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Michel de Montaigne

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Montaigne ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Weitere Bedeutungen sind unter Montaigne (Begriffsklärung) aufgeführt.
Montaigne auf einem zeitgenössischen Gemälde von Thomas de Leu (1560–1612)
Signatur
Das Wappen von Michel Eyquem de Montaigne

Michel Eyquem de Montaigne [miʃɛl ekɛm də mõ'tɛɲ] (geb. 28. Februar 1533 auf Schloss Montaigne[1] im Périgord; gest. 13. September 1592 ebenda), lat.: Michaelius Montanus,[2] war Jurist, Politiker, Philosoph und Begründer der Essayistik. Er war ein Skeptiker, Humanist und Politiker mit Zugang zu den einflussreichen Persönlichkeiten der französischen Monarchie[3] am Ende der Renaissance und zu Beginn der Reformation und der beginnenden Gegenreformation.[4]

Leben und Schaffen

Herkunft und Jugend

Montaigne wurde als Michel Eyquem[5] auf Schloss Montaigne, Château de Montaigne geboren, das sein Urgroßvater Ramon Felipe Eyquem (1402–1478)[6] – ein durch Handel mit Fisch, Wein und Indigo reich gewordener Kaufmann aus Bordeaux – 1477 samt der dazugehörigen Grundherrschaft gekauft hatte. Seine Urgroßmutter war die Isabeau de Farraygues (1428–1508); das Paar war seit dem Jahr 1444 miteinander verheiratet und hatte zwei Söhne, Grimon und Perrin Eyquem, sowie zwei Töchter Pélegrina und Audeta.[7] Sein Urgroßvater Ramon Felipe Eyquem erwarb das Château d’Yquem als Lehen der Erzbischöfe[8] am 10. Oktober 1477 von Guilhem Duboys, seigneur de Juillac, der Kaufpreis soll 900 Goldfranken, Franc à pied betragen haben.[9]

Auch noch der Großvater von Montaigne, Grimon Eyquem (1450–1519)[10] setzte diesen Handel zeitweise fort. In der Zeit von 1485 bis 1503 hatte dieser noch ein Ehrenamt als Stadtrat, Jurade de Bordeaux inne. Er war mit Jeanne du Fourn (ca. 1470–1519) seit dem Jahr 1490 verheiratet.

Michel war das Älteste von vier ins Erwachsenenalter gelangten Kindern von Pierre Eyquem,[11] einem katholisch gebliebenen Franzosen, der König Franz I. auf seinem Italienfeldzug begleitet hatte und dort mit den Ideen der Renaissance und des Humanismus in Berührung gekommen war. Seine Mutter, Antoinette de Louppes de Villeneuve (1514–1603),[12] stammte wahrscheinlich aus einer Familie von Marranen (unter Zwang zum Christentum konvertierte spanische oder portugiesische Juden, Alhambra-Edikt[13]), was aber nicht zweifelsfrei belegt ist.[14][15] Er hatte drei Schwestern namens Jeanne (* 1536), Léonor (* 1552) und Marie (* 1554) sowie zwei Brüder Thomas (1537–1597) und Bertrand Charles (1560–1620). Auch die Familie mütterlicherseits kam ähnlich wie die des Vaters, den Eyquem zu lokalem Reichtum und Wohlstand. So brachte Antoinette de Louppes de Villeneuve 4000 Livres als Mitgift mit in die Ehe.[16] Sein jüngerer Bruder Thomas Eyquem de Montaigne heiratete eine Tochter seines Freundes Étienne de La Boétie.[17]

Der Vater bekleidete mehrfach hohe Ämter in der Stadt Bordeaux: 1530 wurde er als Profos des dortigen Ordnungswesens eingesetzt, ab dem Jahre 1533 war er stellvertretender Bürgermeister und ab 1554 Bürgermeister.

Nach seiner Geburt wurde Montaigne, wie bei reichen Familien üblich, zu einer Amme in einem nahegelegenen Weiler in Richtung Montpeyroux namens Papessus gegeben.[18][19] Als er, etwa drei Jahre alt, zu seiner Familie zurückkam, stellte sein Vater einen aus Deutschland stammenden Arzt mit Namen Horstanus als Hauslehrer ein, der weder Französisch noch Gascognisch konnte und mit dem Kind nur Latein sprach.[20] Da auch die Eltern sich bemühten, dies zu tun und sogar die Bediensteten es versuchen mussten, wurde das Lateinische fast zur Muttersprache Montaignes. Später soll der doctor Horstanus eine Lehrtätigkeit am Collège de Guyenne begonnen haben.[21]

1539 bis 1546 besuchte er das Collège de Guyenne in Bordeaux, wo er von seinen Lehrern teilweise gefürchtet war, weil er besser Lateinisch sprach als sie. Der amtierende Rektor war André de Gouveia.[22] Hier lernte Montaigne auch Altgriechisch. Zu seinen dortigen Lehrern gehörten neben de Gouveia noch der schottische und humanistische Philosoph George Buchanan, Mathurin Cordier (1479–1564) und Élie Vinet (1509–1587).[23] Montaigne hat später gesagt, dass er, im Gegensatz zu den meisten Adeligen seiner Zeit, seiner Schulbildung die Liebe zu Büchern verdanke.

Über die Jahre 1546 bis 1554 ist fast nichts bekannt. Montaigne absolvierte vielleicht zunächst propädeutische Studien an der Artistenfakultät von Bordeaux und studierte danach Recht, in Toulouse. Er beschloss sein Studium wahrscheinlich mit dem akademischen Grad eines licentiatus juris ab. Er hörte Vorlesungen bei Adrien Turnèbe, Jean de Coras und Petrus Bunellus (1500–1547) und wohnte bei Verwandten mütterlicherseits. Möglicherweise studierte er auch in Paris (Professoren beider Universitäten hat er später erwähnt).

Unbekannt ist ebenfalls, ob er 1548 in Bordeaux die Revolte miterlebte, mit der die Stadt auf die Auferlegung der Salzsteuer durch den neuen König Heinrich II. reagierte; sie wurde von königlichen Truppen blutig niedergeschlagen und einige Patrizier getötet. Der Marschalls- und Connétables von Frankreich Duc de Montmorency stellte bis zum Jahre 1548 die königliche Autorität wieder her.

Montaigne und sein Verhältnis zum Glauben

Obwohl sein familiärer Verband aus Menschen mit zum Teil unterschiedlichen Glaubensrichtungen bestand, war Montaigne zuerst Katholik und danach Christ. Er war im katholischen Glauben aufgewachsen und erzogen worden und er kämpfte für seinen Glauben in den Zeiten des reformatorischen Umbruchs. Auch räumte er den exponierten Anführern auf der katholischen Seite für ihr Tun ein sehr weitreichendes Verständnis ein. Seinem katholischen Lager blieb er zeitlebens treu verbunden.[24] Bekannt ist, das sich zwei von Montaignes Geschwistern zum Calvinismus hingezogen fühlten. Dennoch steht Montaignes Haltung für einen versöhnlichen und ausgleichenden Weg der Konfessionen, wie man etwa in seiner Zeit als Bürgermeister von Bordeaux nachvollziehen kann.

Montaigne als Gerichtsrat, in politischer Funktion und wichtige private Ereignisse

1554, mit einundzwanzig Jahren, erhielt Montaigne das Amt eines Gerichtsrats, conseiller am Steuergericht, Cour des aides in Périgueux. Im selben Jahr begleitete er seinen soeben zum Bürgermeister gewählten Vater zu Verhandlungen mit dem König nach Paris. Ein Onkel von Montaigne Pierre Eyquem seigneur de Gaujac[25] überließ ihm 1556 seinen Richtersitz in Périgueux.[26][27]

Als 1557 das Steuergericht von Périgueux aufgelöst wurde, bekam Montaigne einen Gerichtsratsposten am Parlement von Bordeaux, dem obersten Gerichtshof der Provinz Guyenne. Hier schloss er eine (wie er es rückblickend sah) geradezu symbiotische Freundschaft mit dem gut zwei Jahre älteren, humanistisch hochgebildeten Richterkollegen Étienne de La Boétie, dessen frühen Tod 1563 er nur schwer verschmerzte und den er lange betrauerte.

Seine Aufgaben am Parlement in Bordeaux waren in erster Linie seine Arbeit für die Berufungskammer, Chambre des Enquêtes. Er führte dabei die Untersuchungen durch, die zur Beurteilung eines Falles notwendig waren, und gab hiernach seine schriftliche Beurteilung an die die Verhandlung führenden Richterkollegen ab. Als Berufungsrichter fällte er selbst keine Urteile im Fall, sondern lieferte eine Dokumentation des Rechtsstreites und der unterschiedlichen Positionen der beteiligten Parteien. Aber auch der Vorsitz bei Zivilprozessen oblag seinem Tätigkeitsbereich am Parlement.[28]

In seiner Eigenschaft als Gerichtsrat am Parlement reiste er 1559, 1560 und 1562 nach Paris, wobei es vor allem um die Frage der Unterdrückung oder Duldung der im französischen Südwesten stark verbreiteten Hugenotten ging. Bei dem letztgenannten Parisaufenthalt, der vom Beginn der Hugenottenkriege mit dem Blutbad von Wassy, le massacre de Wassy überschattet wurde, legte Montaigne, zusammen mit anderen Richtern diverser französischer Parlements, feierlich ein Bekenntnis zum Katholizismus ab.

Am 23. September 1565[29] heiratete er Françoise de La Chassaigne, die Tochter eines Richterkollegen, Joseph de La Chassaigne (ca. 1515–1572). Die einzige das Erwachsenenalter erreichende Tochter war Éléonore Eyquem de Montaigne (9. September 1571 – 23. Januar 1616).

Beim Tod seines Vaters 1568 erbte er, nach den Regeln der adeligen Erbteilung, den Hauptteil von dessen Besitz. Darunter waren insbesondere das Gut und Schloss Montaigne, nach dem er sich hinfort ausschließlich benannte, was seinen Status als Adeliger betonte.

1569 beendete er eine kommentierte Übersetzung der Theologia naturalis des aus Toulous stammenden katalanischen Theologen und Mediziners Raimond Sebond. Er hatte sie noch auf Wunsch seines Vaters begonnen, der sich – sehr verständlich in Zeiten heftiger konfessioneller Streitigkeiten – offenbar für die These von Sebundus interessierte, wonach die sichtbare Welt, da von Gott geschaffen, der menschlichen Erkenntnis unmittelbar zugänglich und „als Buch einer göttlichen Mitteilung an uns zu lesen“ sei.[30] Das Buch der Natur hat – im Vergleich zur Heiligen Schrift – für Sebundus den Vorzug, dass es in der Auslegung von niemandem verfälscht werden könne. Für Montaigne, wie später für Galileo Galilei, steht im Hintergrund schon die Annahme, dass man den Zugang zu unbezweifelbaren Erkenntnissen über die Welt eher über das genaue Studium des Buchs der Natur als über das Studium der Bibel finden könne. Zugleich mit seiner Sebundus-Übertragung gab Montaigne in Paris eine Sammlung von französischen und lateinischen Gedichten seines Freundes La Boétie in Druck.

Es war an einem Mittwoch dem 19. Dezember 1584, an dem Montaigne zum ersten Mal von Heinrich von Navarra, dem zukünftigen König Heinrich IV. und Anführer der calvinistischen Partei, besucht wurde. Er bewirtete ihn auf seinem Schloss Montaigne, Château de Montaigne. Heinrich von Navarra blieb vier Tage und schlief im Bett des Hausherren. Montaigne und Heinrich von Navarra gingen während dessen Aufenthaltes gemeinsam zur Jagd auf Hirsche. Während des achten Hugenottenkrieges, auch Krieg der drei Heinriche genannt (Heinrich IV. von Navarra, Heinrich von Guise und König Heinrich III.), in der Zeit zwischen 1561 bis 1598 übernahm Montaigne für die u. a. in religiösen Fragen miteinander konkurrierenden, herrschenden Administrationen die Aufgabe eines Emissärs. Beide herrschenden Könige, sowohl König Heinrich III. als auch Heinrich IV. von Navarra, ernannten Montaigne zu ihren Kammerherren, gentilhomme ordinaire de la Chambre du Roi.[31] Auf diese Weise trat er vermittelnd zwischen dem Anführer der hugenottischen Partei (Heinrich IV. von Navarra) und einem exponierten Vertreter der katholischen Heiligen Liga (Heinrich von Guise) ein. So kam es am 24. Oktobers 1587, kurz nach dem Sieg Heinrichs von Navarra bei Coutras, über die Heilige Liga unter der Führung von Anne de Joyeuse zu einem zweiten Treffen Montaignes mit seinem zukünftigen König Heinrich IV. auf seinem Schloss Montaigne. Aber auch zwischen Heinrich VI. von Navarra und dem herrschenden König Heinrich III. wurde er in dieser Aufgabe aktiv.

Rückzug ins Private

1570, mit achtunddreißig Jahren, quittierte Montaigne sein Richteramt und zog sich auf sein Schloss zurück.[32][33] Seine administrativen Aufgaben in Bordeaux übergab er am 23. Juli 1570 an seinen Freund Florimond de Raemond.[34] Ein Grund für seinen Entschluss war vermutlich die Enttäuschung darüber, dass seine Versuche, in eine der wichtigeren und damit angeseheneren Kammern des Gerichts zu wechseln, gescheitert waren, weil in der einen als zu naher Verwandter schon sein Schwiegervater saß und in der anderen schon ein Schwager. Vielleicht spielte auch der Umstand eine Rolle, dass er zum zweiten Mal Vater wurde, nachdem ein im Vorjahr geborenes erstes Kind, ebenfalls ein Mädchen, bald nach der Geburt gestorben war (so wie auch vier weitere 1573, 1574, 1577 und 1583 geborene Kinder, allesamt Töchter, das Säuglingsalter nicht überlebten).

Tour de Montaigne hier hatte Montaigne in der dritten Etage seine Privat-Bibliothek
Kammer im Turm des Château de Montaigne
Ausschnitt aus der Decke der Bibliothek im Turm von Schloss Montaigne:
Drei lateinische Bibelzitate, im Auftrag Montaignes in die Balken gebrannt
Das Oratorium von de Montaigne, im Erdgeschoss des Turms

Mit der Rolle des Landedelmanns, als der Montaigne sich nach seinem Rückzug ins Private offenbar sah, vertrug es sich durchaus, zu lesen und literarisch zu dilettieren. Dies tat er mit Hilfe einer für damalige Verhältnisse relativ großen Privatbibliothek (etwa tausend Bände), die ihm zu großen Teilen von seinem Freund La Boétie vermacht worden war.

Er begann, markante Sätze aus klassischen, meistens lateinischen Autoren aufzuschreiben und zum Ausgangspunkt eigener Überlegungen zu machen. Diese Überlegungen sah er als Versuche, der Natur des menschlichen Wesens und den Problemen der Existenz, insbesondere des Todes, auf den Grund zu kommen. Die passende Darstellungsweise für diese „Versuche“ (französisch essais) musste er jedoch selber tastend entwickeln, denn erst später, nach ihm und dank ihm, wurde der Begriff essai zum Namen einer neuen literarischen Gattung.

Vermutlich hatte Montaigne seinen Wechsel ins Private mit der Hoffnung verbunden, seine Tage ungestört von den kriegerischen Wirren der Zeit zu verbringen. Als aber nach den Protestantenmassakern der Bartholomäusnacht (22./23. August 1572) die Spaltung im Land sich vertiefte und beide Seiten sich erneut bekriegten, hielt er es für seine Pflicht, sich der königlichen Armee und damit dem katholischen Lager anzuschließen. 1574 versuchte er jedoch, mit einer Rede vor den Richtern des Parlements in Bordeaux zur Versöhnung der Konfessionen beizutragen. Nach dem Friedensschluss von 1575, der den Protestanten vorübergehend volle Bürgerrechte gewährte, ließ er sich von Heinrich von Navarra, dem Chef des protestantischen Lagers und De-facto-Herrscher in weiten Teilen Westfrankreichs, pro forma zum Kammerherrn ernennen.

Dank der kurzen Friedensphase schloss Montaigne 1579 Buch I der Essais ab und verfasste Buch II. Die beiden Bände erschienen 1580 in Bordeaux und waren so erfolgreich, dass sie schon 1582 und nochmals 1587 leicht erweitert nachgedruckt wurden.

Die Italienreise

Da er seit 1577 unter Nierenkoliken litt (deren starken Auswirkungen auf sein Befinden, Denken und Fühlen er in den Essais thematisierte), ging Montaigne 1580 trotz der soeben wieder ausgebrochenen Kriegshandlungen auf eine Bäder-Reise, von der er sich Linderung erhoffte. Die Reise führte ihn über Paris, wo er von König Heinrich III. empfangen wurde, in etliche französische, schweizerische und deutsche Bäder sowie nach Baden.

Italienreise von Michel de Montaigne von 1580 bis 1581

Die Fahrt wurde dann als Bildungsreise fortgesetzt und ging über Freiburg, man nächtigte „Zum roten Bären“, weiter nach über Mülhausen sowie weiteren Ortschaften nach Konstanz, wo die Gruppe im Gasthaus „Zum Adler“ und „Zum Hecht“, dann folgten am 9. Oktobers 1580 die Einkehr in das Wappen von Köln in Markdorf und witer nach Lindau, Augsburg, Innsbruck sowie mehrere italienische Städte und Stadtstaaten (Verona, Venedig, Ferrara, Florenz, Siena) bis nach Rom. Er wurde dabei von seinem Bruder Bertrand-Charles Eyquem de Montaigne (1560–1620) und drei weiteren Adeligen begleitet. So waren es neben einigen Dienern, der Charles d´Estissac († 1586),[35] Comte François du Hautoy einem Adeligen aus Lothringen und wahrscheinlich Bernard de Cazalis, sein Schwager und Witwer der verstorbenen Schwester Marie (* 1554).[36] Somit bestand der Trupp aus zehn Reisenden, sieben zu Pferde, drei Männer zu Fuß, zwei Dienern und einem Maultiertreiber. Wegen der drei Begleiter zu Fuß konnten die Pferde nur im Schritt gehen, so dass die Tagesstrecken etwa sieben bis acht französische Meilen, also etwa dreißig Kilometer lang waren.[37]

In Rom blieb er mehrere Monate. Er wurde vom Papst, Gregor XIII. empfangen, ließ die Essais von der päpstlichen Zensur absegnen, und ihm wurde der Titel eines römischen Bürgers verliehen. Die zu Pferde unternommene Reise, auf der ihn mehrere Diener und zum Teil einige Edelleute begleiteten, beschrieb er in einem Tagebuch, das er jedoch nicht veröffentlichte (das Manuskript wurde erst 1770 von Joseph Prunis in einer alten Truhe auf dem Schloss Montaigne wiedergefunden und 1774 gedruckt).[38]

Truhe auf dem Château de Montaigne, hier fand Abbé Prunis das Manuskript des Journal de voyage.

Wobei der erste Teil des Journal de voyage von einem Reisebegleiter und Sekretär Montaignes stammte und möglicherweise als Diktat niedergeschrieben worden war. Erst ab dem Aufenthalt in Rom im Februar des Jahres 1581 schrieb Montaigne aus eigener Hand. Unterwegs in Lucca, erhielt er im Frühherbst 1581 die Nachricht, dass er für eine Zwei-Jahres-Periode zum Bürgermeister von Bordeaux gewählt worden war.

Am Donnerstag den 7. September 1581 erreichte Montaigne in Italien die Nachricht, dass er am 2. August einstimmig zum Bürgermeister gewählt wurde. Aber erst Spätherbst brach Montaigne zur Heimreise in die Guyenne auf, um sein Amt anzutreten. Ebenfalls an einem Donnerstag den 30. November 1581 erreichte die Reisegruppe wieder das Schloss Montaigne.

Die Zeit als Bürgermeister in Bordeaux

Noch zehn Jahre nach den Massakern während der Hugenottenkriege, etwa dem der Bartholomäusnacht von 1572, zählten fast zehn Prozent der Einwohner von Bordeaux zu dem Kreis der reformierten Kirche. Sein Vorgänger im Amt des Bürgermeisters war Armand de Gontaut, seigneur de Biron er hatte diese Aufgabe von 1577 bis 1581 übernommen. Als kriegserfahrener Militär baute er die Stadt zur Festung aus um mögliche Angriffe der Hugenotten abzuwehren.[39]

Mit dem Edikt von Beaulieu vom 6. Mai 1576 setzte Heinrich III. von Frankreich das Ende des fünften Hugenottenkrieges. Doch diese dort verhandelten Zugeständnisse an die reformierten wurden von Armand de Gontaut nicht akzeptiert. In dieser Lage wurde nunmehr – ab dem Dezember 1581 – Montaigne zum Bürgermeister berufen. Kurze Zeit zuvor ernannte derselbe König Jacques II. de Goÿon de Matignon zum Gouverneur de Guyenne. Zwischen beiden Männer entspannte sich eine Phase ausgezeichneter politischer Kooperation. Im Jahre 1585 sollte Jacques de Goÿon de Matignon sein Nachfolger im Bürgermeisteramt von Bordeaux werden, er blieb in dieser Position bis zum Jahr 1598.

Heinrich III. setzte wahrscheinlich bei dieser Entscheidung auf das mehrfach bewiesene diplomatische Geschick von Montaigne in der Stadt Ruhe einkehren zu lassen. Also in die ständig schwelenden Konflikte zwischen Katholiken und Reformierte deeskalierend einzuwirken. Nach zwei Jahren im Amt, wurde er im Jahr 1583 trotz einer heftigen Opposition seitens der Katholischen Liga wiedergewählt. Nach sechs Wochen nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit (31. Juli 1585), brach die Pest in Bordeaux von Juni bis Dezember ist etwa vierzehntausend Opfer. Jacques II. de Goÿon de Matignon wurde kurz zuvor zum Gouverneur de Guyenne ernannt. Etwas widerstrebend und nicht ohne brieflich von König Heinrich III. in die Pflicht genommen worden zu sein, akzeptierte Montaigne das Amt und übte es nach seiner Heimkehr Ende November für zwei und anschließend nochmals zwei Jahre aus.

Es gelang Montaigne auf direktem Wege durch Verhandlungen in Paris die nach dem Aufstand in Bordeaux ausgesetzten und für die Stadt äußerst wichtigen Handelsabgaben wieder zurückzuholen. Dennoch organisierte sich Unmut über die Entwicklung.

Aus der Ecke der radikalisierten katholischen Liga und ihrem Anführer Jacques II de Merville de Pérusse des Cars († ca. 1580),[40] Grand Sénéchal de Guyenne und Kommandant des Château du Hâ, welches im Zentrum der Stadt Bordeaux lag, und dem Jean Ricard de Gourdon de Genouillac de Vaillac, Gouverneur de Château Trompette et de Bordeaux beide unter dem Schutz des Erzbischofs Antoine Prévost de Sansac (1515–1591)[41] sowie Jean de Louppes de Villeneuve († 1630), conseiller au parlement de Bordeaux einem Cousin ersten Grade seiner Mutter Antoinette de Louppes de Villeneuve organisierte sich immer wieder aufflackernder Widerstand.

Den Höhepunkt erreichte das Ränkespiel der katholischen Liga und ihren Verbündeten im April 1585, man versuchte Bordeaux vom Château Trompette aus unter ihrer Gewalt zu bringen und den Bürgermeister Montaigne und Jacques de Goÿon de Matignon auszuschalten. Doch Jacques de Goÿon de Matignon kam ihnen zuvor. Er rief alle Magistratsbeamten, Richter, Parlementsräte usw. zum Sitz des Gouverneurs in Bordeaux und schaltete Jean Ricard de Vaillac unter der Androhung seiner öffentlichen Enthauptung aus.[42]

In seinem Amt als Bürgermeister war Montaigne bemüht, zwischen Reformierten und Katholiken zu vermitteln, wobei er 1583 versuchte, Verhandlungen zwischen Heinrich von Navarra und König Heinrich III. zu befördern. Es gelang ihm 1585, Bordeaux von einer militärischen Beteiligung auf Seiten der Katholischen Liga abzuhalten. Die Liga bekriegte Heinrich von Navarra, der 1584 zum engsten Anwärter auf den Thron aufgerückt war. 1583 wurde Montaigne zum sechsten Mal Vater, doch starb seine Tochter wiederum bald nach der Geburt.

Montaigne lernte die gebildete und an Poesie interessierte Diane d’Andouins kennen. Beide traten in einem intensiven brieflichen Austausch und Diskussion etwa über das Schaffen von Pierre de Ronsard oder Joachim du Bellay.[43][44] Seine Les 29 Sonnets de la Boétie in den Essais widmete er Diane d’Andouins. Im übrigen gab es noch weitere Widmungen, so wurden Charlotte Diane de Foix-Candale die De l’institution des enfants, Louis de Madaillan d’Estissac (ca. 1502–1565) die L’Apologie de Raymond Sebond und De la ressemblance des enfants aux pères der Marguerite de Grammont, Witwe des Jean de Durfort, Seigneur de Duras gewidmet.[45][46]

Die letzten Jahre

Nach dem Ende seiner Zeit als Bürgermeister (Spätsommer 1585) und der vorübergehenden Flucht vor einer Pestepidemie, setzte er sich wieder in seine Bibliothek im Schlossturm, um neue Lektüren, Erfahrungen und Erkenntnisse in den Essais zu verarbeiten, die er hierbei stark erweiterte und um einen dritten Band vermehrte.

Als er am 23. Januar 1588 nach Paris aufbrach, um die neue Fassung dort in Druck zu geben, wurde er unterwegs von adeligen Wegelagerern ausgeraubt, bekam das Manuskript jedoch von ihnen zurück. Er war in Begleitung von Odet seigneur de Matignon, comte de Thorigny (1559–1595), dem ältesten Sohn von Jacques de Goÿon de Matignon. In Paris am 20. Februar 1588 angekommen, geriet er dort in den Aufstand gegen Heinrich III., den am 12. Mai die Katholische Liga angezettelt hatte. Er wurde am 10. Juli 1588 in der Bastille eingekerkert, kam aber durch eine Intervention der Königinmutter Katharina von Medici rasch wieder frei. Im Juni erschien die Neuausgabe der Essais im Druck. In diesem Jahr führte er auch mit dem aus den Republik der Sieben Vereinigten Provinzen stammenden Staatstheoretiker, Philologen und Vertreter des Neostoizismus Justus Lipsius, der Montaigne den „französischen Thales“ nannte, eine ausgiebige Korrespondenz.[47]

Brief aus der Bastille vom 10. Juli 1588

Offenbar zur selben Zeit lernte er Marie de Gournay kennen, die ihm zu einer geistigen Ziehtochter wurde.

Marie de Gournay; Montaigne nannte sie seine fille d’alliance

Auf der Rückreise im Herbst nahm er als Gast an der Versammlung der Generalstände in Blois teil.

In den nachfolgenden Jahren überarbeitete und vermehrte er unablässig weiter die Essais. Daneben reiste er mehrfach nach Paris zu Marie de Gournay, die so am Fortgang der Änderungen und Zusätze Anteil nehmen konnte.

1590 erlebte er die Heirat seiner einzigen ins Erwachsenenalter gelangten Tochter und 1591 die Geburt einer Enkelin. Montaigne verstarb plötzlich, während einer Messe in der Schlosskapelle, am 13. September 1592. Er litt unter der sogenannten „Hals-Bräune“ eine alte Bezeichnung für die Diphtherie.

Sein Leichnam wurde am 1. Mai 1593 in die Kirche der Feuillanten in Bordeaux, église du couvent des Feuillants à Bordeaux überführt.

1595 publizierte Marie de Gournay postum in Paris eine Neuausgabe der Essais. Grundlage war die Abschrift eines Manuskripts der Essais, die ihr dem letzten Stand der Arbeit Montaignes zu entsprechen schien. Diese Ausgabe wurde immer wieder nachgedruckt. Grundlage der heutigen kritischen Editionen ist jedoch das später aufgefundene, weitere Änderungen enthaltende Original der genannten Abschrift, das „Exemplaire de Bordeaux“.

Werke

Pierre Villey teilt in seinen Les sources et l’evolution des Essais de Montaigne (1908)[48] Montaignes intellektuelle und literarische Entwicklung in drei Phasen ein. Er formulierte die Hypothese, dass Montaigne in seiner Jugendzeit von den Ideen der Stoiker geleitet gewesen sei. Dann eine „skeptische Krise“ durchlebte – um die Jahre 1575 bis 1576 herum – um schließlich in eine Phase der Reifung einzutreten, die an den Einstellungen eines Epikureer erinnerten.[49] Dennoch aber war Montaigne kein expliziter Vertreter einer bestimmten philosophischen Schule, sondern ein Eklektiker.[50][51]

Die Essais waren die ersten bedeutungsvollen philosophischen Schriften in französischer Sprache. Denn die allermeisten philosophischen, vor allem aber theologischen, moraltheologischen und auch wissenschaftlich-medizinischen Schriften wurden im nachmittelalterlichen romanischen Sprachbereich aber auch darüber hinaus in lateinischer bzw. mittellateinischer Sprache verfasst.

Dennoch gelten die Essais nicht als Montaignes Erstlingswerk, denn neben der Übersetzung des Raimundus Sabundus waren es vor allem sein Briefe, allesamt in französischer Sprache verfasst und viele schon begonnen in der Zeit als Gerichtsrat in Bordeaux. Sie wurden aber erst 1571 publiziert, als Anhang der Plutarch und Xenophon-Übersetzungen seines früh verstorbenen Freundes Étienne de La Boétie.

Die Übersetzung des Buch der Geschöpfe

Montaigne ließ im Jahr 1569 in Paris den von ihm ins Französische übertragenen Text, des von dem katalanischen Philosophen und Theologen Raimundus Sabundus geschriebenen lateinischen Werkes Liber creaturarum sive de homine (1436) (deutsch Das Buch der Geschöpfe) publizieren. Sein Vater Pierre Eyquem hatte ihn um das Jahr 1565 herum gebeten, den Text für ihn zu übersetzen. Er stellt gewissermaßen Montaignes erstes literarisches Schaffen dar. In Sabundus Werk gründet der Glauben auf Vernunftgründe und darauf, dass Gott sich sowohl aus dem Buch der Natur als auch aus den Büchern der Bibel ableiten lasse. Der katalanische Philosoph vertrat somit eine rationale Theologie. Obgleich Montaigne mit den inhaltlichen Thesen nicht übereinstimmte, widmete er als zwölftes Kapitel in seinem zweiten Band der Essais, mit der Überschrift Apologie des Raimund Sabundus das umfangreichste Kapitel seines Hauptwerkes.[52] Für Montaigne besteht ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber der menschlichen Anspruch auf Erkenntnis und Vernunft, so dass er in seiner theologischen Auffassung dem Fideismus nahestand. In der Glaubenshaltung des Fideismus wird dem Glauben absoluter Vorrang vor der Vernunft eingeräumt.[53] In seiner Apologie bringt er diese skeptische Position zum Ausdruck; Vernunft sei generell untauglich zur Erkenntnis, da diese unzuverlässig sei.

Die Essais

Titelblatt

Mit seinem Hauptwerk, den Essais, begründete Montaigne die literarische Form des Essays, zu Deutsch in etwa „Versuch“. Es entstand in den Jahren von 1572 bis 1592 und erfuhr schon zu Lebzeiten des Autors vier Auflagen. Am 1. März 1580 wurden die ersten beiden Bände seines Essais in Bordeaux bei Simon Milanges, einem imprimeur ordinaire du Roy verlegt. Die einzelnen Bände der Essais wurden in drei Etappen vollendet, der erste Band zwischen 1572 bis 1573, gefolgt vom zweiten Band in den Jahren zwischen 1577 bis 1580 und schließlich der dritte Band von 1586 bis 1587.[54]

Die einzelnen Abschnitte seiner Essais betrachten unterschiedliche Objekte von ebenso unterschiedlichem Rang und reichen etwa von konfessionellen Streitfragen über die Medizin und Heilkunde, zu grundlegenden Problemen menschlicher Erkenntnis, betrachten das zwischenmenschliche Zusammenleben, Hexenprozesse und Aberglauben, Reiten und Pferde in einer kaleidoskopischen Vielfalt. Leitmotivische Gedanken ergeben sich erst auf den zweiten Blick. Die Essais verändern den Stil des bislang vorherrschenden Traktates.[55]

Montaigne verfolgt in seinem Essais eine eklektische Umgangsweise,[56] angeregt durch antike Autoren und philosophische Schulen, etwa Lukrez und dessen De rerum natura, Cicero, den Epikureern, der Stoa und den Skeptikern fügte er spontanwirkende, assoziative und volatile Einfällen zu anekdotischen Ausführungen zusammen. Montaigne kommentierte die kompilierten Texte und in skeptischer Weise werden diese Ausführungen von Montaigne weiter hinterfragt und gegenübergestellt, um darin seine eigenen Positionen darzulegen.[57]

In dem Zeitraum von 1572 bis 1587 las Montaigne zahlreiche Werke, so Schriften von Gaius Iulius Caesar um das Jahr 1578, Werke von Francisco López de Gómara in der Zeit zwischen 1584 bis 1588, später Texte von Platon und Herodot.[58] Hieraus und aus der Analyse der Essai lassen sich, nach Pierre Villey, die einzelnen Essays bestimmten Abschnitten zuordnen. Die drei Etappen korrespondierten mit einer anfänglich stoischen Phase, gefolgt von einer skeptischen Phase bis zum Jahr 1575 und schließlich eine Phase der Reife in der Montaigne die Medaille mit der Aufschrift „que sais je“ (deutsch was weiß ich) prägen ließ.

Fundamental für das Auftauchen skeptischer Argumentationen in seinen Essais waren Montaignes Auseinandersetzungen mit dem griechischen Arzt und Philosophen Sextus Empiricus, einem Vertreter des Pyrrhonismus. Jene pyrrhonischen Skepsis die auf Pyrrhon von Elis zurückgeht.

In seinem Schreiben zeigt Montaigne eine Entwicklung auf. Zunächst finden sich häufiger Zusammenstellungen von bekannten Textpassagen, loci communes aus der klassischen Literatur, die abgelöst werden von Schilderungen aus seiner persönlichen Erfahrungswelt und letztlich in der Verallgemeinerung einer conditio humana einmünden. Zu der Ergründung der Umstände des Menschseins.[59] Montaigne beschrieb darin innere Empfindungen und soziale Begegnungen sehr präzise.[60] Die Essais folgen dem Bewusstseinsstrom des Autors in die verschiedensten Lebensbereiche. Skepsis gegenüber jeglichen Dogmen, stoische Geringschätzung von Äußerlichkeiten sowie Ablehnung menschlicher Überheblichkeit gegenüber anderen Naturgeschöpfen kennzeichnen die Essais, in denen sich der Autor mit einer Vielzahl von Themen auseinandersetzt: Literatur, Philosophie, Sittlichkeit, Erziehung usw. . In letzterer Hinsicht betonte er den Wert konkreter Erfahrung und unabhängigen Urteilens als Ziele der Bildung junger Menschen.

Montaigne zitierte oder arbeitete in seinen Essais zahlreiche antike Philosophen und Literaten ein. Die am häufigsten eingewobenen Autoren waren Horaz, ferner Plutarch, Martial, Catull, Lucan, Quintilian und neben anderen vor allem Cicero, Lukrez, Seneca, Vergil, Properz, Platon, Ovid, Juvenal.[61] Auffallend ist die Häufigkeit der lateinisch schreibenden Autoren.[62]

„„Wie mein Geist mäandert, so auch mein Stil““

– Essais

– diese Worte sind charakteristisch für die spielerische Offenheit seiner vielfältigen Abschweifungen, der Entwicklung seiner Gedanken. Seine Schriften sind so reichhaltig und flexibel, dass sie von nahezu jeder philosophischen Welle adaptiert werden können. Gleichzeitig widersetzen sie sich noch heute so konsequent jeder konsistenten Interpretation, dass sie eben dadurch deren Grenzen aufzeigen.

Montaigne erweiterte und redigierte seine Essais zeitlebens. In den letzten vier Lebensjahren erhielt er bei seinen literarischen Arbeiten an den Essais Unterstützung von der jungen Adligen Marie de Gournay, welche 1595 die erste Gesamtausgabe der Essais besorgte.

Montaignes Begriff von der Wahrnehmung

Für Montaigne war die sinnliche Wahrnehmung ein höchst unzuverlässiger Akt. Menschen können unter falschen Wahrnehmungen, Illusionen, Halluzinationen leiden; man könne nicht einmal sicher sagen, ob man träumt oder nicht. Obzwar die Sinneswerkzeuge grundlegend für das Wahrnehmen der Welt seien und damit der Erkenntnis vorausgingen, birgt doch jede Sinnesleistung, nach Montaigne, die Gefahr der Täuschung, auch sei die Anzahl der menschlichen Sinnesorgane nicht ausreichend hoch um das Wesen der Dinge zu erfassen. Die Sinne verfälschten das Ergebnis der menschlichen Wahrnehmung in fundamentaler Weise. Damit veränderten sie die Repräsentation der Dinge somit sei die Erscheinung und das eigentliche Sein nicht voneinander zu trennen. Dies werde hervorgerufen durch die Kraft der Affekte, die das sinnlich Wahrgenommene in einem hohen Ausmaß beeinflussten oder gar verfälschten.

Hierin liege das Problem. Denn um zu sagen, ob ein menschlicher Wahrnehmungsinhalt, eine sinnliche Erfahrung als wahr oder falsch zu beurteilen sei, benötigte man ein Kriterium, also ein untrügliches Zeichen der Richtigkeit. Ein solches Kriterium wäre aber nun seinerseits nicht absolut sicher oder vertrauenswürdig, so dass ein zweites Kriterium notwendig sei, um das Ergebnis der ersten Beurteilung zu kontrollieren, um zu sehen, ob es wirklich zuverlässig ist und natürlich ein drittes Kriterium, das das zweite überprüft usw., bis ins Unendliche.

Für Montaigne beruht die Gewissheit sinnlicher Eindrücke deshalb ausschließlich auf den subjektiven Empfindungen. Das Ergebnis des Wahrgenommenen bleibt im Relativen. Über das eigentliche Wesen der Dinge ließ sich keine eindeutigen Aussagen machen. Mit dem Begriff der Erscheinung, apparence schafft nun Montaigne eine begriffliche Möglichkeit. Obzwar der Mensch die Wahrheit der Dinge also solches nicht erkennen kann, ist er doch in der Lage die stetig wechselnden Erscheinungen der Dinge wahrzunehmen.

Montaignes Philosophie des Skeptizismus

Zusammen mit Francisco Sanches, einem siebzehn Jahre jüngeren entfernten Cousin, der ebenfalls am Collège de Guyenne studiert hatte, gilt Montaigne neben seinem Freund und Schüler Pierre Charron als einer der Hauptvertreter der Skepsis in der späten Renaissance.[63]

Als Hauptquelle für Montaignes Skeptizismus gilt die Schrift „Apologie de Raimond Sebond“, die in den Jahren 1575 bis 1580 entstanden ist. (Essais II 12)[64] Die „Theologia naturalis“ des Raymund von Sabunde hatte Montaigne 1569 im Auftrag seines Vaters ins Französische übersetzt. Zudem war er mit den Hauptschriften der antiken Skeptiker Sextus Empiricus und über diesen mit Pyrrhon von Elis gut vertraut.[65] Montaigne verstand die Schrift Sabundes als eine Zusammenfassung der theologischen Position von Thomas von Aquin. Sein Essai war damit auch eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Theologie.[66] Montaigne betonte, dass dem Menschen eine natürliche Gotteserkenntnis versagt bleiben muss. Beweisgründe für eine natürliche Theologie können nicht überzeugen. Daraus folgt aber auch, dass ein Atheismus nicht mit Vernunftgründen verteidigt werden kann. Ziel Montaignes ist es „Hochmut und Stolz des Menschen zuschanden zu machen und zu zertreten.“[67]

Für Montaigne ist der Mensch nicht das Zentrum der Naturordnung. Im Gegenteil: Viele Tiere haben gegenüber dem Menschen eine Reihe von Vorteilen. „Das unglückseligste und gebrechlichste aller Geschöpfe ist der Mensch, gleichzeitig jedoch das hochmütigste.“[68] Hinzu kommt, dass dem Mensch in seinem Drang nach Wissen und Weisheit selbst im christlichen Sinn zum Sündenfall verführt ist. Unter Berufung auf die Bibel (Kol. 2, 8 und 1. Kor. 1) forderte Montaigne einen bewussten Wissensverzicht.[69]

Aus der pyrrhonischen Skepsis leitete Montaigne vor allem die Kritik an der menschlichen Erkenntnisfähigkeit ab.[70] Wahrheit kann der Mensch mit Gewissheit nicht erkennen. Dies liegt vor allem an der Unzuverlässigkeit der Sinne. In gleicher Weise gibt es kein allgemein gültiges Kriterium für rationale Urteile. Durch die skeptische Betrachtung des Wesens der uns umgebenden Dinge, der uns umgebenden Menschen und von uns selbst, werden unsere Vorstellungen befreit von deren Verstellungen. So gelangen unsere Vorstellungen zu einer Unabhängigkeit des Urteils. Deshalb sind die eigenen Erfahrungen nicht nur der beste Weg zur Erkenntnis, sondern auch das eigene Selbst ist das geeignetste Objekt zur Erlangung dieser Unabhängigkeit. Die Introspektion, also die Beobachtung unseres Selbst, lässt uns über die Entdeckung des individuellen Wesens auch das der anderen Menschen verstehen.[71]

Montaigne verstand seinen Skeptizismus jedoch nicht als destruktiv, sondern beschrieb bereits die Absichten Pyrrhons als eine positive Grundeinstellung. „Er [Pyrrhon] wollte sich keineswegs zum fühllosen Stein oder Klotz machen, sondern zu einem lebendigen Menschen, der hin und her überlegt und nachdenkt, der sämtliche natürlichen Annehmlichkeiten und Freuden genießt, der alle seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten betätigt und sich ihrer auf rechtschaffene und wohlgeordnete Weise bedient. Dem eingebildeten und wahnhaften, vom Menschen zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorrecht aber, die Wahrheit festzulegen, zu reglementieren und zu schulmeistern, hat Pyrrhon ehrlichen Herzens entsagt.“[72] Gerade in dieser Haltung sieht etwa Günter Abel einen Grundstein für ein modernes Toleranzdenken.[73] Die skeptische Haltung ist Grundlage, um jede Form von Dogmatismus und Fanatismus kritisch abzulehnen und eine anspruchsvolle Ethik zu entwickeln.[74]

Montaigne und sein Verhältnis zum Sterben „Que philosopher c’est apprendre à mourir“

Platon ließ in seinem Dialog des Phaidon den Philosophen Sokrates bemerken, dass philosophieren Sterben lernen hieße. Auch Marcus Tullius Cicero führte diesen Gedanken in abgewandelter Form an.[75] Für Montaigne, indem er Horaz zitiert, steuern wir alle demselben Ziel, dem Sterben und Tod zu.[76] Aber es war vor allem der Einfluss von Lukrez und dessen De rerum natura auf Montaignes Denken im Allgemeinen und im Speziellen bei der Frage wie sich ein bejahtes Leben und ein Tod in Würde habe vollziehen können.[77]

Der reflektierte oder selbst reflektierende Zeitgenosse, für den sich Montaigne selbst als exemplarisch in seinen Essais eingesetzt hatte, sollte sich darüber bewusst werden, dass er sterblich ist, dass die eigene Lebenszeit begrenzt ist. Daraus leitete er den Schluss ab, diese kurze Lebenszeit nicht mit nebensächlichem Handeln zu vertun.

Für Montaigne ist das Verhältnis zum Tod eingebettet in seine allgemeinen Überlegungen und Reflexionen zur ars vivendi, zur Lebenskunst. Ein zufriedenes und glückliches Leben baute für Montaigne auf den Bereich auf, den die Antike Medizin und insbesondere Galenos mit der Vorstellung der sex res non naturales umschrieben hatte.[78]

Montaigne Todesreflexionen könnten durch einen schweren Reitunfall inspiriert worden sein. In seinem Essay „Über das Üben“ berichtete Montaigne, dass er nach einem Sturz vom Pferd – er war ein passionierter Reiter – für längere Zeit mehr oder weniger bewusstlos war und nicht mehr aktiv bzw. intensiv mit seiner Umgebung kommunizieren konnte. Bemerkenswert war für ihn vor allem aber der Umstand, das er diesen Zustand nicht als unangenehm empfand, „Qui apprendroit les hommes à mourir, leurs appredroit à vivre“ (deutsch Wer die Menschen sterben lehrt, lehrt sie leben).

Rezeption

Schon in einigen späten Dramen Shakespeares – vor allem in Der Sturm – ist der Einfluss von Gedanken Montaignes unverkennbar.[79]

Um das Jahr 1655 führte Blaise Pascal im Kloster Port Royal des Champs Gespräche mit seinem neuen Beichtvater Louis-Isaac Lemaistre de Sacy (1613–1684) hieraus entstanden die Entretien avec M. de Saci sur Épictète et Montaigne (1655), worin er zwischen den beiden Polen der montaigneschen Skepsis und der stoischen Ethik des Epiktets eine Skizze seiner späteren Anthropologie bietet, wie sie in den Les Pensées weiterentwickelt wurde. Für das philosophische, religiöse und schriftstellerische Denken und Handeln von Blaise Pascals war die Auseinandersetzung mit den literarischen Werken des Montaignes von entscheidender Bedeutung. Sichtlich orientierte sich Pascal nicht nur an dem Schreibstil von Montaignes, sondern übernahm auch viele Zitate aus den Essais.[80]

Am 28. Januar 1676 wurden die Essais unter dem Papst Clemens X. auf den Index Librorum Prohibitorum gesetzt.[81] Einer der Beanstandungspunkte der Congregatio Sancti Officii war, dass er sich dort positiv über Niccolò Machiavelli und dessen Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio (1519) ausgesprochen hatte.[82] Diese Indizierung wurde von Papst Pius IX. erst am 27. Mai 1854 aufgehoben.

Seine vorurteilsfreie Menschenbetrachtung und sein liberales Denken leiteten die Tradition der französischen Moralisten der Aufklärung ein und beeinflussten weltweit zahlreiche Philosophen und Schriftsteller nach ihm, unter ihnen Voltaire und Friedrich Nietzsche. Dieser schrieb:

„Daß ein solcher Mensch [sc. Montaigne] geschrieben hat, dadurch ist wahrlich die Lust auf dieser Erde zu leben vermehrt worden. Mir wenigstens geht es seit dem Bekanntwerden mit dieser freiesten und kräftigsten Seele so, daß ich sagen muß, was er von Plutarch sagt: ‚Kaum habe ich einen Blick auf ihn geworfen, so ist mir ein Bein oder ein Flügel gewachsen.‘ Mit ihm würde ich es halten, wenn die Aufgabe gestellt wäre, es sich auf der Erde heimisch zu machen.“

Friedrich Nietzsche: Unzeitgemäße Betrachtungen. Drittes Stück: Schopenhauer als Erzieher (1874)

Montaignes literarische Schaffensphase – von 1570 bis 1592 – fiel in die Zeit der französischen Religionskriege (acht Phasen von Bürgerkriegen zwischen 1562 und 1598). Die Unruhen waren Folge eines schwachen Königtums und religiöser Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Hugenotten, die intensive Gewalterfahrung für Generationen zum Alltag machten, was Montaignes grundlegenden Skeptizismus verstärkt haben mag. Egon Friedell schrieb,

„(…) der Mensch, an der Hand Montaignes auf sich selbst gelenkt, auf die liebevolle und rücksichtslose Erforschung seiner Besonderheiten und Idiotismen, Irrationalismen und Paradoxien, Zweideutigkeiten und Hintergründe, muss notwendigerweise zum Skeptiker werden, indem er erkennt, dass er sich nicht auskennt.[83]

Vermutlich, weil die Gattung später vor allem in England florierte - wo John Florio 1613 die erste Übersetzung der Essais in eine Fremdsprache vorlegte -, dominiert im deutschsprachigen Raum die Schreibung „Essay“.

Die ersten frühen spanischen Teilübertragungen der Essais, genauer des ersten Bandes, wurden von Francisco de Quevedo ausgeführt.

Montaigne und seine Epoche

Die Gascogne bis 1453 und ihre Folgen für Bordeaux

Die Schlacht bei Castillon am 17. Juli 1453 brachte die Entscheidung für das Königreich Frankreich. Sie stellte die entscheidende Auseinandersetzung zugunsten Frankreichs am Ende des Hundertjährigen Krieges zwischen Heinrich VI. von England und Karl VII. dar. Das Gebiet der Gascogne mit ihrem Zentrum Bordeaux geriet nun aus englischem Einflussbereich unter französischer Herrschaft. Am 12. Oktober 1453 wurde das Gebiet völlig von Frankreich erobert. Für die politisch in gewissem Sinne eigenständigen Gascogner war die Eingliederung zu Frankreich mehr eine kulturelle und wirtschaftliche Okkupation. Die Region sprach ihre eigene Sprache, es ist das Gaskognische, eine Unterart des Okzitanischen. Die Rückkehr nach Frankreich wurde von den Untertanen Bordeaux', viele von ihnen waren erfolgreiche Kaufleute, keineswegs begrüßt, da hierdurch die alten Absatzmärkte in England fortfielen.

Das Königreich Frankreich und die entsprechenden Herrschaftsbereiche um das Jahre 1477.

Frankreich sicherte sich seine militärische und politische Präsenz durch den Bau zweier Zwingburgen in Bordeaux, so dem Château Trompette und dem Fort Louis.

Im Jahre 1541 hatte König Franz I. die Salzsteuer, eine indirekte Steuer zu allen Teilen seines Reiches eingeführt. Mehr noch, er verdoppelte die Steuer für Bauernstand, taille und verdreifachte die Salzsteuer, gabelle. Der Südwesten Frankreichs war bis zur Inthronisation von Heinrich II. im Jahr 1547 von der gabelle befreit.

Die Salzsteuer war bei der Bevölkerung geschmäht, da sie vor allem die Grundnahrungsmittel bzw. Produktion betraf. Dadurch war eine Einsparung schlecht möglich und vor allem die armen Bevölkerungsschichten waren unverhältnismäßig mehr belastet. War es doch praktisch unabdingbar ohne Salz auskommen zu wollen. Im Jahre 1548 kam es zu einer Revolte gegen die Salzsteuer, gabelle in der Region Guyenne.

Im Jahre 1548, während der Herrschaft von Heinrich II. kam es in den Dörfer Angoumois und Lorignac zu einer Revolute bei der die Steuereintreiber, gabeleurs von den verärgerten Bauern verjagt wurden. Die Revolte breitete sich über die gesamte Guyenne aus. Am 17. bis zum 22. August 1548 kam es in Bordeaux zu einem Volksaufstand. Ein hoher Militär Tristan de Moneins, lieutenant-général en Guyenne wurde ermordet. Im Oktober 1548 ließ der König unter dem Kommando von Anne de Montmorency, Connétable de France eine Strafexpedition mit einer drei Monate andauernden Schreckensherrschaft ausführen.[84] Die Folgen für Bordeaux und indirekt für die Guyenne waren einschneidend, die Stadt verlor die Berechtigung zur eigenen Gerichtsbarkeit, militärische Einrichtungen und Material wurden beschlagnahmt, das Parlement aufgelöst und die Administration wurde durch Beamte aus anderen Teilen Frankreichs ausgeführt. Die Kosten für die militärische Besatzung durch die königlichen Truppen hatte die Stadt zu entrichten. Im Jahre 1549 brach dann auch noch die Pest aus. Erst Pierre Eyquem de Montaigne, dem Vater von Michel de Montaigne, gelang es im Jahr 1554 als Bürgermeister von Bordeaux mit einer diplomatischen Aktion bei Heinrich II. und durch die Unterstützung von circa zwanzig großen Fässern, tonneau[85] Bordeauxweins wichtige verlorene Stadtrechte zurückzugewinnen.

Frankreich zur Zeit der Religionskriege

Montaignes Geburt und Jugendzeit fällt in die Zeit der Regentschaft von Franz I. . Dieser stammte aus dem Haus Valois und regierte die französische Monarchie von 1515 bis 1547. Während seiner Regentschaft schuf er die Grundlage für den französischen Absolutismus, indem er die Zentralisierung der Macht in Paris vorantrieb und die Macht der Vasallen der Krone brach. Auch die Schaffung und Bündelung neuer Finanzinstitutionen standen in dieser Politik. Franz schaffte veraltete Privilegien ab und setzt sich über andere hinweg, um seine direkte Kontrolle über das Königreich zu verstärken. Seine fortgesetzten Kriege vor allem gegen Italien und seine zahlreichen Bauvorhaben belasteten die Staatskasse und in deren Folge die Steuern erhöht wurden, so auch die indirekte Salzsteuer, gabelle. In den Hugenottenkriegen die in Frankreich zwischen 1562 bis 1598 ausgetragen wurden, ging es nur scheinbar um die Frage der richtigen Glaubenszugehörigkeit. Der französische Adel kämpfte vielmehr um seine Privilegien und Handlungsfreiräumen vor allem gegen die Errichtung einer zentralistischen Monarchie. Auf dem europäischen Schauplatz wiederum war das Bestreben neue Koalitionspartner zu finden, um das als übermächtig eingeschätzte habsburgische Spanien, Philipps II., zu kontrollieren.

Herrschaftsgebiete – im Westen und Südwesten Europas um 1519–1556 – unter Carlos I. König von Spanien von 1516 bis 1556 und Heinrich II. König von Frankreich von 1547 bis 1559; einschließlich das Königreich Navarra, in gelber Farbe unterlegt

Auch in Frankreich gewannen die calvinistischen Protestanten während der Regierungszeit von Heinrichs II. in den Jahren von 1547 bis 1559 unter den Adeligen eine zunehmende Anhängerschaft. Der konfessionelle Konflikt baute im Hintergrund auf die Konkurrenzsituation zwischen dem Haus Valois und dem Haus Guise auf. Es herrschte sechsunddreißig Jahre Bürgerkrieg in Frankreich, der jeweils unterbrochen war durch instabile Friedensverträge mit mehr oder weniger ausgedehnten Zugeständnissen an die calvinistische Kriegspartei. Zu Beginn des Konfliktes waren es der französische Admiral Gaspard II. de Coligny, seigneur de Châtillon und Louis I. de Bourbon, prince de Condé welche die Führungsrollen für die Hugenotten übernahmen, später übernahm Heinrich IV. von Navarra aus dem Haus Bourbon zeitweise eine ähnliche Funktion. Seit dem 18. August 1571 – sechs Tage vor der Bartholomäusnacht – mit der katholischen Prinzessin Margarete von Valois verheiratet.

Das katholische Königtum suchte der Ausbreitung des calvinistischen Glaubens gegenzusteuern. Für die katholische Seite waren es Henri I. de Lorraine, duc de Guise, Katharina von Medici und Heinrich III.

Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen den beiden christlichen Glaubensinterpretationen, also zwischen dem katholischem und protestantischen Glauben, lag in der Auslegung der Eucharistie oder des Abendmahles. Die Katholiken glauben, dass dabei Brot und Wein zum Leib und Blut Christi werden und Jesus so in jeder Messe körperlich anwesend sei, auch darf nur ein geweihter Priester diese konsekrieren. Für den Protestanten sind Brot und Wein beim Abendmahl mehr ein Symbol für Jesu Liebe zu den Menschen. Die Protestanten lehnten ferner die Verehrung Marias und der Heiligen ab, da hierdurch Gottes Ehre geschmälert werden könnte. Hinzu kommt, dass die Calvinisten an die Prädestination glauben. Dies bedeutet, dass bereits vor der Geburt vorherbestimmt ist, wer in den Himmel kommen kann. An dieser Prädestination lässt sich auch durch ein frommes Leben nichts ändern. Im Katholizismus ist es hingegen prinzipiell möglich, dass ein glaubender Mensch trotz zum Teil erheblicher Verstöße gegen ein frommes und sündenloses Leben in den Himmel kommt. Voraussetzung hierzu besteht aber in der Notwendigkeit Buße zu tun.

Nach Heinrich II. Tod im Jahr 1559 verfiel Frankreich unter seinen drei als Könige aufeinander folgenden Söhnen Franz II., Karl IX. und Heinrich III. – die alle mehr oder weniger stark unter dem Einfluss ihrer Mutter Katharina von Medici standen – in eine mehr als vierzigjährige Periode dynastischer Instabilität und religiöser Auseinandersetzungen. Die Regentin Katharina von Medici gewährte den Hugenotten im Jahr 1562 die Freiheit des Gottesdienstes außerhalb der Städte. um ihre eigene Stellung gegenüber den Herzögen von Guise zu festigen. Die Entwicklung eskalierte in dem Blutbad von Wassy (Niedermetzelung der Hugenottengemeinde) zum Erster Hugenottenkrieg, aus dem die Hugenotten gestärkt hervorgingen.

Nach seinem Übertritt zum Katholizismus setzte sich Heinrich IV. von Navarra endgültig auf Frankreichs Thron durch. Als König baute Heinrich IV. das von den Bürgerkriegen zerrüttete Land wieder zu einem französischen Einheitsstaat. Das Edikt von Nantes, das den französischen Reformierten die freie Religionsausübung zusicherte, war einer der maßgeblichsten Erlasse seiner Regierungszeit. Außenpolitisch positionierte er das Land wieder als ernstzunehmende Großmacht und nahm den Kampf Frankreichs gegen das Haus Habsburg wieder auf, um so die Vorherrschaft in Europa zurückzugewinnen.

Ehrungen und museale Ausstellungen

Die Universität Michel de Montaigne Bordeaux III wurde nach ihm benannt. Der Montaigne-Preis[86] der Alfred-Toepfer-Stiftung F.V.S. aus Hamburg wurde 1968 bis 2006 verliehen. Den Preis vergab alljährlich die Eberhard Karls Universität Tübingen und würdigte bedeutende Beiträge zum europäischen Kulturerbe im romanischen Sprachraum.[87]

„Que sais-je?“ (deutsch Was weiß ich?)
Vignette mit Montaignes Wahlspruch

Das Schlösschen Montaigne in Frankreich wurde im 19. Jahrhundert durch einen Brand zum größten Teil zerstört und im Stil der Zeit renoviert. Nur der Turm, in dem Montaignes Bibliothek und Arbeitszimmer war, ist original erhalten und kann besichtigt werden.[88]

Werke

Französisches Original

  • Les Essais de messire Michel, seigneur de Montaigne. Erster und zweiter Band 1580, dritter Band 1588.
  • Journal du voyage de Michel Montaigne en Italie, par la Suisse et l’Allemagne. 1774.

Deutsche Übersetzungen

Vollständige Übersetzungen:

Ausgewählte Essais:

Literatur

Biographien

Sekundärliteratur

Wissenschaftliche Arbeiten

Weblinks

 Commons: Michel de Montaigne – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
 Wikisource: Michel de Montaigne – Quellen und Volltexte
 Wikisource: Michel de Montaigne – Quellen und Volltexte (Französisch)

Einzelnachweise

  1. französisch: Château de Montaigne
  2. Historia Critica Philosophiae, Lipsiae, 1744. Band 4, Ausgabe 2 von Johann Jakob Brucker: books.google.fr
  3. Daniel Ménager: Montaigne et la philosophie de l’ambassade. Bulletin de la Société des Amis de Montaigne (BSAM), VIIIe série, nº 17-18, janvier-juin, 2000, S. 55–68.
  4. Man kategorisiert Montaigne zu den französischen Moralisten einer Strömung oder Textgattung welche sich u. a. durch einen essayistischen Stil und deren Tendenz, das menschliche Verhalten analysieren zu wollen, charakterisiert und nicht durch einen historischen oder zeitlichen Bezug bestimmt ist. Die Bezeichnung stammte von Amaury Duval (1760–1838).
  5. Der Nachname Eyquem war und ist ein recht häufig vorkommender Familienname in der Gironde-Region, der zuweilen auch in der Schreibvariante Yquem erscheint: [1]
  6. Uwe Schultz: Michel de Montaigne. Rowohlt, Reinbek 1989, ISBN 3-499-50442-1, S. 22, 142.
  7. Genealogische Daten der Urgroßeltern
  8. Arthur de Montauban (1467–1478)
  9. Renaud Camus: Demeures de l’esprit II La France du Sud-Ouest. Fayard, Paris 2008, ISBN 978-2-213-64554-4, Kapitel 3.
  10. Biographische Daten des Großvaters
  11. Biographische Daten des Pierre Eyquem de Montaigne
  12. siehe auch Joseph d’Eymard
  13. Mathurin Dreano: La Pensee Religieuse De Montaigne. Éditions Beauchesne, Paris 2000, S. 23.
  14. zeno.orgHeinrich Graetz: Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1890, Band 8, S. 472–482.
  15. So wird ein Moses und Meir Paçagon aus Villanueva de Sigena in Aragon den mütterlichen Vorfahren zugesprochen. Er ließ sich taufen oder wurde zwangsgetauft und nahm den Namen „Lopez de Villanueva“ an. Aus dem aragonesischen Namen wurde dann die französische Form „Louppes de Villeneuve“.
  16. Richard Friedenthal: Entdecker des Ich. Montaigne, Pascal, Diderot. P. Piper, München 1969, S. 24.
  17. Sarah Bakewell: Wie soll ich leben? oder Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten. C. H. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63969-2, S. 102.
  18. Collectif: Montaigne. Éditions Slatkine, Paris / Genéve 2002, S. 39 in books.google
  19. Yves Louagie: Montaigne de lettres et de pierres. S. 16, online (PDF; 10,28 MB)
  20. Alain Ruiz: Présence de l’Allemagne à Bordeaux: du siècle de Montaigne à la veille de la Seconde Guerre mondiale : hommage au Goethe-Institut de Bordeaux, à l’occasion de son 25e anniversaire. Presses Univ de Bordeaux, Bordeaux 1997, ISBN 2-86781-208-9, S. 176.
  21. Donald M. Frame; Michel de Montaigne: The Complete Essays of Montaigne. Stanford University Press, Redwood City, CA 1958 1976, ISBN 0-8047-0486-4, S. 128, Fußnote 7
  22. Richard Friedenthal: Entdecker des Ich. Montaigne, Pascal, Diderot. P. Piper, München 1969, S. 23.
  23. Uwe Schultz: Michel de Montaigne. Rowohlt, Reinbek 1989, ISBN 3-499-50442-1, S. 25.
  24. Jean Lacouture: Michel de Montaigne. Ein Leben zwischen Politik und Philosophie. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-593-36025-X, S. 224.
  25. Théophile Malvezin: Michel de Montaigne Son Origine, Sa Famille. Slatkine, Genève 1970, S. 269.
  26. Jean Lacouture: Michel de Montaigne. Ein Leben zwischen Politik und Philosophie. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-593-36025-X, S. 110.
  27. Mathurin Dreano: La Pensee Religieuse De Montaigne. Editions Beauchesne, 2000, ISBN 2-7010-0252-4, S. 67–69.
  28. Sarah Bakewell: Wie soll ich leben? oder Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten. C. H. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63969-2, S. 89.
  29. Jean Lacouture: Michel de Montaigne. Ein Leben zwischen Politik und Philosophie. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-593-36025-X, S. 145.
  30. Hans Blumenberg: Die Lesbarkeit der Welt. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981, S. 66, vgl, S. 59 f., S. 65.
  31. Alphonse Grün: La vie publique de Michel Montaigne: étude biographique. Slatkine, Genève 1970, S. 178–199.
  32. Christopher Edelman: Michel de Montaigne (1533–1592). In: The Internet Encyclopedia of Philosophy. (IEP) (ISSN 2161-0002)
  33. Elisabeth von Thadden: Das rettende Gespräch mit sich selbst. zeit.de, 15. Dezember 2005, abgerufen am 1. April 2013.
  34. Louis Desgraves, Julien Cain: Ville de Bordeaux. La Vie intellectuelle à Bordeaux aux XVIe et XVIIe siècles. Exposition organisée à la Bibliothèque municipale à l'occasion du 82e Congrès national des Sociétés savantes, Bordeaux, avril-mai 1957, Bibliothèque municipale impr. Clèdes et fils S. 56.
  35. Marie-Luce Demonet; Alain Legros (Hrsg.): L’écriture du scepticisme chez Montaigne. Librairie Droz, Genève 2004, ISBN 2-600-00898-5, S. 284.
  36. Brigitta Cladders: Französische Venedig-Reisen im 16. und 17. Jahrhundert: Wandlungen des Venedig-Bildes und der Reisebeschreibung. Librairie Droz, Genève 2002, ISBN 2-600-00418-1, S. 262.
  37. Jean Lacouture: Michel de Montaigne. Ein Leben zwischen Politik und Philosophie. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-593-36025-X, S. 202.
  38. Die Reisroute 1580–1581
  39. Ansicht von Bordeaux seeseitig; 1550
  40. Biographische Daten von Jacques II de Merville de Pérusse des Cars
  41. Daten von Antoine Prévost de Sansac
  42. Jean Lacouture: Michel de Montaigne. Ein Leben zwischen Politik und Philosophie. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-593-36025-X, S. 232–266.
  43. Jacqueline Boucher: Deux épouses et reines à la fin du xvie siècle : Louise de Lorraine et Marguerite de France.Éd. Université de Saint-Étienne, 1995, S. 175–177.
  44. Bayle St. John: Montaigne the Essayist, a Biography. Vol. 2, 1858, S. 158.
  45. Alexandre Nicolaï: Les belles amies de Montaigne. Dumas, Paris 1950.
  46. Jean de Jaurgains: Corisande d’Andoins comtesse de Guiche et Dame de Gramont. Revue internationale des études Basques. 1–319
  47. Sarah Bakewell: Wie soll ich leben? oder Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten. C. H. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63969-2, S. 321; bzw. michel-montaigne.virtusens.de/
  48. Pierre Villey: Les sources et l’evolution des Essais de Montaigne. Band 2., Hachette, Paris 1908, S. 268 f.
  49. Carlos Spoerhase; Dirk Werle; Markus Wild: Unsicheres Wissen: Skeptizismus und Wahrscheinlichkeit 1550–1850. Band 7 von Historia Hermeneutica, Series Studia Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-021475-8, S. 111.
  50. Michael Metschies: Zitat und Zitierkunst in Montaignes Essais. Librairie Droz, Genève 1966.
  51. Die Gemeinsamkeit zwischen der stoischen und epikureischen Philosophie, ist verkürzt dargestellt; die Beeinträchtigung des Lebensgenusses durch mangelnde Affektkontrolle und dem ungenügenden Verweilen im aktuellen Geschehen. Während nun der Stoiker versucht sei die bedrohlichen Affekte durch wiederholende Konfrontation zu mindern, ist der Epikurer versucht sich auf die positiven Aspekte zu konzentrieren. Hier die meditative Übung, dort die Ablenkung.
  52. Uwe Schultz: Michel de Montaigne. (Rowohlts Monographien 442) Rowohlt, Reinbek 1989, ISBN 3-499-50442-1, S. 44.
  53. Sarah Bakewell: Wie soll ich leben? oder Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten. C. H. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63969-2, S. 136–139.
  54. Danilo Marcondes: Montaigne’s view of skepticism and language in the essais. In: Douglas A. Kibbee (Hrsg.): History of Linguistics 2005: Selected Papers from the Tenth International Conference on History of the Language Sciences (ICHOLS X). 1-5 September 2005, Urbana-Champaign, Illinois. John Benjamins Publishing, 2007, ISBN 978-90-272-4603-5, S. 103 f.
  55. Hugo Friedrich: Montaigne. Francke Verlag, Bern/ München 1967, S. 9.
  56. Rudolf Lüthe: Skepsis, Melancholie, Ironie. Band 14 von Philosophische Plädoyers, LIT Verlag, Münster 2013, ISBN 978-3-643-10529-5, S. 23 f.
  57. Mario Stenz: Montaigne und die Lebenskunst. Ausarbeitung der Frage "Wie soll ich leben?" Grin Verlag, München/ Ravensburg 2006, ISBN 3-640-62597-8.
  58. Pierre Villey: Les sources et l’évolution des Essais de Montaigne. Paris 1908.
  59. Hans Peter Balmer: Montaigne und die Kunst der Frage. Grundzüge der Essais. Franke Verlag, Tübingen 2008, ISBN 978-3-7720-8261-0, S. 14.
  60. Sarah Bakewell: Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten. C. H. Beck, München 2013, ISBN 978-3-406-65629-3.
  61. Susanne Schmarje: Das sprichwörtliche Material in den "Essais" von Montaigne: Band 1: Abhandlungen. Walter de Gruyter, Berlin 1973, ISBN 3-11-002471-3.
  62. Pluralistisch-humanistische Philosophen. Michel de Montaigne, ein mutiger Denker in wirrer Zeit. Online
  63. Richard H. Popkin: The History of Scepticism: From Savonarola to Bayle: From Savonarola to Bayle. Oxford University Press, 2003, ISBN 0-19-535539-3, S. 38 f.
  64. Michel Montaigne: Essais. Übersetzt von Hans Stilett. Eichborn, Frankfurt 1998, S. 217–300; Taschenbuch: dtv, München 2011, S. 165–416.
  65. Rochus Leonhardt: Skeptizismus und Protestantismus: der philosophische Ansatz Odo Marquards. Mohr Siebeck, Tübingen 2003, S. 59.
  66. Rochus Leonhardt: Skeptizismus und Protestantismus: der philosophische Ansatz Odo Marquards. Mohr Siebeck, Tübingen 2003, S. 60.
  67. Michel Montaigne: Essais. Übersetzt von Hans Stilett. Eichborn, Frankfurt 1998, S. 222; Taschenbuch: dtv, München 2011, S. 181.
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  84. Sarah Bakewell: Wie soll ich leben? oder Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten. C. H. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63969-2, S. 73 ff.
  85. 1 Tonneau = 912 Liter
  86. Eva Mellinger, Frank Baasner: Der Montaigne-Preis 1968–2000. (Schriftenreihe „Akzente für Europa“). Christians-Verlag, Hamburg 2003, ISBN 3-7672-1402-4.
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  89. 6 Bände online auf archive.org
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