den Dialog dieser Begegnung und sah ihre Hauptausdrucksformen im Gebet und im Hören auf Gottes Stimme. Seine Gedanken über Religion sind in seinem Buch „Denker und Glaubende" enthalten. Er schrieb auch eine Einführung in die moderne jüdische Gedankenwelt: „Glaube und Vernunft".
  • 1883–1976: Bela Czobel, ungarisch-jüdischer Maler
  • 1883–1979: Fritz Karl Mann, geb. in Berlin, gest. in Washington D. C., Finanzwissenschaftler, Begründer der Finanzsoziologie, getauft, Dr. iur. et phil., war 1920-1926 Prof. in Königsberg, 1927-1936 in Köln, hier auch Direktor des Instituts für internationale Finanzwirtschaft; er emigrierte 1936 in die USA, Prof. in Washington, war 1948-1954 auch Vorsitzender des Department of Economics; Hauptwerk: Finanztheorie und Finanzsoziologie, 1959

Bücher

  • Julius Wellhausen, Prolegomena zur Geschichte Israels, 1883
  • Gerson Wolf, Die Juden, Wien-Teschen 1883
  • Ebers und Guthe, Palästina in Bild und Wort, Stuttgart 1883
  • August Rohling, Meine Antworten an die Rabbiner oder fünf Briefe über den Talmudismus und das Blutritual der Juden, 1883. -- Nach Rohlings Angaben waren zu dem Zeitpunkt bereits 200 000 Exemplare des „Talmud-Juden“ verbreitet worden – Fälschung hin oder her. Rohling war längst ein gemachter Mann.

Zeitungen und Zeitschriften

  • 1883: Jüdisches Volksblatt, in Lemberg/Galizien wöchentlich in deutscher Sprache (aber mit hebräischen Lettern) erschienene Zeitschrift
  • Seit 1883: Der Colonist, in Kattowitz in deutscher Sprache erscheinendes chowewe-zionistisches Blatt
  • Seit 1883: Neue Israelitische Allianz, in Czernowitz erscheinendes jiddisches Blatt
  • Seit 1883: The Hebrew Observer, in Cleveland erscheinendes Wochenblatt
  • 1883–1886: In den Jahren von 1883 bis 1886 erscheint in Mainz die antisemitische Zeitschrift Die Wucherpille
  • 1883–1914: Drohobyczer Zeitung, in Drohobycz wöchentlich in deutscher Sprache erscheinendes jüdisch-konservatives Blatt

1883 in Wikipedia


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