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Heimatvertriebener (Bundesvertriebenengesetz)

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Als Heimatvertriebene werden nach der Legaldefinition in § 2 des Bundesvertriebenengesetzes von 1953 Vertriebene bezeichnet, die am 31. Dezember 1937 oder bereits einmal vorher ihren Wohnsitz in dem gesetzlich bestimmten Vertreibungsgebiet hatten. Darunter fallen Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit und Volksdeutsche, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Ostgebiete des Deutschen Reiches, das Sudetenland und alte Siedlungsgebiete in Ost- und Südosteuropa verlassen mussten und bis 1993 im Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland Aufnahme fanden.

Rechtliche Stellung in Deutschland

In den amtlichen Bevölkerungsstatistiken wurde als Heimatvertriebener gezählt, wer am 1. September 1939 in den deutschen Ostgebieten (Gebietsstand 31. Dezember 1937), im Saargebiet oder im Ausland wohnte, letztere nur mit deutscher Muttersprache. Weil die Staatsangehörigkeit volksdeutscher Vertriebener zur Zeit der Zählungen von 1946 und 1950 ein unzuverlässiges Kriterium darstellte, wurde bei ihnen stattdessen die Muttersprache als Kriterium verwendet. Die Zuordnung für nach dem 1. September 1939 geborene Kinder wurden in der Regel nach dem Wohnsitz des Vaters getroffen (im Freistaat Bayern allerdings nach der Flüchtlingseigenschaft der Mutter).

Das Lastenausgleichsgesetz vom August 1952 unterschied nicht, wer als „Vertriebener“ gilt und welcher Vertriebene als „Heimatvertriebener“. Die Begriffsdefinition aus dem Lastenausgleichsgesetz wurde im Bundesvertriebenengesetz (BVFG) vom 19. Mai 1953 erstmals neu formuliert. Der Begriff des Heimatvertriebenen und seine Rechtsstellung wurden darin geregelt. Es enthält eine Rechtsdefinition des Begriffs „Heimatvertriebener“, deren Unterscheidungsmerkmal der Wohnsitz des Vertriebenen am 31. Dezember 1937 war. Nur wer vor 1938 bereits in den Vertreibungsgebieten wohnte, konnte nun geltend machen, aus seiner Heimat vertrieben worden zu sein.

§ 2 BVFG in der ursprünglich geltenden Fassung lautete:

  • Heimatvertriebener ist ein Vertriebener, der am 31. Dezember 1937 oder bereits einmal vorher seinen Wohnsitz in dem Gebiet desjenigen Staates hatte, aus dem er vertrieben worden ist (Vertreibungsgebiet); die Gesamtheit der Gebiete, die am 1. Januar 1914 zum Deutschen Reich oder zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie oder zu einem späteren Zeitpunkt zu Polen, zu Estland, zu Lettland oder zu Litauen gehört haben (Memelgebiet), gilt als einheitliches Vertreibungsgebiet.
  • Als Heimatvertriebener gilt auch ein vertriebener Ehegatte oder nach dem 31. Dezember geborener Abkömmling, wenn der Ehegatte oder bei Abkömmlingen ein Elternteil als deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger am 31. Dezember 1937 oder bereits einmal vorher seinen Wohnsitz im Vertreibungsgebiet gehabt hat.

Diese Definition unterscheidet sich von der des Vertriebenen in § 1 BVFG, der Personen umfasst, die ihren Wohnsitz nicht bereits am Stichtag 31. Dezember 1937 im Vertreibungsgebiet hatten.[1]

Rechte und Vergünstigungen nach dem BVFG in seiner ursprünglichen Fassung konnten nur Heimatvertriebene in Anspruch nehmen, die im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder in West-Berlin ihren ständigen Aufenthalt hatten, außerdem Sowjetzonenflüchtlinge.

Ältere amtliche Terminologie

Während die 1953 erstmals eingeführten gesetzlichen Begriffe eine relativ klar umrissene juristische Bedeutung haben, die sich beispielsweise in den Flüchtlingsausweisen A, B oder C auswirkt, werden in älteren amtlichen Aktenbeständen die Begriffe „Flüchtling“ oder „Vertriebener“ meistens synonym und für alle Personen verwendet, die von Umsiedlung, Evakuierung, Flucht und Vertreibung betroffen waren. Eingeschlossen sind auch nach dem Abschluss der Vertreibungen aufgenommene Aussiedler, oft auch Evakuierte, Fremdarbeiter, Ausländer, und Displaced Persons. Während die Volkszählungen von 1946 und 1950 als Kriterium den Wohnsitz vom 1. September 1939, also bei Kriegsbeginn, verwenden, zeigt die Palette der Begriffe mit Bezeichnungen wie „Ostrückwanderer“, „Rückkehrer“ oder „Rückwanderer“, dass die Thematik von Flucht und Vertreibung im engen Zusammenhang steht mit den während des Krieges vom Deutschen Reich durchgeführten Umsiedlungen deutscher Bevölkerungsgruppen in Ost- und Südosteuropa.[2] Im vereinfachenden Begriffspaar „Flucht und Vertreibung“, das heute meistens benutzt wird, ist die Vielfalt der Zuwanderungsgründe nicht mehr sichtbar.

Flucht und Vertreibung

Vertreibungsgebiete im damaligen deutschen Osten
Heimatvertriebene demonstrieren gegen das beabsichtigte Lastenausgleichsgesetz. Das Transparent karikiert Linus Kather und Fritz Schäffer, Bonn (1951).

Noch vor der erzwungenen Migration der deutschen Bevölkerung aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Grenze, der Tschechoslowakei, aus Ungarn und aus anderen Siedlungsgebieten in Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa flohen am Ende des Zweiten Weltkriegs Hunderttausende in den Westen.[3]

Bereits ab Herbst 1944 setzten sich große Flüchtlingsströme aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien, Ostbrandenburg, seit 1945 auch aus dem annektierten Sudetenland in Bewegung. Die Flucht wurde von deutschen Behörden angeordnet oder erfolgte aus Angst vor den Gefahren der näherrückenden Kriegsfront wie Bombardierungen oder Artilleriebeschuss. Berichte und Gerüchte über Massaker, Massenvergewaltigungen und Plünderungen in bereits von der Roten Armee oder Partisanenverbänden erreichten Gebieten taten ein Übriges.

Im Oktober 1944 begannen sogenannte wilde Vertreibungen durch die ortsansässige nichtdeutsche Bevölkerung, besonders in Gebieten mit deutschen Minderheiten wie etwa auf dem Balkan oder in der Slowakei. Neusiedler kamen an, die zuvor oft selbst vertrieben worden waren. Das Potsdamer Abkommen vom August 1945 legte schließlich fest, dass die Ausweisung der Deutschen „in ordnungsgemäßer und humaner Weise“ zu erfolgen habe. Es markiert den Zeitpunkt des offiziellen Übergangs von individueller und wilder Flucht zur organisierten und planmäßigen Vertreibung und Zwangsumsiedlung. Damalige amtliche Schätzungen gingen von 13–14 Millionen Flüchtlingen aus dem Gebiet östlich von Oder und Neiße im Zeitraum von Januar 1945 bis Juli 1946 aus.[4]

Zwischen 1944 und 1948 mussten 11.900.000 Deutsche ihre Heimat verlassen:[5]

Herkunftsgebiet Flüchtlinge und Vertriebene
Ostbrandenburg 0.400.000
Ostpreußen 1.960.000
Pommern 1.430.000
Posen, Westpreußen, Danzig, Baltikum 1.160.000
Schlesien 3.200.000
Sudetenland 3.000.000
Jugoslawien, Rumänien, Ungarn 0.760.000

Flüchtlinge und Vertriebene im Westen

Denkmal für heimatvertriebene Südmährer – nahe Kleinhaugsdorf, heutiger Bezirk Hollabrunn (2006)

Die alliierten Planungen orientierten sich am Übereinkommen von Potsdam und sahen Aufnahmequoten für die einzelnen Besatzungszonen vor. Eingewiesen wurde vornehmlich in die britische und amerikanische Zone. Frankreich hatte an der Potsdamer Konferenz nicht teilnehmen dürfen und verweigerte die Aufnahme der organisierten Transporte in seine Zone bis 1948.

1946 verboten die Westalliierten politisch orientierte Vereinigungen der Flüchtlinge und ließen nur noch kulturelle zu. Als 1948 die Kommunisten die Herrschaft in der Tschechoslowakei übernahmen, lockerten sie das Koalitionsverbot schrittweise, weil nun nicht mehr die Assimilierung der Flüchtlinge Priorität hatte, sondern im Ost-West-Konflikt die antikommunistische Einstellung der meisten Vertriebenen hoch im Kurs stand. Für kurze Zeit gab es in Westdeutschland ein Notparlament der Vertriebenen in eigener Regie. Der Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten verfolgte als Interessenvertretung wirtschaftliche und sozialpolitische Ziele und kandidierte bei Landtags- und Bundestagswahlen.

In den Landsmannschaften der Vertriebenen bildete die gemeinsame Herkunft das verbindende und tragende Element. In Deutschland wurde als Dachorganisation der Heimatvertriebenen der Bund der Vertriebenen gegründet. Er umfasst 21 Landsmannschaften, worunter die mitgliederstärksten die Sudetendeutsche Landsmannschaft und die Schlesische Landsmannschaft sind. Nach Gründung der Bundesrepublik fanden jährliche Bundestreffen der Vertriebenenverbände statt. Bekannt sind ihre großen Pfingsttreffen. In der Charta der deutschen Heimatvertriebenen von 1950 verzichteten diese auf Rache und Vergeltung.

In Österreich fanden etwa 430.000 Vertriebene Aufnahme. Hier entstand bereits im Jahr 1945 der Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs. Ende der 1940er Jahre stand die Entschädigung des verloren gegangenen Besitzes durch den so genannten Lastenausgleich im Vordergrund des politischen Engagements der Organisationen, in denen Flüchtlinge und Vertriebene sich zusammengeschlossen hatten. Deutschland und Österreich erließen 1952 bzw. 1956 Lastenausgleichsgesetze.

Aufnahme in Deutschland

Aufnahme der 11.935.000 Vertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland und DDR (1950):

Land Besatzungs-
zone
Anzahl Anteil der
Vertriebenen
(in D)
Wohn-
bevölkerung
Baden-Württemberg FBZ/ABZ 862.000 7,2 % 13,5 %
Bayern ABZ 1.937.000 16,2 % 21 %
Brandenburg SBZ 581.000 4,9 % 23 %
Bremen ABZ 48.000 0,4 % 8,6 %
Hamburg BBZ 116.000 1 % 7,2 %
Hessen ABZ 721.000 6 % 16,5 %
Mecklenburg-Vorpommern SBZ 981.000 8,2 % 45 %
Niedersachsen BBZ 1.851.000 15,5 % 27 %
Nordrhein-Westfalen BBZ 1.332.000 11,2 % 10 %
Ost-Berlin SBZ ? ? 6 %
Rheinland-Pfalz FBZ 152.000 1,3 % 5 %
Sachsen SBZ 781.000 6,5 % 14 %
Sachsen-Anhalt SBZ 961.000 8,1 % 23 %
Schleswig-Holstein BBZ 857.000 7,2 % 33 %
Thüringen SBZ 607.000 5,1 % 20,5 %
West-Berlin ABZ/FBZ/BBZ 148.000 1,2 % 6,9 %

Das sind 1950 zusammen 11.935.000, davon 3.911.000 in der DDR und 8.024.000 in der Bundesrepublik
(später als 1950 gekommene Vertriebene und SBZ/DDR-Flüchtlinge sind nicht enthalten).[6]

Das Saarland war 1950 autonom und wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen, es wird daher nicht aufgelistet.

Baden-Württemberg war 1950 noch nicht gegründet; die ehemaligen Länder Württemberg-Baden (ABZ), Württemberg-Hohenzollern (FBZ) und Südbaden (FBZ) gingen in ihm auf.

Die niedrigen Zahlen in den französisch besetzten Gebieten rühren daher, dass in der Französischen Besatzungszone zunächst keine Vertriebenen aufgenommen wurden; das änderte sich erst 1949 mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland.

Siehe auch

Literatur

  1. Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße. 2 Bände in 3 Teilbänden Bonn (1954);
  2. Das Schicksal der Deutschen in Ungarn. Bonn 1956;
  3. Das Schicksal der Deutschen in Rumänien. Bonn 1957;
  4. Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei. 2 Bände, Bonn 1957;
  5. Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien. Bonn 1961;
  6. Ortsregister, 1963.

Weblinks

Wiktionary: Heimatvertriebener – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Walter Ziegler: Flüchtlinge und Vertriebene, Historisches Lexikon Bayerns, 6. September 2011.
  2. Mathias Beer: Flüchtlinge und Vertriebene im deutschen Südwesten nach 1945. Eine Übersicht der Archivalien in den staatlichen und kommunalen Archiven des Landes Baden-Württemberg, Thorbecke, Sigmaringen 1994, ISBN 3-7995-2502-5, S. 16.
  3. Vgl. Arnd Bauerkämper: Deutsche Flüchtlinge und Vertriebene aus Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa in Deutschland und Österreich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. In: Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, hrsg. v. Klaus J. Bade, Pieter C. Emmer, Leo Lucassen, Jochen Oltmer. Paderborn/München 2007, 2., erw. Aufl. 2008, S. 477–485.
  4. Behörde oder Selbsthilfe. In: Die Zeit. Nr. 34, Hamburg 1946-10-10, ISSN 0044-2070 (http://www.zeit.de/1946/34/behoerde-oder-selbsthilfe).
  5. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 20. September 2015, Nr. 38, S. 26.
  6. Jochen Oltmer: Zwangswanderungen nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Deutschland Archiv Online, hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung, 15. März 2005.
  7. Zur Zusammensetzung der Autorengruppe vgl. Bernd Faulenbach: Einführung in die Dokumentation. (Memento vom 5. Februar 2012 im Internet Archive)
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