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Judentum in Zürich
Das Judentum in Zürich war im 20. Jahrhundert und ist heute stärker als in anderen Schweizer Städten vertreten und hat eine bis mindestens ins Hochmittelalter zurückgehende Geschichte.
Geschichte
Zürichs erste jüdische Gemeinde wurde 1273 erstmals schriftlich erwähnt und wurde von der Stadt und deren Bevölkerung weitgehend geduldet. Bereits für das 14. Jahrhundert ist in Zürich eine Synagoge in der Nähe der heutigen Froschaugasse belegt, an die die heutige Synagogengasse erinnert. Die Froschaugasse hiess damals Judengasse, die Synagoge wurde Judenschuol genannt.[1][2] Dennoch wurden der jüdischen Bevölkerung nicht die vollen Bürgerrechte gewährt. Viele waren als Kreditgeber tätig. Rabbi Moses schuf in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts den Gesetzeskommentar Zürcher Semak.[3]
Als in den Jahren 1348/49 die Pestepidemie in die Schweiz kam, wurden vielerorts die Juden für die Toten verantwortlich gemacht. Auch in Zürich kam es 1349 zu einem Pogrom, und die Juden der Stadt wurden gefoltert, umgebracht und vertrieben. Ihr Eigentum wurde unter den Nicht-Juden Zürichs verteilt, wobei sich Bürgermeister Rudolf Brun einen Löwenanteil sicherte. Die Synagoge wurde zerstört.[1][3][4]
Noch vor 1380 siedelten sich wieder Juden in der Stadt an, bis der Rat 1436 beschloss, die Juden endgültig auszuweisen.[1][5]
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die Situation der Zürcher Juden zunehmend paradox, da sich insbesondere die Regierung Frankreichs für die Wahrnehmung der Rechte ihrer jüdischen Mitbürger einsetzte, die in der Schweiz noch zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt waren. Mit ersten Zuzügern ab 1848 aus Endingen AG und Lengnau AG sowie später aus Osteuropa entstand eine kleine jüdische Gemeinde, die im Jahr 1862 100 Personen umfasste. In diesem Jahr gewährte der Kanton Zürich den Juden die freie Niederlassung. Im gleichen Jahr wurde der Israelitische Kultusverein gegründet, der später in Israelitische Cultusgemeinde umbenannt wurde. Erst mit der Teilrevision der Bundesverfassung von 1866 wurde den Juden in der Schweiz die Niederlassungsfreiheit und die volle Ausübung der Bürgerrechte gewährt.[1][4][6]
1920 war der Anteil der jüdischen Bevölkerung mit 1,3 % auf dem Höhepunkt. Die Juden, die im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts nach Zürich kamen, waren oft freiberuflich tätig: im Handel, in der Kleider- und Wäschekonfektion, in kaufmännischen Berufen, als Anwälte oder Ärztinnen und Ärzte.[7] Während des Zweiten Weltkriegs kamen die meisten in die Schweiz geflüchteten Juden nach Zürich und erhielten dort von 1940 bis 1943 das Aufenthaltsrecht. 1945 machte die jüdische Bevölkerung Zürichs ungefähr 10'500 Personen aus, sank dann aber ab 1948 wieder. Seit 1970 hält sich die jüdische Bevölkerung in Zürich mehr oder weniger konstant bei etwa einem Prozent.
Demographie
Heute leben um die 5000 Juden im Kreis 2 und Kreis 3, weitere Tausend leben auf dem restlichen Stadtgebiet. Die jüdische Bevölkerung besteht überwiegend aus Aschkenasim. Weitere sind Misrachim und Sephardim.
In Zürich finden sich Vertreter des orthodoxen und ultraorthodoxen sowie des liberalen und säkularen Judentums.
Gemeinden
- Israelitische Cultusgemeinde Zürich (ICZ)
- Israelitische Religionsgesellschaft Zürich (IRGZ)
- Jüdische Gemeinde Agudas Achim Zürich
- Jüdische Liberale Gemeinde Or Chadasch Zürich
Die ICZ und die liberale Gemeinde Or Chadasch sind vom Kanton Zürich seit 2007 öffentlich-rechtlich anerkannt.[8]
Synagogen
- Synagoge Löwenstrasse, ICZ, City, eingeweiht 1884, mehrfach erweitert und umgebaut
- Synagoge Freigutstrasse, IRGZ, Enge, eingeweiht 1924
- Synagoge Agudas Achim, eingeweiht 1960
Zudem gibt es in Zürich rund zehn Betsäle.[9]
Persönlichkeiten
- Alfred Stern (1846–1936), Historiker an der ETH
- David Farbstein (1868–1953), Politiker (Nationalrat) und Zionist
- Albert Einstein (1879–1955), wurde im Jahr 1900 an der ETH zum Fachlehrer für Mathematik und Physik diplomiert, 1909–1911 Dozent an der Universität
- Rosa Bloch-Bollag (1880–1922), Vorkämpferin der Arbeiterbewegung
- Regina Kägi-Fuchsmann (1889–1972), Frauenrechtlerin und humanitäre Aktivistin
- Leopold Szondi (1893–1986), Psychiater, von 1946–1984 in Zürich wohnhaft
- Lazar Wechsler (1896–1981), Filmproduzent
- Kurt Guggenheim (1896–1983), Schriftsteller
- Tadeus Reichstein (1897–1996), Chemiker und Nobelpreisträger
- Willy Guggenheim (1900–1977), Maler
- Kurt Hirschfeld (1902–1964), Regisseur und Dramaturg
- Leopold Lindtberg (1902–1984), Regisseur und Direktor am Schauspielhaus
- Felix Bloch (1905–1983), Physiker und Nobelpreisträger
- Elias Canetti (1905–1994), Schriftsteller und Nobelpreisträger
- Veit Wyler (1908–2002) Rechtsanwalt und zionistischer Politiker
- Rolf Liebermann (1910–1999), Komponist
- Max G. Bollag (1913–2005), Kunsthändler und Original
- Hans Josephsohn (1920–2012), Bildhauer
- Sigi Feigel (1921–2004), Rechtsanwalt und Präsident der ICZ 1972–1987
- André Kaminski (1923–1991), Schriftsteller
- Pinkas Braun (1923–2008), Schauspieler
- Victor Fenigstein (* 1924), Komponist und Klavierpädagoge
- Robert Frank (* 1924), Fotograf
- Franz Wurm (1926–2010), Autor und Übersetzer
- Konrad Feilchenfeldt (* 1944), Literaturwissenschaftler
- Roger Schawinski (* 1945), Medienunternehmer und Medienpionier
- Charles Lewinsky (* 1946), Schriftsteller
- Anatole Taubman (* 1970), Schweizer Schauspieler
- Thomas Meyer (* 1974), Schriftsteller
Friedhöfe
Jüdische Friedhöfe in Zürich:
- Israelitischer Friedhof Agudas-Achim, Albisrieden, eröffnet 1913, 6500 m²
- Israelitischer Friedhof Binz (IRGZ), Witikon (bei Pfaffhausen), eröffnet 1936, 7090 m²
- Israelitischer Friedhof am Schützenrain (JLG), Albisrieden, eröffnet 1982, 1800 m²
- Israelitischer Friedhof Steinkluppe am Steinkluppenweg (IRGZ), Unterstrass, eröffnet 1899, seit 1936 nur noch ausnahmsweise Bestattungen, ca. 875 m²
- Israelitischer Friedhof Oberer Friesenberg (ICZ), Wiedikon, eröffnet 1952, 34'618 m²
- Israelitischer Friedhof Unterer Friesenberg (ICZ), Wiedikon, eröffnet 1866, mehrfach erweitert, seit 1952 nur noch wenige Bestattungen, 17'354 m²
Literatur
- Annette Brunschwig, Ruth Heinrichs, Karin Huser: Geschichte der Juden im Kanton Zürich. Von den Anfängen bis in die heutige Zeit. Orell Füssli, Zürich 2005.
- Hans-Jörg Gilomen: Spätmittelalterliche Siedlungssegregation und Ghettoisierung, insbesondere im Gebiet der heutigen Schweiz. In: Abgrenzungen – Ausgrenzungen in der Stadt und um die Stadt (= Stadt- und Landmauern. Bd. 3). VDF, Zürich 1999, S. 85–106 (online bei Academia.edu).
Siehe auch
Weblinks
- Koscher-City: Juden in Zürich – 23. bis 27. April 2012 Beitrag von SRF
- Jüdisch-Orthodox – Unter der Haube Beitrag von Annabelle.ch
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 Zürich (Kanton Zürich, Schweiz); Jüdische Geschichte in Zürich. In: Alemannia Judaica. Abgerufen am 12. Juli 2014.
- ↑ Matthias Dürst: Synagogengasse. In: Gang dur Züri. Abgerufen am 12. Juli 2014.
- ↑ 3,0 3,1 Matthias Dürst: Das Wohnhaus Froschaugasse 4. In: Gang dur Züri. Abgerufen am 12. Juli 2014.
- ↑ 4,0 4,1 Ralph Weingarten: Schweizer Juden: Lange ausgegrenzt – heute integriert. (PDF) In: Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund. 1. September 2009, abgerufen am 12. Juli 2014.
- ↑ Hans-Jörg Gilomen: «Innere Verhältnisse der Stadt Zürich 1300–1500». In: Geschichte des Kantons Zürich, Bd. 1, Frühzeit bis Spätmittelalter. Werd: Zürich 1995, S. 336–389; S. 351f.
- ↑ Geschichte der ICZ. In: Israelische Cultusgemeinde Zürich. Abgerufen am 12. Juli 2014.
- ↑ Bruno Fritzsche et al., Geschichte des Kantons Zürich Band 3 (19. und 20. Jahrhundert), Zürich 1994, Werd-Verlag, S. 283.
- ↑ 184.1 Gesetz über die anerkannten jüdischen Gemeinden (GjG). In: Gesetzessammlung Kanton Zürich. 1. Januar 2008, abgerufen am 12. Juli 2014.
- ↑ Pascal Unternährer: Neue Synagoge in Zürich. In: Tages-Anzeiger. 21. Januar 2014, abgerufen am 12. Juli 2014.
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