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Justizvollzugsanstalt Landsberg
Eingangsgebäude | |
Justizvollzugsanstalts-Information | |
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Name | Justizvollzugsanstalt Landsberg |
Bezugsjahr | 1908 |
Haftplätze | 565 |
Die Justizvollzugsanstalt Landsberg ist eine Haftanstalt des Freistaates Bayern für erstmals bestrafte männliche erwachsene Strafhäftlinge in Landsberg am Lech.
Die Anstalt erstreckt sich über sechs Hektar und bietet Platz für 565 Insassen sowie für weitere 109 Insassen im offenen Vollzug in der Außenstelle Rothenfeld in der Gemeinde Andechs und 58 in zwei Freigängerhäusern in Landsberg am Lech. Verwaltung und Versorgung der JVA Garmisch-Partenkirchen erfolgen gemeinsam mit der JVA Landsberg.
Geschichte
Die Anstalt wurde 1908 durch Ausgliederung von Teilen des Gefängnisses Ebrach als Staatliche Gefangenenanstalt Landsberg a. Lech nach Plänen von Hugo Höfl in zurückhaltend klassizierendem Jugendstil erbaut. Zum Baukomplex, der nach den „modernen Richtlinien des Strafvollzugs“ von der Königlichen Staatsbauverwaltung errichtet wurde, gehören eine Reihe weiterer Gefängnisbauten und Dienstwohnungen.
Festungshaft
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde eine Festungs- und Schutzhaftabteilung eingerichtet. Erster Festungshaftgefangener war Anton Graf von Arco auf Valley, der im Februar 1919 den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner erschossen hatte; 1923/24 verbüßte Adolf Hitler hier 264 Tage Festungshaft.
Bekannte Festungshaftgefangene in Landsberg
- Anton Graf von Arco auf Valley, wegen der Ermordung von Kurt Eisner von Januar 1920 bis Mai 1924 inhaftiert, dann vorzeitig auf Bewährung entlassen und 1927 endgültig begnadigt.
- Karl Fiehler, wegen Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch
- Rudolf Heß, wegen Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch
- Adolf Hitler, 1923/24, wegen Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch. Er schrieb hier sein politisches Grundlagenwerk Mein Kampf
- Adolf Hühnlein, wegen Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch
- Hermann Kriebel, wegen Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch
- Emil Maurice, wegen Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch
- Ernst Pöhner, wegen Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch
- Ferdinand Schörner, wegen der von ihm ausgesprochenen Todesurteile bei Kriegsende
- Gregor Strasser, wegen Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch
- Julius Streicher, wegen Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch
- Friedrich Weber, wegen Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch
Zeit des Nationalsozialismus
In der Zeit des Nationalsozialismus waren unter anderem folgende Personen in Landsberg inhaftiert:
War Criminals Prison No. 1
Nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs in Europa richtete ab 1. Januar 1947 die United States Army im Gebäude der Gefangenenanstalt Landsberg das War Criminal Prison No. 1 (deutsch Kriegsverbrechergefängnis Landsberg am Lech) ein.
Hier wurden Haftstrafen und Todesurteile aus diversen Prozessen gegen deutsche Kriegsverbrecher vollstreckt:
- Dachauer Prozesse, darunter:
- Nürnberger Prozesse, darunter:
In Landsberg wurden 259 Todesurteile durch den Strang und 29 durch Erschießen vollstreckt. Auch nachdem bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Mai 1949 die Todesstrafe abgeschafft worden war, fanden in Landsberg weitere Hinrichtungen statt, wie etwa diejenige Oswald Pohls.
Von deutscher Seite gab es zahlreiche Gnadengesuche für die zum Tode Verurteilten. So baten im November 1950 alle Parteien aus Stadt und Kreis Landsberg in einer Resolution um Gnade, ebenso eine Delegation des Deutschen Bundestages im Januar 1951.[1]
Dazu heißt es auf der Homepage der Stadt Landsberg:
„Am 7. Januar 1951 sprachen die Bundestagsabgeordneten Dr. Richard Jäger (CSU) und Dr. Seelos (BP) sowie Landtagsabgeordnete beider Parteien auf einer Kundgebung auf dem Landsberger Hauptplatz. Bei dieser Demonstration fanden sich mehrere tausend Menschen ein. Die Kundgebung endete im Eklat, als jüdische DPs aus dem Lager Lechfeld eine Gegendemonstration zum Gedenken der Opfer abhielten. Bei aller Anteilnahme der Bevölkerung für die Täter gab es keine Bemühungen um die Opfer des Nationalsozialismus.“[1]
Bei dem „Eklat“ brüllte die aufgeputschte Menge nach Recherchen des Historikers Jens-Christian Wagner: „Juden raus!“[2]
Am 31. Januar 1951 gaben der für die in den Nürnberger Prozessen Verurteilten zuständige US-amerikanische Hohe Kommissar, John McCloy, und der für die in den Dachauer Prozessen Verurteilten zuständige Oberbefehlshaber der US-amerikanischen Streitkräfte in Europa, General Handy, ihre Entscheidungen bekannt, durch die von insgesamt 28 noch nicht vollstreckten Todesurteilen sieben bestätigt wurden – nicht nur 21 Todesurteile, sondern auch zahlreiche andere Urteile wurden im Zuge dieser Überprüfungen im Strafmaß herabgesetzt. Eine Reihe prominenter Häftlinge - zum Beispiel Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und Wilhelm Speidel - wurden bereits 1951 gnadenhalber entlassen.[1]
Die sieben bestätigten Todesurteile betrafen
- Oswald Pohl, der als Hauptangeklagter des Prozesses Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS zum Tode verurteilt worden war,
- vier der im Einsatzgruppen-Prozess Verurteilten (Otto Ohlendorf, Erich Naumann, Paul Blobel, Werner Braune)
sowie
- zwei in den Dachauer Prozessen Verurteilte – nämlich den Adjutanten des Lagerkommandanten des KZ Buchenwald Hans-Theodor Schmidt und den Rapportführer des KZ Mühldorf Georg Schallermair.
Die Urteile wurden am 7. Juni 1951 vollstreckt.
Einige der Hingerichteten wurden auf dem 'Spöttinger Friedhof' (Gefängnisfriedhof) begraben, andere wurden in die Heimatorte überführt. 2003 wurde der Friedhof durch den Freistaat Bayern entwidmet und die Namensschilder unter starken Protesten von den Gräbern entfernt.[1]
Weitere Haftstrafen unter US-Verwaltung verbüßten hier unter anderen:
- Heinrich Bütefisch
- Josef Dietrich
- Hellmuth Felmy
- Otto Hofmann
- Karl-Adolf Hollidt
- Hermann Hoth
- Waldemar Klingelhöfer
- Alfried Krupp von Bohlen und Halbach
- Hans Heinrich Lammers
- Wilhelm List
- Martin Sandberger
- Gustav Adolf Steengracht von Moyland
- Otto Steinbrinck
- Walter Warlimont
- Bernhard Weiß
- Erhard Milch
Weiterhin wurden 1947 die 21 in Schanghai Verurteilten hier untergebracht.[3]
Heutige Nutzung
Das WCP No. 1 wurde am 9. Mai 1958 aufgelöst und die Anstalt an die bayerische Justiz zurückgegeben. Prominente Häftlinge seither waren
- Hannsheinz Porst, Landesverrat
- Günter Maschke, Verweigerung des Wehrersatzdienstes
- Helg Sgarbi, Betrug und versuchte Erpressung
- Michael Graeter, Insolvenzdelikte und Untreue
- Karl-Heinz Wildmoser junior, Bestechlichkeit und Untreue
Kritik
Im Januar 2011 wurden Freiwillige und Helfer einschließlich des ehemaligen Gefängnispfarrers entgegen langjährigem Brauch von der Weihnachtsfeier der JVA Landsberg ausgeschlossen. Der Vorfall wurde von Betroffenen wie der örtlichen Caritas kritisiert.[4]
Im Februar 2011 kam es innerhalb von nur drei Tagen zu zwei Suiziden von Gefangenen der JVA Landsberg.[5][6] Die Angehörigen erhoben daraufhin schwere Vorwürfe gegen die Anstaltsleitung und kritisierten die Haftbedingungen in Landsberg. Insbesondere wurde der Vorwurf laut, der Vorfall sei längst nicht so überraschend gekommen, wie die JVA-Leiterin Monika Groß in der Presse behauptet hatte.[7]
Literatur
- Thomas Raithel: Die Strafanstalt Landsberg am Lech und der Spöttinger Friedhof (1944–1958). Eine Dokumentation im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München, Oldenbourg, München 2009, ISBN 978-3-486-58741-8 (Rezension von Heiner Möllers in Sehepunkte, Ausgabe 9 (2009), Nr. 6, vom 15. Juni 2009).
- Landsberg in der Zeitgeschichte - Zeitgeschichte in Landsberg. Forschungsprojekt der Universität Augsburg mit dem Stadtarchiv Landsberg am Lech. 2010, Verlag Ernst Vogel, ISBN 978-3-89650-310-7.[8]
- Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert: Von Hitlers Festungshaft zum Kriegsverbrecher-Gefängnis N° 1: Die Landsberger Haftanstalt im Spiegel der Geschichte. In: Landsberg im 20. Jahrhundert. Heft 1, Bürgervereinigung "Landsberg im 20. Jahrhundert", Landsberg/Lech 1993, ISSN 0945-9901, ISBN 3-9803775-0-4
- Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert: Der nationalsozialistische Wallfahrtsort Landsberg: 1933–1937: Die „Hitlerstadt“ wird zur „Stadt der Jugend“ ISBN 3-9803775-2-0
- Marion Gräfin Dönhoff: Todesurteile und Drohbriefe. In: Die Zeit, Nr. 10/1951. (zum Echo auf die Begnadigungen von Landsberg im In- und Ausland)
- Heinrich Pflanz: Der Spöttinger Friedhof in Landsberg am Lech: Eine Dokumentation. 1 Auflage. Selbstverlag, Landsberg 2004, S. 424.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 Das Gefängnis Landsberg und der Spöttinger Friedhof. In: Internetseite der Stadt Landsberg. Stadt Landsberg am Lech, archiviert vom Original am 19. Juli 2011; abgerufen am 8. Januar 2013.
- ↑ Ralf Beste, Georg Bönisch u.a.: Welle der Wahrheiten. In: Der Spiegel. Nr. 1, SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG, Hamburg 2. Januar 2012, S. 32f (online, abgerufen am 8. Januar 2013).
- ↑ Schmitt-Englert, Barbara; Deutsche in China 1920 - 1950 Alltagsleben und Veränderungen; Gossenberg 2012; ISBN 978-3-940527-50-9
- ↑ Auch Pfarrer müssen draußen bleiben auf Kreisbote
- ↑ Letzter Ausweg auf Kreisbote
- ↑ Zwei Suizide innerhalb weniger Tage auf Augsburger Allgemeine
- ↑ Man hätte es bemerken müssen auf Kreisbote
- ↑ Inhaltsverzeichnis
Weblinks
- JVA Landsberg im Bayerischen Justizportal
- Manfred Deiler: Hitlers Festungshaft in Landsberg (Europäische Holocaustgedenkstätte Stiftung)
- Landsberg wird zum Wallfahrtsort des Nationalsozialismus – Die Lechstadt vermarktet „ihre“ Hitlerzelle (Europäische Holocaustgedenkstätte Stiftung)
- Filmausschnitt aus Der Marsch zum Führer: Abschlusskundgebung in Landsberg (Europäische Holocaustgedenkstätte Stiftung)
- Kriegsverbrecher-Gefängnis Landsberg (Europäische Holocaustgedenkstätte Stiftung)
- Gefängnisfriedhof der JVA Landsberg/Lech Spöttinger Friedhof
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