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Hans Zehetmair

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Dieser Artikel betrifft den Politiker; für den gleichausgesprochenen Unternehmer siehe Hans Zehetmaier, für den Boxer siehe Hans Zehetmayer.
Hans Zehetmair (2010)

Johann Baptist „Hans“ Zehetmair (* 23. Oktober 1936 in Langengeisling bei Erding; † 28. November 2022[1]) war ein deutscher Politiker der CSU. Er war von 1986 bis 1998 bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus, von 1989 bis 2003 Staatsminister für Wissenschaft und Kunst sowie von 1993 bis 1998 stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Bayern.

Von 2004 bis 2014 war Zehetmair Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung[2] und von 2004 bis 2016 Vorsitzender des Rates für deutsche Rechtschreibung.

Leben

Ausbildung und Lehrtätigkeit

Der als Sohn eines Bauern und Wagnermeisters geborene Zehetmair besuchte das humanistische Dom-Gymnasium in Freising.[3] Nach dem Abitur 1957 studierte Hans Zehetmair bis 1962 klassische Philologie, Germanistik, Geschichte und Sozialkunde an der Ludwig-Maximilians-Universität München und kehrte nach der Ablegung des zweiten Staatsexamens 1964 zunächst bis 1974 als Gymnasiallehrer an das Dom-Gymnasium in Freising zurück.

Politischer Werdegang

Zehetmair begann seine Karriere 1966 als Stadtrat in Erding und war dort von 1976 bis 1978 zweiter Bürgermeister. 1972 wurde er zum stellvertretenden Landrat gewählt. Von 1972 bis 2001 war er CSU-Kreisvorsitzender von Erding. Bei der Landtagswahl 1974 gewann er den Stimmkreis Erding, den er bis 1978 im bayerischen Landtag vertrat.[4] 1978 gewann Zehetmair gegen den Amtsinhaber Simon Weinhuber von der Bayernpartei das Amt des Landrats des Landkreises Erding, das er acht Jahre innehatte.

Franz Josef Strauß ernannte Zehetmair 1986 zum Staatsminister für Unterricht und Kultus. Nach dem Rücktritt Wolfgang Wilds im Juni 1989 führte er zunächst kommissarisch auch die Geschäfte des Staatsministers für Wissenschaft und Kunst, bis Ministerpräsident Max Streibl im Oktober 1990 die beiden Ministerien wieder zum Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst zusammenlegte. Bei der Landtagswahl im selben Monat wurde Zehetmair erneut in den bayerischen Landtag gewählt, dem er anschließend für drei Legislaturperioden angehörte.

Edmund Stoiber ernannte ihn 1993 zum stellvertretenden Ministerpräsidenten. Nach den Landtagswahlen 1998 wurde Zehetmairs Haus von Stoiber geteilt; die bisherige Staatssekretärin Monika Hohlmeier bekam die Zuständigkeit für Unterricht und Kultus, Zehetmair übernahm das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Zehetmair war 15 Jahre lang Vertreter der Länder der Bundesrepublik Deutschland im EU-Rat der Bildungs- und Kulturminister und von 1989 bis 2003 Senator der Max-Planck-Gesellschaft. Nach der Landtagswahl in Bayern 2003 schied Zehetmair aus Kabinett und Landtag aus.

Ab Juli 2003 engagierte sich Zehetmair als Sachverständiger in der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestags.

Sonstiges Engagement

Seit der Gründung des Vereins der Freunde und Förderer des Zentrums für Umwelt und Kultur in Benediktbeuern hatte er den Vorstandsvorsitz inne, den er 2010 an Georg Fahrenschon übergab. Von 11. Februar 2004 bis Mai 2014[5] war Zehetmair Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung. Zudem war er von Dezember 2004 bis Dezember 2016[6] Vorsitzender des von der Kultusministerkonferenz eingesetzten Rates für deutsche Rechtschreibung.[7]

Er war Mitglied im Programmbeirat des Fernsehsenders ARTE, Ehrenvorsitzender des Katholischen Männervereins Tuntenhausen und war Verwaltungsratsvorsitzender des Germanischen Nationalmuseums. Des Weiteren betätigte sich Zehetmair ehrenamtlich im Verwaltungsrat des TSV 1860 München und als Kurator der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing.[8]

Familie

Zehetmair war seit September 1961 und somit mehr als 60 Jahre mit seiner Frau Ingrid verheiratet[9], die am 25. Juli 2022, gut vier Monate vor ihm selbst, starb.[10] Der Ehe entstammen drei Kinder. Zuletzt lebte Zehetmaier bei seiner Tochter in Neumarkt-Sankt Veit. Er starb nach langer Krankheit im Alter von 86 Jahren.[11][12]

Politische Positionen

Schulpolitik

Hans Zehetmair

Ein Hauptanliegen Zehetmairs war der Ausbau der Fachhochschulen in Bayern. Seinen Nachfolger Thomas Goppel mahnte er in Anspielung auf dessen massive Kürzungen seit 2003 zur Kontinuität.

Anfang 1988 verordnete Zehetmair, dass zukünftig alle Unterrichtsfächer „die religiöse Dimension der Gegenstände einbeziehen“ sollten.[13] Unter seiner Verantwortung erhielten bayerische Grundschüler je eine Wochenstunde Musik- und Kunstunterricht, während pro Woche drei Stunden Religionsunterricht vorgesehen war. Der Umfang des Religionsunterrichts für Gymnasiasten und Hauptschüler belief sich auf zwei Wochenstunden, während diesen gleichzeitig nur eine Stunde für Geschichte und Sozialkunde zur Verfügung stand.[13]

Zehetmair führte das abgeschaffte Schulgebet wieder ein, woraufhin der Bayerische Elternverband diesen Schritt mit einem „Trip in das Biedermeier“ verglich.[13]

Zehetmair stellte in seiner Amtszeit sicher, dass die bayerischen Richtlinien zur Sexualkunde nicht verändert wurden. Ihnen zur Folge zeigten bayerische Schulbücher statt nackter Menschen lediglich mit Strichmännchen stilisierte Symbolbilder. Unter Zehetmairs Ägide wurde in den Biologiebüchern des Freistaats unter der Thematik „Entstehung menschlichen Lebens“ der Aspekt „Zeugung“ ersatzlos gestrichen.[13]

Während seiner Amtszeit erklärte Zehetmair in den 1980er Jahren, dass zum Frauenbild, das Bayerns Schulbücher vermitteln sollen, die moderne Frau gehört, die im Gebet Halt findet.[14]

Nachdem der religiöse „Freundeskreis Maria Goretti“ gefordert hatte, den Kinderbuch-Klassiker „Der Krieg der Knöpfe“ von Louis Pergaud aus dem Kanon der bayerischen Schulliteratur zu entfernen, weil in ihm die Kopulation zweier Hunde beschrieben wird, kam Zehetmair den Forderungen nach.[13]

Zehetmair wandte sich gegen Lehrer, „die unsere Jugend gegen den demokratischen Staat und seine gewählten Institutionen verhetzen“. Er bezeichnete ideologisch ausgerichtete Pädagogen als „Krebsübel in der Gesellschaft“. Seine Grundauffassung in dieser Frage war „Wer den Staat nicht aktiv vertritt, soll gehen…“ Aufgrund der ihn täglich erreichenden vielen Bewerbungen könne er „jederzeit jede Stelle zehnfach“ besetzen.[15] Als Landrat hatte Zehetmair einen Gitarrenlehrer an seiner Kreismusikschule beinahe entlassen, nachdem dieser ein Notenbuch aus der DDR verwendet hatte. Zehetmair kommentierte den Vorgang später mit den Worten „Wehret den Anfängen!“[16]

Politischer Katholizismus

Nachdem Max Streibl nach dem Tod von Franz Josef Strauß 1988 das Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten übernommen hatte, folgte ihm Zehetmair als Vorsitzender des in Bayern einflussreichen Katholischen Männervereins Tuntenhausen. Der Verein gilt als Herz des politischen Katholizismus im Freistaat Bayern.[17] In den 1990er Jahren war insbesondere die Verhinderung der Reform des Paragraphen 218 das zentrale Hauptthema der Mitglieder des Vereins.[17]

Stigmatisierung Homosexueller

Zehetmair vertrat als Staatsminister für Wissenschaft und Kunst medizinisch wie soziologisch nicht haltbare Thesen: Homosexualität bezeichnete er 1987 im Bayerischen Fernsehen als „contra naturam“ (wider die Natur) „und im Grunde […] krankhaftes Verhalten“ und ergänzte, dass „dieser Rand […] ausgedünnt werden“ müsse.[13] Die Simplifizierung seines Lösungsansatzes, dass es kein AIDS mehr gäbe, wenn die Schwulen auf ihr „krankhaftes Verhalten“ verzichteten, führte sein Parteifreund Horst Seehofer als Abgeordneter des Bundestags weiter und schlug vor, HIV-Kranke in Heimen „zu konzentrieren“.[18][19][20]

Zehetmair hatte zuvor im selben Jahr bereits HIV als „Symptom einer maroden Gesellschaft“ bezeichnet und Homosexualität im „Randbereich der Entartung“ verortet. Er empfahl auch in diesem Zusammenhang erneut: „Das Umfeld der ethischen Werte muß wiederentdeckt werden, um diese Entartung auszudünnen.“[15]

Pinakothek der Moderne

In den 1990er Jahren gelang es Zehetmair, das 130-Millionen-Euro-Projekt Pinakothek der Moderne zu retten. Nachdem er sich 1991 gegen eine praktisch schon beschlossene teure Planung durchgesetzt hatte, verhinderte er 1994 den von Staatskanzlei und Finanzministerium gewollten Verzicht auf das Projekt, indem er versicherte, zehn Prozent der Bausumme privat einwerben zu können. Er setzte sein Versprechen in den Folgejahren erfolgreich um.[21]

Auszeichnungen und Ehrungen

Schriften (Auswahl)

  • als Herausgeber: Zukunft braucht Konservative. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau u. a. 2009, ISBN 978-3-451-30295-4.

Literatur

  • Hans Krieger: Zehetmairs Mut und Chance. Der Ex-Kultusminister soll den Rechtschreib-Frieden stiften. In: Bayerische Staatszeitung Ausgabe 50 vom Freitag, 10. Dezember 2004

Weblinks

 Commons: Hans Zehetmair – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Trauer um Prof. Dr. h. c. mult. Hans Zehetmair Ministerpräsident Dr. Markus Söder: „Bildungsland Bayern nachhaltig geprägt“, Meldung vom 28. November 2022.
  2. br.de: Ursula Männle wird Chefin (Memento vom 1. Februar 2015 im Internet Archive)
  3. Martin Gleixner: 175 Jahre Dom-Gymnasium Freising. Freunde des Dom-Gymnasiums Freising e. V., 2003, abgerufen am 24. Juni 2013.
  4. Biografie von Hans Zehetmair. Deutscher Bundestag, archiviert vom Original am 25. September 2007; abgerufen am 24. Juni 2013.
  5. WELT: Ursula Männle: Neue Chefin für Hanns-Seidel-Stiftung gewählt. In: DIE WELT. 2014-05-12 (https://www.welt.de/regionales/muenchen/article127922787/Neue-Chefin-fuer-Hanns-Seidel-Stiftung-gewaehlt.html).
  6. Zehetmair gibt Amt im Rechtschreibrat ab. 24. Mai 2014, archiviert vom Original am 24. Mai 2014; abgerufen am 12. September 2022. i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.welt.de
  7. Bastian Sick: Zwiebelfisch: Hossa, die Rehform is da!. In: Der Spiegel. 2006-08-01 (https://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-hossa-die-rehform-is-da-a-429432.html).
  8. Über die BAW (Memento vom 5. November 2013 im Internet Archive)
  9. Diamantene Hochzeit: Hans und Ingrid Zehetmair seit 60 Jahren verheiratet. Abgerufen am 28. November 2022.
  10. Trauer um Hans Zehetmair. Abgerufen am 28. November 2022.
  11. Trauer um Hans Zehetmair Pressemitteilung StMWK vom 28. November 2022
  12. Piazolo: "Verlieren eine charismatische Persönlichkeit, die mit viel Herzblut die Bildungslandschaft prägte" Pressemitteilung StMUK vom 29. November 2022
  13. 13,0 13,1 13,2 13,3 13,4 13,5 Zeugung hamma net – Bayerns Kultusminister Zehetmair, klerikaler Fundi der CSU, gerät in der eigenen Partei zum Gespött. In: Der Spiegel. Nr. 43, 1991, S. 72–75 (21. Oktober 1991, online).
  14. Zitate. In: Der Spiegel. Nr. 33, 1988, S. 174 (15. August 1988, online). Zitat: „Zum Frauenbild, das Bayerns Schulbücher vermitteln sollen, gehört die moderne Frau, die im Gebet Halt findet.“
  15. 15,0 15,1 Ins Krankhafte hinein – Kultusminister Zehetmair, von Strauß ins CSU-Kabinett berufen, fällt über Aids-Kranke, Homosexuelle und unbotmäßige Lehrer her.. In: Der Spiegel. Nr. 17, 1987, S. 56–59 (20. April 1987, online).
  16. Handlicher und spritziger – Bayerns Ministerpräsident Strauß wollte eigentlich „kein Massensterben“ veranstalten – nun hat er doch das halbe Kabinett um- oder neubesetzt. In: Der Spiegel. Nr. 45, 1986, S. 26–28 (3. November 1986, online).
  17. 17,0 17,1 Zur letzten Reife – Katholische Fundamentalisten setzen die CSU unter Druck. Ihr Generalthema ist die Abtreibung. In: Der Spiegel. Nr. 24, 1992, S. 44–47 (8. Juni 1992, online).
  18. Eric Gujer: Warum es falsch ist, Impf-Verweigerer und Corona-Demonstranten zu Sündenböcken zu machen. In: NZZ.ch (Neue Zürcher Zeitung). 17. Dezember 2021, abgerufen am 17. Dezember 2021.
  19. Stichtag - 19. Mai 1987: Bayern beschließt Zwangsmaßnahmen gegen HIV-Infizierte. 19. Mai 2017, abgerufen am 15. September 2022.
  20. »Wollen wir den Aids-Staat?«. In: Der Spiegel. 1987-03-01 ISSN 2195-1349 (https://www.spiegel.de/politik/wollen-wir-den-aids-staat-a-cecd1b25-0002-0001-0000-000013520785).
  21. CHRISTIAN FÜLLER: Landrat mit Pinakothek. In: Die Tageszeitung: taz. 2003-08-26 S. 5 (https://taz.de/!719909/).
  22. Anfragebeantwortung. Abgerufen am 12. September 2022.
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