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Ratssilber
Ratssilber oder Ratsilberschatz[1] ist der Oberbegriff für zumeist silbernes Tafelgeschirr[2] oder prunkvoll vergoldete Tafelaufsätze, Pokale[1] oder auch Reliquare,[3] „die seit dem späten Mittelalter zur Austattung von Rathäusern wohlhabender Städte gehörten“.[2] Bis heute besitzen „Städte mit Tradition“ Ratssilberschätze, die oftmals in den städtischen Museen allen Bürgern zugänglich sind.[1] Insbesondere das Lüneburger Ratssilber gilt heute als kulturgeschichtliches Denkmal.[4][5]
Geschichte
Ab dem Spätmittelalter
In den freien Städten des späten Mittelalters diente das Ratssilber den Stadträten meist bei festlichen Anlässen zur repräsentativen Zurschaustellung städtischen Wohlstandes.[2] Zugleich diente das Edelmetall aber auch als Wertanlage für wirtschaftlich „schlechte Zeiten“: Da Silber „in Europa die Grundlage aller Währungen“ bildete, konnten die Prunkgeschirre und Kleinodien in Notzeiten auch „verpfändet, verkauft oder eingeschmolzen“ werden, um daraus beispielsweise neue Münzen zu prägen.[1]
Ebenfalls seit dem Mittelalter mussten Silberarbeiten mittels Punzen mit den individuellem Herkunftsstempel des jeweiligen Goldschmiedes versehen werden, damit dieser „bei zu geringem Feingehalt [...] haftbar gemacht werden“ konnte.[1]
Als Beschauzeichen wurden häufig die Symbole aus den jeweiligen Stadtwappen wiedergegeben. Der steigende Löwe als Wappentier wurde beispielsweise in „leicht verwechselbaren“ Varianten in den Beschauzeichen von Hannover, Braunschweig, Lüneburg, Uelzen, Winsen (Luhe) und Jever verwendet.[1]
Ergänzend verwendeten etwa die Goldschmiede-Meister in Hannover ab dem 17. Jahrhundert zunächst „als Meisterzeichen Punzen mit ihren Initialen“, die ab etwa 1750 durch Stempel mit dem vollen Nachnamen abgelöst worden waren.[1]
Zeitweilig wurden im 18. und 19. Jahrhundert auch sogenannte Ältermannbuchstaben „offenbar unterschiedliche Zeitspannen lang von einem Ältermann verwaltet“. Für die Lötigkeit wurden in diesem Zeitraum auch gesonderte rechteckige Stempel „12“ (12 Lot) oder „13“ eingebracht.[1]
Unter alten Silbergefäßen wurden mitunter auch Gewichtsangaben eingeritzt für den Fall eines Weiterverkaufs und später dann möglichen Erbteilungen.[1]
Im Deutschland nach der Ausrufung des Deutschen Kaiserreichs und dem wirtschaftlichen Aufschwung während der Gründerzeit investierten viele Städte besonders im Zusammenhang mit dem Bau neuer Rathäuser in Ratssilber. So gab etwa die Stadt Köln ein 900-teiliges Tafelsilber in Auftrag. Während das notwendige Geld ab dem 19. Jahrhundert vielfach durch Spenden und Stiftungen wohlhabender Bürgern in die Stadtkassen floss, sollte das Ratsilber ein „Beleg für Generosität und Gemeinsinn und damit das Aushängeschild für das Erfolgsmodell der autonomen neuzeitlichen Stadt sein.“[2]
Ab 1933
Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden - vor allem nach der sogenannten „Reichskristallnacht“ 1938 und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 - die Maßnahmen zur „Arisierung“, zur „Entjudung der Wirtschaft“ verschärft: Wertgegenstände und Juwelen durften nur noch an staatliche Stellen verkauft werden. In Hannover beispielsweise gelangte so auch Tafelsilber an das Städtische Leihamt, von dem im Stadtarchiv eine Akte „Städtisches Tafelsilber 1940–42“[1] (umfasst also den Zeitraum nach der Aktion Lauterbacher, nach den Deportation von Juden aus Deutschland)[6] erhalten ist, die auch auf ältere Stücke schließen lässt. Bürgermeister Henricus Haltenhoff ließ aus diesem Bestand Stücke zur Herstellung neuer Leuchter einschmelzen, und nutzte andere Gegenstände für eigene Geschenke: SA-Stabschef Viktor Lutze etwa erhielt zu seinem 50sten Geburtstag ein aufgearbeitetes und mit einer Widmung versehenes Kaffeeservice. Auch der stellvertretende NSDAP-Gauleiter Kurt Schmalz erhielt ein Kaffeeservice, zum Abschied anlässlich seiner Versetzung „zur Erinnerung im fernen Posen“. Reichsminister Wilhelm Frick wurde zu seinem 65. Geburtstag mit einer silbernen Schale bedacht. Auch silberne Zigarrenkästchen nahmen so wohl einen ähnlichen Weg. Nachdem aufgrund der Luftangriffe auf Hannover dieser Teil des Ratssilbers in den Keller des Neuen Rathauses gebracht worden war, verlor sich jedoch - trotz Nachforschungen - jede Spur.[1]
21. Jahrhundert
Nachdem durch die Verluste im Zweiten Weltkrieg von dem Ratssilber der Stadt Aachen lediglich das „Tintenfass des Teufels“ und der „Kronprinzenpokal“ erhalten blieben, hatte sich eine Bürgerinitiative gebildet, durch die bisher mehr als 20 silberne Platzteller für das jährliche Krönungsmahl gestiftet werden konnten.[7]
Inventarisierung
Bisher (Stand: 1993) wurden beispielsweise „die Bestände stadthannoverschen Silbers sowohl des Historischen Museums als auch des Kestner-Museums“ nicht systematisch inventarisiert und zugleich der Öffentlichkeit einsehbar katalogisiert.[8]
Literatur (Auswahl)
Zum Thema gibt es zahlreiche Schriften von Wolfgang Scheffler,[1], sowie beispielsweise:
- Werner Schäfke: Das Ratssilber der Stadt Köln, in der Reihe Wissenschaftliche Kataloge des Kölnischen Stadtmuseums, Köln: Kölnisches Stadtmuseum, 1980
- N.N.: Das Ratssilber der Stadt Frankfurt am Main, Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 22. August bis 20. Oktober 1963, Frankfurt am Main: Museum für Kunsthandwerk, 1963
- Horst Appuhn (Bearb.): Das Lüneburger Ratssilber, Katalog zur Ausstellung im Oberen Gewandhaus des Rathauses zu Lüneburg 1956, im Auftrag des Museumsvereins für das Fürstentum Lüneburg, Lüneburg: Selbstverlag des Museumsvereins für das Fürstentum Lüneburg, 1956
- Horst Appuhn: Das Dortmunder Ratssilber. 1898 - 1915; im Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Schloss Cappenberg, beschrieben von Horst Appuhn. Stadtsparkasse Dortmund, hrsg. 1969 zur Ausstellung des Ratssilbers in der Hauptstelle der Stadtsparkasse Dortmund, mit Fotos von Ursula Haustein, Dortmund: Stadtsparkasse Dortmund, 1969
- Susanne Netzer (Hrsg.): Das Lüneburger Ratssilber / SMB, Kunstgewerbemuseum, Staatliche Museen zu Berlin, in der Reihe Bestandskatalog ... des Kunstgewerbemuseums, Bd. 16, mit Beiträgen von Nikolaus Gussone und Dietrich Poeck, veränderte Neuauflage der Ausgabe von 1990, München; Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2008, ISBN 978-3-422-06844-5 und ISBN 978-3-88609-629-9 (Museumsausgabe)
- BILD Hamburg, Menso Heyl (Hrsg.): Der Hamburger Silberschatz. Auf der Spur von fünf Jahrhunderten, Katalog zur Ausstellung vom 14. November bis 21. Dezember 1997 von BILD Hamburg in der Springerpassage, Hamburg, München: Hirmer, 1997, ISBN 3-7774-7660-9
- Alheidis von Rohr: Das Ratssilber in Hannover 1608, in: Edles Tafelgerät. Silber aus dem Historischen Museum Hannover, in der Reihe Schriften des Historischen Museums Hannover, Heft 4, 1993, ISBN 3-910073-05-0, S. 15 und passim
- Georg Kaspar Nagler: Die Monogrammisten und diejenigen bekannten und unbekannten Künstler aller Schulen, welche sich zur Bezeichnung ihrer Werke eines figürlichen Zeichens, der Initialen des Namens, der Abbreviatur desselben &c. bedient haben ..., 5 Bände, München: Georg Franz, 1858-1879, auch als Nachdruck: Nieuwkoop 1991. - Digital
Weblinks
- Hermann Parzinger (Verantw.): Das Lüneburger Ratssilber auf der Seite smb.museumsportal.org der Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, zuletzt abgerufen am 13. Januar 2014
- Frank Karmeyer (Verantw.): Das Erfurter Ratssilber auf dem Wiki erfurt-web.de, zuletzt abgerufen am 14. Januar 2014
- N.N.: „Ratssilber“ – Ausstellung des Stadtmuseums im Rathaus auf der Seite stadt-kassel.de, mit Fotos beispielsweise eines Willkomms oder Leuchtern illustrierte Seite zur beendeten Ausstellung von 2013, zuletzt abgerufen am 13. Januar 2014
- Literatur von und über Ratssilber im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- ↑ 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 Alheidis von Rohr: Das Ratssilber ... (siehe Literatur)
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 Eva-Maria Landwehr: Rathäuser und Bürgerstolz, in: Kunst des Historismus, in der Reihe Uni-Taschenbücher, Bd. 3645, Köln; Weimar; Wien: Böhlau, 2012, ISBN 978-3-8252-3645-8 und ISBN 3-8252-3645-5, S. 36–44, hier: S. 41; online über Google-Bücher
- ↑ Vergleiche die Dokumentation bei Commons (siehe unter dem Abschnitt Weblinks)
- ↑ Stefan Bursche: Das Lüneburger Ratssilber - ein kulturgeschichtliches Denkmal, in: Susanne Netzer (Hrsg.): Das Lüneburger ... (siehe Literatur)
- ↑ Vergleiche diese Inhaltsangabe des Buches im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- ↑ Peter Schulze: Juden, in: Stadtlexikon Hannover, S. 326ff.
- ↑ Marcel Philipp (Verantw.): Ratssilber auf der Seite aachen.de mit der Möglichkeit des Hörens des Artikels per Schaltfläche „Vorlesen“, Inhalt: Bürgerinitiative zur Vervollständigung des Ratssilbers, zuletzt abgerufen am 14. Januar 2014
- ↑ Waldemar R. Röhrbein: Zum Geleit, in: Alheidis von Rohr: Das Ratssilber ... (siehe Literatur)
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