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Entführung des Flugzeugs „Landshut“
Die Entführung des Flugzeugs „Landshut“, einer Boeing 737-200, mit welcher der Lufthansa-Flug 181 durchgeführt wurde, bezeichnet die Geiselnahme an Bord eines Passagierflugzeugs der Lufthansa am 13. Oktober 1977 durch vier palästinensische Terroristen der PFLP-SC. Sie nannten sich Kommando Martyr Halimeh. Nach der Ermordung des Flugkapitäns und mehreren Zwischenstopps landete die Maschine in Mogadischu in Somalia, wo sie am 18. Oktober 1977 von der GSG 9, einer Spezialeinheit des deutschen Bundesgrenzschutzes, erstürmt und die Geiseln befreit wurden.
Das Ereignis stand in engem Zusammenhang zur Schleyer-Entführung in Deutschland. Die Rote Armee Fraktion (RAF) hatte am 5. September 1977 den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer entführt und die Freilassung von Gesinnungsgenossen aus deutschen Gefängnissen gefordert. Mit der Flugzeugentführung sollte der Druck erhöht werden. Die Bundesregierung unter Helmut Schmidt (SPD) erfüllte die Forderungen nicht.[1][2]
Die Geiselbefreiung in Mogadischu gilt als auslösendes Moment für den kollektiven Suizid der inhaftierten RAF-Spitze in der sogenannten Todesnacht von Stammheim, die wiederum die Ermordung Hanns Martin Schleyers zur Folge hatte.
Vorgeschichte
Linksterroristen aus der Bundesrepublik Deutschland arbeiteten bereits seit Jahren mit palästinensischen Terrorgruppen zusammen. Materielle Ressourcen, wie Geld, Waffen und Sprengstoff wurden miteinander geteilt. Zeitweise setzten sich deutsche Linksextremisten in den Nahen Osten ab und wurden dort militärisch ausgebildet. Westdeutschen Terroristen gelang so außerdem die Einsicht interner Dokumente von Interpol und BKA über den Fahndungs- und Ermittlungsstand gegen sich selbst, welche den Palästinensern aus der DDR zugespielt wurden.[3][4][5][6][7]
Die Kooperation erstreckte sich auch auf terroristische Operationen. Das PFLP-Spezialkommando unter der Führung von Wadi Haddad war die erste Gruppe, die systematisch einerseits Ausländer an ihren Terroraktionen beteiligte und andererseits Training, Waffen, Logistik ihren ausländischen Verbündeten zur Verfügung stellte.[8]
Am 27. Juni 1976 entführte die PFLP eine Air-France-Maschine ins ugandische Entebbe. Unter dem Kommando des Deutschen Wilfried Böse beteiligten sich Brigitte Kuhlmann, die wie Böse aus der Terrororganisation Revolutionäre Zellen kam, und zwei Palästinenser an der Durchführung. Am Flughafen von Entebbe erwarteten am 28. Juni 1976 acht weitere palästinensische Terroristen die mit 264 Geiseln besetzte Maschine. Für die Bewachung der Geiseln stellte zudem der ugandische Staatspräsident Idi Amin Soldaten ab. Die Terroristen benannten am zweiten Tag in Entebbe ihre Hauptforderung. 53 Gefängnisinsassen, darunter vierzig in Israel inhaftierte Palästinenser, überwiegend Mitglieder der PFLP und der Al-Fatah, sowie sechs in der Bundesrepublik Deutschland inhaftierte Deutsche, Angehörige der RAF bzw. der Bewegung 2. Juni, sollten freigelassen werden. Anderenfalls würden alle Geiseln, die zwischenzeitlich in ein Flughafenterminal verschleppt wurden, getötet. Am vierten Tag der Entführung begannen die beiden Deutschen damit, Geiseln jüdischer Abstammung und solche, die sie dafür hielten, zu selektieren. 148 „Nicht-Juden“ wurden dagegen freigelassen. Die französische Crew blieb aus berufsethischen Gründen bei den Geiseln. In der Nacht auf Sonntag, den 4. Juli 1976, stürmte die eingeflogene israelische Spezialeinheit Sayeret Matkal den Flughafen. Dabei kamen alle Entführer, etwa 20 bis 50 ugandische Soldaten, der israelische Offizier Yonathan Netanyahu und drei Entführte ums Leben.[5][6][9][10][11][12][13][14][15][16]
Die Geisel Dora Bloch, die während der Befreiungsaktion im Krankenhaus war, wurde – gemäß einem Untersuchungsbericht des britischen Außenministeriums – wahrscheinlich auf Geheiß Idi Amins ermordet.[16] Da das afrikanische Nachbarland Kenia Israel bei diesem Einsatz logistisch und bei der Befreiung der Entführten unterstützte, ließ Amin danach zahlreiche Kenianer in Uganda verfolgen. Insgesamt 245 Kenianer, darunter auch Flughafenpersonal, sollen bis zum 11. Juli 1977 ermordet worden sein. Die kenianischen Behörden schätzen, dass um die 3000 Kenianer vor dem Massaker aus Uganda flohen.[17][18]
Nach Scheitern der Aktion, um abermals elf Terroristen der ersten RAF-Generation aus dem Strafvollzug freizupressen, wurde zwei Jahre später – am 5. September 1977 – der Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Hanns Martin Schleyer von einem RAF-Kommando in Köln entführt. Seine vier Begleiter wurden ermordet. Haddads Terrororganisation war auch an dieser Planung beteiligt und unterstützte die Schleyer-Entführer durch Waffenlieferungen. Die Bundesregierung war jedoch diesmal nicht bereit, das Entführungsopfer gegen inhaftierte Terroristen auszutauschen, wie noch im Februar 1975 bei der Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz durch die RAF-nahe Bewegung 2. Juni.[3][4][7][8][19][20]
Nachdem sich die Entführung Schleyers bereits drei Wochen lang ergebnislos dahinzog, schlug Haddad der RAF zwei Terroraktionen vor, um den Druck auf die Bundesregierung zu verstärken. Dadurch sollte die Freilassung der elf RAF-Terroristen doch noch erzwungen werden. Ein Palästinensisches Terrorkommando sollte für eine Geiselnahme entweder einen Anschlag auf die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kuweit oder die Entführung eines Lufthansa-Flugzeugs auf dem Weg von Mallorca nach Frankfurt durchführen. Da bereits die Geiselnahme der RAF in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Stockholm im April 1975 scheiterte, lehnte die RAF-Führung den Botschaftsanschlag ab und stimmte der Flugzeugentführung zu. Am 13. Oktober 1977 entführte daraufhin ein vierköpfiges PFLP-Kommando eine Lufthansamaschine, die von Palma de Mallorca (Spanien) startete. Das palästinensische Terrorkommando nannte sich Märtyrerin Halima und sollte an die bei der israelischen Geiselbefreiung in Entebbe erschossene deutsche Terroristin Brigitte Kuhlmann, deren Deckname „Halima“ war, erinnern.[21][3][4][6][6][8][19][22][20]
Verlauf der Entführung
Beginn
Am 13. Oktober 1977 wurde die Lufthansa-Maschine mit der Flugnummer LH 181, die planmäßig von Palma de Mallorca (Spanien) nach Frankfurt am Main fliegen sollte, von einem aus vier Personen – zwei Männern und zwei Frauen – bestehenden palästinensischen Terrorkommando der PFLP namens Märtyrerin Halima entführt.[23] Sie hatten – in Kosmetikkoffern und einem Radio versteckt – zwei Pistolen, vier Handgranaten und etwa 500 Gramm Plastiksprengstoff an Bord gebracht.[24] Ihr Anführer war der 23-jährige Zohair Youssif Akache, der sich Kapitän Märtyrer Mahmud nannte, nach dem Kampfnamen des im Juli 1976 bei der Operation Entebbe getöteten Flugzeugentführers Wilfried Böse. Die drei anderen Entführer waren die im Libanon geborenen Souhaila Andrawes alias Soraya Ansari, Nabil Harbi alias Riza Abbasi und Hind Alameh alias Shanaz Gholoun. Die Planung und Leitung wird Wadi Haddad zugeschrieben, der die Operation von Bagdad aus verfolgte. An Bord des Flugzeugs befanden sich neben den Entführern 86 (nach anderen Quellen 82) Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder, darunter – drei Mitglieder der Flugzeugbesatzung einberechnet – mindestens 23 Deutsche.
Verlauf
Die Maschine wurde im französischen Luftraum entführt und nach Larnaka auf Zypern umgeleitet. Da jedoch der Treibstoff nicht ausreichte, musste sie in Rom zwischenlanden, wo sie aufgetankt wurde und Mahmud erstmals die Forderungen seines Terrorkommandos verkündete. Diese waren identisch mit denen der Entführer von Hanns Martin Schleyer: die Freilassung von elf in Deutschland inhaftierten RAF-Terroristen. Zusätzlich forderte man die Entlassung zweier Gesinnungsgenossen aus türkischer Haft sowie 15 Millionen US-Dollar.
Trotz Aufforderung des deutschen Innenministers an Italien, den Abflug z. B. durch Beschuss der Reifen zu verhindern, ließ man die Landshut aus Rom nach Larnaka abfliegen. Dort nahm ein Vertreter der PLO Kontakt zu den Entführern auf und versuchte vergeblich, sie zur Aufgabe zu überreden. Nach dem Auftanken hob die Maschine Richtung Libanon ab. Da aber die Flughäfen von Beirut, Damaskus, Bagdad und Kuwait-Stadt gesperrt worden waren, flog man über Manama weiter nach Dubai.
Dubai
Die Landebahn des Flughafens war zunächst blockiert worden; da aber der Treibstoff fast aufgebraucht war, ließ man das Flugzeug in den Morgenstunden des 14. Oktober doch landen.[25] Hier gelang es dem Piloten Jürgen Schumann am 16. Oktober, den Behörden Informationen über die Anzahl der Entführer mitzuteilen. Durch ein Fernseh-Interview des Verteidigungsministers von Dubai – dem heutigen Herrscher des Emirats Dubai und Premierminister, Verteidigungsminister sowie Vizepräsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate – Muhammad bin Raschid Al Maktum erfuhren auch die Entführer davon. Daraufhin ließ Mahmud den Flugkapitän im Gang niederknien und drohte, ihn bei einem weiteren Vorfall zu erschießen. In den über drei Tagen des Aufenthalts stand die Maschine in der prallen Sonne, und die Klimaanlage fiel wegen Treibstoffmangels aus.[26] Ab Larnaka folgte den Entführern eine Maschine mit Beamten der GSG 9. Diese bereiteten sich in Dubai auf eine Befreiungsaktion vor. Doch nach der Drohung der Entführer, Geiseln zu erschießen, wurde die Maschine aufgetankt und startete Richtung Oman, ohne dass ein Zugriff erfolgen konnte.
Aden
Nachdem der Oman die Landeerlaubnis verweigert hatte, flog die Landshut weiter nach Aden im damaligen Südjemen.[27] Die dortige Regierung ließ jedoch alle Landebahnen blockieren. Da der Treibstoff zur Neige ging, blieb den Piloten keine andere Wahl, als in der Nacht auf einem Sandstreifen neben der Startbahn notzulanden. Dem Kapitän wurde das Verlassen des Flugzeugs gestattet, um das Fahrwerk zu inspizieren. Jürgen Schumann kehrte erst nach ca. einer Stunde zum Flugzeug zurück. Über die Hintergründe der Abwesenheit Schumanns konnte lange Zeit nur spekuliert werden. Erst 2008 gelang es im Rahmen einer Fernsehdokumentation den Mann aufzuspüren, der damals auf dem Flughafen von Aden mit Schumann zusammengetroffen war: Scheich Ahmed Mansur, Kommandeur einer jemenitischen Sondereinheit. Mansur sagte aus, dass der Kapitän in Sorge um das Leben seiner Passagiere gefordert habe, den Weiterflug der möglicherweise beschädigten Maschine zu verhindern.[28][29] Mahmud erschoss Schumann nach dessen Rückkehr im Mittelgang des Flugzeugs mit einem gezielten Kopfschuss, bevor dieser die Gründe seiner Abwesenheit darlegen konnte. Dies geschah offenbar auch, um den Forderungen der Entführer mehr Nachdruck zu verleihen.
Mogadischu
Die Maschine wurde erneut aufgetankt, hob am frühen Morgen des 17. Oktobers – nur noch vom Kopiloten Jürgen Vietor gesteuert – ab und nahm Kurs auf die somalische Hauptstadt Mogadischu, wo sie gegen 4:30 Uhr (MEZ) landete. Da die Behörden im Südjemen das Ausladen der Leiche des Piloten untersagt hatten, wurde sie erst hier über eine Notrutsche aus dem Flugzeug geschafft.[30] Die Entführer setzten ein Ultimatum bis 15 Uhr MEZ, um die RAF-Mitglieder aus der Justizvollzugsanstalt Stuttgart zu entlassen. Danach sollte die Maschine gesprengt werden, denn die Entführer hatten kein weiteres Land mehr zum Weiterflug in Aussicht. Vor dem Ablauf des Ultimatums erklärten die Entführer, die in der Zwischenzeit bereits die Passagiere mit Alkohol übergossen und ihre Sprengkörper scharf gemacht hatten, dass die deutsche Regierung nun Schuld am Tod der Geiseln habe. Mit der Begründung, es müssten gefährdete Objekte vor der angedrohten Sprengung in Sicherheit gebracht werden, konnte eine Verlängerung des Ultimatums um 30 Minuten erreicht werden. Die Stewardess Gabriele Dillmann (heute Gabriele von Lutzau) erhielt die Möglichkeit, über Funk einen letzten Appell an die verantwortlichen Politiker zu richten.
Damit die Zeit ausreichte, den Hauptteil des Kommandos der deutschen GSG 9 vor Ort zu schaffen, wurden die Entführer mit der Nachricht getäuscht, ihrer Forderung werde nachgegeben, die Überführung der RAF-Gefangenen nach Mogadischu aber benötige mehrere Stunden. Daraufhin verlängerten die Entführer das Ultimatum erneut, diesmal bis zum 18. Oktober, 01:30 Uhr MEZ.
Befreiung durch die GSG 9
Somalia befand sich in dieser Zeit in einem kriegerisch ausgetragenen Konflikt mit Äthiopien. Wie das Nachbarland bezog es seine Waffen aus der Sowjetunion. Um die Auseinandersetzung zu gewinnen, war es an einer Annäherung an den Westen und westlichen Waffenlieferungen interessiert, die bis zur Landshut-Entführung jedoch abgelehnt wurden.[31] Das Land galt gleichzeitig als palästinenserfreundlich, was ein Grund der Entführer gewesen sein mag, nach mehreren Landeverboten anderer Staaten Mogadischu anzufliegen. Somalias Präsident Siad Barre wurde über die Nationalität der Entführer getäuscht und in dem Glauben gelassen, es handele sich um drei Deutsche und einen Palästinenser. Ferner wurde ihm die Lieferung von Waffen in Aussicht gestellt. Daraufhin stimmte er einer Joint Operation, also einer gemeinsamen Befreiungsaktion, zu.[32]
Am 18. Oktober um 00:05 Uhr MEZ stürmte das GSG-9-Kommando unter Führung Ulrich Wegeners in der Operation Feuerzauber die in Mogadischu gelandete Landshut. Während der siebenminütigen Aktion wurden drei der vier Geiselnehmer getötet, lediglich Souhaila Andrawes überlebte. Außerdem wurden ein GSG-9-Beamter sowie die Stewardess Gabriele Dillmann verletzt. Um 00:12 Uhr MEZ konnte der mitgereiste Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt den erfolgreichen Abschluss der Aktion melden.[33]
Es wurde immer wieder behauptet, an der Operation seien auch zwei Angehörige der britischen Spezialeinheit SAS sowie indirekt ein somalisches Ranger-Bataillon beteiligt gewesen. Wegener dementierte dies zuletzt in einem Interview mit der Welt vom 13. Oktober 2007.[34] Darin spricht er davon, dass ihm von der SAS sowohl planerische Unterstützung als auch neu entwickelte Blendgranaten angeboten worden waren. Er entschloss sich jedoch nach einem Test der Granaten in Dubai, diese nicht im Flugzeug zu verwenden. Ebenso lehnte er die vom SAS vorgeschlagene Taktik zugunsten eigener Überlegungen ab, d. h., der Zugriff erfolgte über alle Ein- und Ausgänge der Maschine und nicht bloß über einen Zugang.
Folgen
Am Morgen des 18. Oktober 1977 wurden die inhaftierten RAF-Mitglieder Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin und Andreas Baader nach kollektivem Suizid tot in ihren Gefängniszellen aufgefunden. Irmgard Möller überlebte die so genannte „Todesnacht von Stammheim“ schwer verletzt.[33] Am Tag darauf gab die RAF die Ermordung Hanns Martin Schleyers bekannt. Seine Leiche wurde am 19. Oktober 1977 im Kofferraum eines in Mülhausen (Elsass) abgestellten Audi 100 aufgefunden.[35]
Die Befreiungsaktion geschah auf Anordnung der Bundesregierung unter der Führung von Bundeskanzler Helmut Schmidt. Dieser erklärte später, er hätte im Falle eines Scheiterns der Befreiungsaktion oder bei zu vielen toten Geiseln seinen Rücktritt eingereicht. Es habe bereits eine fertige Rücktrittserklärung vorgelegen, die nach der geglückten Aktion vernichtet worden sei.[36]
Durch den Erfolg der Operation erlangte die bis dato nahezu unbekannte GSG 9 internationale Bekanntheit.
Somalia erhielt von der Bundesrepublik Deutschland eine staatliche Entwicklungshilfe in Höhe von 100 Millionen DM.
Spekulationen
Nachdem der vermutliche Drahtzieher der Entführung, Wadi Haddad, wenige Monate später an einer langsamen Vergiftung starb, wird angenommen, dass er bereits während jener Tage gesundheitlich beeinträchtigt war. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass die Aktion nicht so geordnet ablief. Zudem soll er mehr Unterstützung durch die Sowjetunion erwartet haben.
Da der Mossad zu diesem Zeitpunkt bereits einen Informanten in Haddads Umgebung gehabt haben soll, wird vermutet, dass Israel auch Kenntnis von einer geplanten Entführung eines deutschen Flugzeuges gehabt hatte, davor aber nur sehr allgemein warnte. Grund dafür könnte sein, dass der Mossad bereits kurz davor war, Haddad zu vergiften, und diesen Anschlag und den Überbringer des Giftes nicht gefährden wollte.[37]
Das Flugzeug nach der Entführung
Die Boeing 737-200 mit der Seriennummer 20254 und dem Luftfahrzeugkennzeichen D-ABCE[38] wurde Anfang 1970 bei der Lufthansa als „Landshut“ in Dienst gestellt.[39] Nach der Stürmung der Maschine in Mogadischu wurde sie repariert, flog weiter im Liniendienst der Lufthansa und wurde 1985 verkauft.[39]
Anschließend wurde sie bei sechs weiteren Gesellschaften im Passagier- und Frachtdienst eingesetzt, darunter in Südamerika, Frankreich und Indonesien.[39] Zuletzt, von 2002 bis Januar 2008, flog sie als PT-MTB bei der brasilianischen TAF Linhas Aéreas, die sie schließlich nach 38 Betriebsjahren und etwa 60.000 Flügen ausmusterte und zum Verkauf anbot.[39][40] Die flugunfähige Maschine wurde auf einem gesperrten Flugfeld in Fortaleza abgestellt.[41]
Im Mai 2017 kaufte die Bundesregierung die Maschine für den Schrottwert von etwa 20.000 EUR.[42][43][44] Am 23. September 2017 brachten zwei Transportmaschinen der Volga-Dnepr Airlines – eine An-124 mit dem Rumpf und den Flügeln sowie eine Il-76 mit den Sitzen und weiteren Teilen – die „Landshut“ zurück nach Deutschland. Die beiden Maschinen landeten im Rahmen eines Tages der offenen Tür des Dornier-Museums, an dem auch Entführungsopfer teilnahmen, auf dem Flughafen Friedrichshafen.[45][46]
Derzeit ist die „Landshut“ nicht öffentlich zugänglich. Um die Maschine entsteht in Projektträgerschaft der Dornier Stiftung für Luft- und Raumfahrt und mit Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und des Auswärtigen Amtes eine Ausstellung zu den Ereignissen im Herbst 1977 und zur Auseinandersetzung mit dem RAF-Terror. Hierfür wird die „Landshut“ teilweise in den Zustand von 1977 zurückversetzt und als Zeitzeugnis in die Ausstellungskonzeption eingebunden.[47]
Die Stuttgarter Zeitung berichtet am 10. April 2019, dass die Dornier Stiftung ein vom BKM gefordertes Betriebskostenkonzept bislang nicht vorlegen konnte. Der BKM prüft nun andere Standorte für das Flugzeugwrack. Der Initiator der Rückholung der Landshut nach Deutschland, Martin Rupps, schlägt deshalb als Alternativstandorte für die RAF-Ausstellung das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn oder das Gefängnis- und Gerichts-Areal in Stuttgart-Stammheim vor. Rupps präferiert Stuttgart. Hier könnte ein Erinnerungsort an den RAF-Terror entstehen. Das Entführungsflugzeug, das Stockwerk, wo die RAF-Terroristen, die frei gepresst werden sollten, einsaßen, und das Gebäude der RAF-Prozesse sollen integrale Bestandteile dieser neuen Einrichtung werden. Auch könne dann ein „bundesweites wissenschaftliches Institut zur Erforschung des nationalen und internationalen Terrorismus“ in Stuttgart angesiedelt werden.
Der Direktor des Dornier Stiftung David Dornier schlägt stattdessen vor, das Museum über die Landshut-Entführung in Friedrichshafen vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg errichten und betreiben zu lassen. Das Grundstück hierfür würde die Stiftung kostenlos zur Verfügung stellen.[48][49][50][51]
Am 15. Mai 2020 wurde bekannt, dass die Bundesregierung einen Standort im Militärhistorischen Museum Flugplatz Berlin-Gatow prüft.[52]
Andere Lufthansa-Flugzeuge mit dem Namen „Landshut“
Der Name „Landshut“ wurde von der Lufthansa nach 1985 mehrfach erneut vergeben. Zunächst trug ihn die Boeing 737-200 D-ABHM, gefolgt vom Airbus A319-100 D-AILK. Seit 2007 heißt der A330-300 D-AIKE der Lufthansa „Landshut“.[53]
Verfilmungen
- Die Entführung der „Landshut“ war 1997 ein zentrales Element des zweiten Teils des Doku-Dramas Todesspiel von Heinrich Breloer. Der Anführer des Terrorkommandos, Zohair Youssif Akache alias Captain Martyr Mahmud, wurde dabei von Birol Ünel verkörpert, Manfred Zapatka war als Bundeskanzler Helmut Schmidt zu sehen.
- Die ARD ließ 2008 die Landshut-Entführung unter dem Titel Mogadischu verfilmen. Unter der Regie Roland Suso Richters spielten Thomas Kretschmann den Kapitän Jürgen Schumann, Simon Verhoeven den Copiloten Jürgen Vietor,[54] Saïd Taghmaoui den Terroristen Captain Mahmud, Nadja Uhl die Stewardess Gabriele Dillmann, Christian Berkel den Bundeskanzler Schmidt, Jürgen Tarrach den Sondergesandten Hans-Jürgen Wischnewski und Herbert Knaup den GSG-9-Chef Ulrich Wegener.
Literatur
- Reinhard Scholzen, Kerstin Froese: GSG 9. Innenansichten eines Spezialverbandes des Bundesgrenzschutzes. Motorbuch, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-613-02735-0.
- Tim Geiger: Die „Landshut“ in Mogadischu. Das außenpolitische Krisenmanagement der Bundesregierung angesichts der terroristischen Herausforderung 1977. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Bd. 57, 2009, Heft 3, S. 413–456 (PDF).
- Neues Exponat für Dornier Museum: Die „Landshut“ ist wieder zurück. In: FliegerRevue Nr. 12/2017, S. 44–46.
Weblinks
- „Wir waren wie Lämmer auf der Schlachtbank“. In: einestages. 9. Oktober 2007. Erlebnisbericht der entführten Gabriele von Lutzau.
- Die Rückkehr der Landshut. TV-Beitrag des BR-Magazins Kontrovers, in der ARD-Mediathek.
- Landshut: Willkommen zu Hause auf YouTube; Dokumentation über die Rückkehr der Landshut nebst Interviews mit Zeitzeugen.
- Deutscher Herbst, 17. Oktober 1977 – Über Giftschlangen bahnt sich die GSG 9 ihren Weg. In: Welt Online vom 17. Oktober 2017.
- Die Odyssee der "Landshut" geht offenbar weiter - jetzt nach Berlin?
Einzelnachweise
- ↑ 1977 entführten RAF-Terroristen Hanns Martin Schleyer. 15. April 2019, archiviert vom Original am 5. September 2017; abgerufen am 15. April 2019.
- ↑ Die anderen Toten | Politik. 22. April 2019, archiviert vom Original am 22. April 2019; abgerufen am 22. April 2019.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Baader-Meinhof international? | bpb. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 GESCHICHTE DES TERRORS: Eldorado der Linksguerilla - SPIEGEL SPECIAL 2/2004. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ 5,0 5,1 40 Jahre «Operation Entebbe»: Die Geiselbefreiung in Uganda - watson. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ 6,0 6,1 6,2 6,3 Entebbe: Die zähen jungen Burschen - DER SPIEGEL 29/1976. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ 7,0 7,1 Der Herbst der Terroristen - DER SPIEGEL 39/1997. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ 8,0 8,1 8,2 Der kurze Weg nach Entebbe oder die Verlängerung der deutschen Geschichte in den Nahen Osten | Zeithistorische Forschungen. Abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ Geisel-Befreiung vor 40 Jahren: Operation Entebbe | tagesschau.de. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ Drama in Entebbe: Als deutsche Linksextremisten Juden selektierten - WELT. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ Die Selektion von Entebbe? - haGalil. 20. April 2019, archiviert vom Original am 20. April 2019; abgerufen am 20. April 2019.
- ↑ Entebbe-Geiselnahme: "Wir hatten Todesangst" « DiePresse.com. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ Trauer um den Helden von Entebbe | Jüdische Allgemeine. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ 40 Jahre nach der spektakulären Geiselbefreiung in Uganda | Die fünf Rätsel von Entebbe - Politik Ausland - Bild.de. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ BBC NEWS | Middle East | Recollections of Entebbe, 30 years on. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ 16,0 16,1 Revealed: the fate of Idi Amin's hijack victim | The Independent. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ Dispute between Uganda and Kenya. Keesing's Record of World Events (formerly Keesing's Contemporary Archives), Volume 22, August, 1976 Uganda, Kenya, Page 27891. Keesing's Record of World Events, 20. April 2019, archiviert vom Original am 20. April 2019; abgerufen am 20. April 2019 (english).
- ↑ Idi Amin & Co.: Die Folter-Camps des Diktators werden zur Attraktion - WELT. 20. April 2019, archiviert vom Original am 20. April 2019; abgerufen am 20. April 2019.
- ↑ 19,0 19,1 Terror ohne Ende | ZEIT ONLINE. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ 20,0 20,1 1977 entführten RAF-Terroristen Hanns Martin Schleyer. 19. April 2019, archiviert vom Original am 9. November 2017; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ Butz Peters: Hundert Tage: Die RAF-Chronik 1977. Knaur, Februar 2017, ISBN 978-3-426-78811-0, S. 145.
- ↑ Religion und Terror: Was muslimische Märtyrer von christlichen unterscheidet - WELT. 19. April 2019, archiviert vom Original am 19. April 2019; abgerufen am 19. April 2019.
- ↑ tagesschau 13. Oktober 1977 – Entführung der Landshut auf YouTube.
- ↑ Robert Probst: Die „Landshut“ wird entführt. In: Süddeutsche Zeitung. 13. Oktober 2007, abgerufen am 19. März 2017.
- ↑ tagesschau 14. Oktober 1977 (20:00) – Entführung der Landshut auf YouTube.
- ↑ tagesschau 15. Oktober 1977 (20:00) – Entführung der Landshut auf YouTube.
- ↑ tagesschau 16. Oktober 1977 (20:00) – Entführung der Landshut auf YouTube.
- ↑ [nb]: RAF-Mord – Die letzten Minuten des „Landshut“-Kapitäns. In: Focus. 25. August 2007, abgerufen am 19. März 2017.
- ↑ Michael Hanfeld: Der wahre Held der „Landshut“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 1. Dezember 2007, abgerufen am 19. März 2017.
- ↑ tagesschau 17. Oktober 1977 (20:00) – Entführung der Landshut auf YouTube.
- ↑ Klaus Wiegrefe: Neue Dokumente zur Landshut-Entführung – Lügen unter Freunden. In: einestages. In: Der Spiegel. Ausgabe 11/2008. 29. September 2008, abgerufen am 19. März 2017.
- ↑ https://www.welt.de/dossiers/deutscherherbst/article1267624/Das-entscheidende-Gespraech-mit-den-Entfuehrern.html
- ↑ 33,0 33,1 tagesschau 18. Oktober 1977 (20:00) – Entführung der Landshut auf YouTube.
- ↑ Rolf Tophoven: Befreiung der „Landshut“ – „Ich war überzeugt, dass es laufen würde“. In: Die Welt. 13. Oktober 2007, abgerufen am 19. März 2017 (Interview mit Ulrich Wegener).
- ↑ Tagesschau-Sondersendung vom 19. Oktober 1977 (22:15) auf YouTube.
- ↑ Helmut Schmidt: Der Terror der RAF. n-tv-Dokumentation.
- ↑ Egmont R. Koch: Tödliche Schokolade. In: Das Erste. Dokumentarfilm 2010, gesendet am 7. Juli 2010.
- ↑ Boeing 737-230C, Reg.: D-ABCE, Seriennummer 20254, Photo vom 29. August 1979 in Helsinki; auf www.airliners.net.
- ↑ 39,0 39,1 39,2 39,3 Boeing 737 – MSN 20254 – PT-MTB. In: airfleets.net. Abgerufen am 19. März 2017 (english).
- ↑ PT-MTB. (PDF) In: Aviator Sale. 28. März 2008, archiviert vom Original am 16. Oktober 2011; abgerufen am 19. März 2017 (english).
- ↑ Joachim Käppner: Warum die "Landshut" nach Hause kommen soll. In: Süddeutsche Zeitung. 15. März 2017, abgerufen am 19. März 2017.
- ↑ Die „Landshut“ kommt nach Friedrichshafen. In: Spiegel online. 27. Juli 2017, abgerufen am 25. September 2017.
- ↑ Vivian Kübler: Mogadischu-Flugzeug – Die „Landshut“ soll heimkehren. In: Der Tagesspiegel. 25. Februar 2016, abgerufen am 19. März 2017.
- ↑ Eckard Lohse: Entführungsflugzeug – Berlin will die „Landshut“ zurück. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Juli 2017.
- ↑ Lufthansa-Maschine „Landshut“ kehrt nach Deutschland zurück. auf tagesspiegel.de, abgerufen am 23. September 2017.
- ↑ Rumpf der „Landshut“ in Deutschland gelandet. orf.at, 23. September 2017, abgerufen 23. September 2017.
- ↑ Die Landshut Rückholung und Restaurierung. Abgerufen am 14. September 2018.
- ↑ Jan Sellner: Stuttgart als Standort für die Landshut?. 2019-04-10 S. 17.
- ↑ "Landshut"-Aktivist bringt Stammheim ins Gespräch. 10. April 2019, archiviert vom Original am 10. April 2019; abgerufen am 10. April 2019.
- ↑ Stuttgart: Gezerre um berühmtes Flugzeug: Wo landet die Landshut? Abgerufen am 11. April 2019.
- ↑ Deutscher Herbst: Der Streit um die „Landshut“ findet kein Ende - Politik - Tagesspiegel. 15. April 2019, archiviert vom Original am 15. April 2019; abgerufen am 15. April 2019.
- ↑ "Landshut" soll nach Berlin
- ↑ http://www.charliebravo.de/lhtaufnamen/index.php
- ↑ Barbara Jänichen: Thomas Kretschmann spielt "Landshut"-Pilot. In: Die Welt. 29. August 2007, abgerufen am 19. März 2017.
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