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Geiselnahme
Eine Geiselnahme ist ein Freiheitsdelikt gegen die persönliche Freiheit und gegen die körperliche Integrität des Einzelnen.
Kriminologische Abgrenzung zwischen Geiselnahme und Entführung
Kriminologen sprechen von Entführung, wenn der Aufenthalt des Opfers unbekannt ist, d.h. das Opfer an einen nur dem Täter bekannten Ort gebracht wurde. Dagegen ist Kennzeichen einer Geiselnahme, dass das Opfer (Geisel) sich an einem der Polizei bekannten Ort befindet und daran gehindert wird, diesen Ort zu verlassen.
Strafrecht
Geiselnahmen im Rahmen von Kriegen
Es kam früher öfter vor, dass im Rahmen von kriegerischen Auseinandersetzungen Geiseln genommen wurden, um Lösegelder zu erpressen oder um ein bestimmtes Verhalten der Bevölkerung zu bewirken. Beispiele:
- Nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs marschierte Max von Schenckendorff mit seiner Einheit durch das neutrale Belgien. Bei jedem Nachtquartier nahm die Kompanie Geiseln, da man Anschläge befürchtete. Die Geiseln wurden jeweils am Morgen wieder freigelassen.
- Am 1. August 1914 erklärte Deutschland Russland den Krieg. Die russischen Verbände zogen sich aus Kalisch zurück. Am 2. August wurde die Stadt vom deutschen 155. Infanterieregiment aus Ostrowo unter dem Befehl Major Preuskers besetzt. Die Stadt musste 50.000 Rubel Kontribution zahlen und 20 Geiseln stellen. (Näheres hier)
- Am 21. August 1941 wurde in Paris ein Attentat auf den Besatzungssoldaten Alfons Moser in der Metrostation Barbès-Rochechouart verübt. Nach zwei weiteren Attentaten gegen Besatzer, den Feldkommandanten Hotz in Nantes und den Kriegsverwaltungsrat Reimers in Bordeaux, befahl Hitler dem MBF Otto von Stülpnagel, der an diesem Tag in Berlin war, 100 französische Geiseln erschießen zu lassen. Stülpnagel wollte die Zahl herunter handeln, aus Bedenken wegen möglichen politischen Folgen. Kurz darauf wurden insgesamt 98 Geiseln in Nantes und Châteaubriant auf seinen Befehl hin erschossen.
- Seit Ende 1944 ließ der „Reichsführer-SS“ Heinrich Himmler in Abstimmung mit dem Chef des Reichssicherheitshauptamts (RSHA), Ernst Kaltenbrunner, die prominentesten politischen Häftlinge des NS-Staats aus den deutschen Konzentrationslagern zunächst in das KZ Dachau und im April 1945 schließlich nach Niederdorf im südtiroler Pustertal bringen. Die SS-Wachmannschaften hatten Befehl, die Gefangenen nicht lebend in Feindeshand geraten zu lassen. Durch das mutige Handeln des Wehrmachtsoffiziers Wichard von Alvensleben konnten die schließlich im Hotel Pragser Wildsee untergebrachten Gefangenen dort am 4. Mai 1945 von der US-Armee befreit werden. - Der Hintergrund: Die NS-Führung hoffte, die sogenannte Alpenfestung von Bayern bis ins Trentino gegen die vorrückenden Alliierten verteidigen zu können. Kaltenbrunner und Himmler, der in den letzten Wochen und Monaten des NS-Regimes seine eigene Geheimdiplomatie vor allem in Richtung der Amerikaner betrieb, und Kaltenbrunner glaubten, die Geiseln als Verhandlungsposition gegenüber den Alliierten nutzen zu können. Es waren insgesamt 139 sogenannte Sonderhäftlinge aus siebzehn europäischen Nationen sowie eine Gruppe von Sippenhäftlingen. Darunter waren der ehemalige österreichische Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg mit Frau und Tochter, der frühere französische Ministerpräsident Léon Blum mit Ehefrau, Hitlers früherer Reichwirtschaftsminister Hjalmar Schacht, der britische Geheimagent Sigismund Payne Best, der ehemalige ungarische Ministerpräsident Miklós Kállay, der Oberbefehlshaber des griechischen Heeres, General Alexandros Papagos, mit seinem gesamten Generalstab, der französische Bischof von Clermont-Ferrand, Gabriel Piguet, der evangelische Pastor Martin Niemöller sowie Familienangehörige des Hitler-Attentäters Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg.
Ein deutscher Offizier, Hauptmann Wichard von Alvensleben, hatte von dem Gefangenentransport erfahren und ließ am 30. April 1945 die Gefangenen in Niederdorf von einem Wehrmachtsstoßtrupp aus der Gewalt der SS befreien. Noch am selben Tag wurden die Häftlinge ins nahegelegene Hotel Pragser Wildsee gebracht, wo sie rund drei Wochen versorgt wurden. Am 4. Mai 1945 traf die US-Armee im Hotel ein. Sie führten den Häftlingskonvoi weiter über Verona nach Neapel und auf die Insel Capri. Nach zahlreichen Verhören bekamen die Befreiten schließlich die Erlaubnis zur Heimkehr.
Chronik von aufsehenerregenden Geiselnahmen
Geiselnahmen durch Einzeltäter
- Am 23. August 2010 kaperte ein philippinischer Ex-Polizist einen mit 25 Personen besetzten Reisebus in Manila und forderte seine Wiedereinstellung als Polizist. Nach einer folgenden elfstündigen Geiselnahme eskalierte die Situation als der Täter begann auf die Geiseln zu schießen. Während der folgenden Stürmung durch ein Einsatzkommando kamen der Täter und acht Geiseln ums Leben.
- Im Dezember 1999 brachte ein 46-jähriger Bosnier den Filialleiter einer Sicherheitsfirma und zwei Mitarbeiter in seine Gewalt und verschleppte sie von Würselen in eine Filiale der Landeszentralbank in Aachen. Nach fast 50 Stunden und langwierigen Verhandlungen wurde der Mann von der Polizei erschossen, als er mit einer Geisel in einem bereitgestellten Fahrzeug zu entkommen versuchte.
- 19. Mai 1998 in Florida, USA: Rund 200 Sicherheitskräfte umstellten eine Tankstelle im Hernando County, wo der 30-jährige Hank Earl Carr eine schwangere Angestellte als Geisel genommen hatte. Carr hatte zuvor einen vierjährigen Jungen erschossen und auf der anschließenden Flucht drei Polizisten getötet, ehe er nach einer wilden Verfolgungsjagd das Geschäft gestürmt hatte. Der Täter führte anschließend telefonisch Interviews mit dem lokalen Radiosender WFLA, ehe er die Geisel nach rund fünf Stunden gehen ließ und sich selbst erschoss.
- Im Juni 1993 hatte der mehrfach vorbestrafte Robert Sedlacek ein Geldinstitut in Wien überfallen, auf der Flucht einen Polizisten erschossen und sich anschließend mit drei Geiseln in einem Modengeschäft verschanzt. Beim Versuch Sedlacek zur Aufgabe zu überreden, schoss dieser plötzlich den Verhandlungsleiter der Polizei nieder und verübte Suizid. Der Verhandlungsleiter konnte bereits am selben Tag das Krankenhaus wieder verlassen, da das Projektil im Mobiltelefon des Beamten steckengeblieben war. Auch die Geiseln blieben unverletzt.
- Im August 1986 brachte ein mit Schusswaffen und Sprengstoff ausgerüsteter Bankräuber in Helsinki elf Menschen in seine Gewalt. Bei der anschließenden Flucht mit drei der Geiseln in einem bereitgestellten Fahrzeug, versuchte die Polizei den Täter an einer Tankstelle zu überwältigen. Dabei konnten zwei der Geiseln flüchten, der Täter und ein 25-jähriger Bankkunde starben bei der vom Täter ausgelösten Explosion des Sprengstoffs, zudem wurden neun Polizisten verletzt.
- Im August 1973 betrat ein Gefangener auf Freigang die Kreditbank am Norrmalmstorg im Stadtzentrum von Stockholm und nahm vier Geiseln. Nach drei Tagen bohrte die Polizei ein Loch in das Dach, durch das sie zunächst eine Kamera einführte. Zwei Tage darauf wurde durch dieses Loch Gas in die Bank eingeleitet und das Drama dadurch beendet. Niemand kam dabei zu Schaden. Sie war einer der ersten Kriminalfälle, über den die schwedischen Medien live berichteten. In der Folge gab der Psychiater Nils Bejerot einer Überlebensstrategie der Geiseln den Namen „Stockholm-Syndrom“.
Massengeiselnahmen (ohne Flugzeugentführungen)
Literatur
- Markus Immel: Die Gefährdung von Leben und Leib durch Geiselnahme (§§ 239a, 239b StGB), Berlin 2001, ISBN 3428104889
- Marko Brambach: Probleme des Tatbestandes des erpresserischen Menschenraubs und der Geiselnahme. Berlin 2000, ISBN 3428099362
- Markus Rheinländer: Erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme (§§ 239a, 239b StGB): Eine Strukturanalyse. Münster 2000, ISBN 3825845451
- Sonja Christine Nikolaus: Zu den Tatbeständen des erpresserischen Menschenraubs und der Geiselnahme. Berlin 2003, ISBN 3830505361
- Bundeswehr Zentrum Innere Führung Hrsg.: Geiselhaft und Gefangenschaft 4/96 1. überarb Auflage Ausgabe Mai 1997
- Robert K. Spear, Michael D. Moak: Überleben als Geisel? ISBN 978-3924753610
Siehe auch
Weblinks
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Einzelnachweise
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Geiselnahme aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |