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Kampflied
Als Kampflied bezeichnet man Lieder herausfordernd selbstbewussten oder hymnenartigen Charakters, die in konflikthaften Situationen von organisierten Kollektiven und Massen zur Einschüchterung des Gegners und zur Stärkung der eigenen Identität Verwendung finden.
Funktion
Kampflieder wurden und werden in Auseinandersetzungen verschiedener Nationen bzw. Staaten, Klassen, ethnischen Gruppierungen, politischen Parteien, Bürgerrechtsbewegungen, Religionen bei Massenveranstaltungen meist unisono im Chor gesungen.[1] Sie wurden oft in historischen Zusammenhängen eigens komponiert, vielfach aber, wie dies bei Volksliedern auch sonst beobachtbar ist, unter Verwendung gängiger Hymnen und Lieder für bestimmte Ereignisse umgestaltet. Dabei dienen sie nicht nur der Demonstration der eigenen Stärke gegenüber dem Gegner, sondern vor allem der Identifikation mit der eigenen Gruppierung und der Bekräftigung der eigenen Zuversicht. Dem Komponisten Hanns Eisler ging es etwa bei vielen seiner Kampflieder darum, „Methoden zu finden auch den Sänger selbst nicht nur als Interpreten zu betrachten, sondern ihn zu revolutionieren“ und „daß es falsch wäre, ein Kampflied nur anzuhören.“[2]
Dass ein einmal bekanntes Kampflied in ganz verschiedenen geschichtlichen Zusammenhängen, sogar von gegensätzlichen politischen Richtungen gleichermaßen verwendet werden kann, zeigt sich am Beispiel des Andreas-Hofer-Liedes. Das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene Lied über das tragische Ende des Anführers der Tiroler Freiheitskämpfe, Andreas Hofer im Jahre 1810 in Mantua wurde vielfach umgetextet. Zuerst wurde die Melodie für zwei Lieder über die Hinrichtung des Mitglieds der Deutschen Nationalversammlung Robert Blum im Anschluss an den Wiener Oktoberaufstand 1848 verwendet, später für Soldatenlieder im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 und im Deutsch-Französischen Krieg von 1870. Eine weitere bekannte Textfassung ist das als Lied der Jugend 1910 in der Zeitschrift Arbeiter-Jugend veröffentlichte und später als Kampflied der Arbeiterjugend verwendete Dem Morgenrot entgegen. Von den Nationalsozialisten beansprucht wurde das historische Lied mit einem Text über die Hinrichtung Albert Leo Schlageter 1923.[3]
Geschichte
Keltischer und germanischer Schlachtengesang ist schon aus der Antike überliefert.[4] Dazu zählt auch weitgehend das Soldatenlied als traditioneller Bestandteil der Militärmusik.
Luthers Choral Ein feste Burg ist unser Gott wurde von Friedrich Engels als „Marseillaise der Bauernkriege“ bezeichnet.[5] Als Ausgangspunkt des modernen Kampflieds ist aber die Französische Revolution mit ihren Massenheeren anzusehen (Marseillaise[6], Ça ira etc).
Ins Umfeld der romantischen nationalistischen Bewegungen in Italien Mitte des 19. Jahrhunderts fällt die Komposition des Kampfliedes Il Canto degli Italiani („Fratelli d’Italia“), der heutigen Nationalhymne Italiens. In Deutschland pflegte in dieser Zeit des erblühenden Nationalismus das Chorwesen, vor allem die Männergesangsvereine und Sängerfeste das zumeist national orientierte politische Kampflied;[7] in der Arbeiterbewegung verbreitete sich das Arbeiterlied.
In den politischen Auseinandersetzungen der 1920er- und 1930er-Jahre wurden zum Teil dieselben Melodien (mit unterschiedlichem Text) als politische Kampflieder der Rechten und Linken eingesetzt, beispielsweise das Lied Auf, auf zum Kampf!.[8] Das vornehmlich in der KP gepflegte Lied der Jugend („Dem Morgenrot entgegen, ihr Kampfgenossen all …“) verwendete die Melodie des Andreas-Hofer-Liedes. Die sentimentale Ballade vom Tod des Kleinen Trompeters existiert ebenfalls in einer „Rotgardisten“- und einer „Hakenkreuzler“-Variante.[9] Aus Brüder, zur Sonne, zur Freiheit wurde schon ab 1927 bei den Nationalsozialisten „Brüder in Zechen und Gruben“[10] und in der SA Brüder formiert die Kolonnen.
Heute werden politische Kampflieder in Europa selten gesungen, im massenhaften (Männer-)Gesang dominieren die „Fußball-Schlachtgesänge“, häufig Varianten bekannter Popsongs. Britische Fans singen aber bei Länderspielen auch den nationalistischen Refrain von Rule, Britannia!.
Liste bekannter Kampflieder
Fußball-Schlachtgesänge
- Go West
- So ein Tag, so wunderschön wie heute!
- Oh, wie ist das schön!
- You’ll Never Walk Alone
- Yellow Submarine
- We Are the Champions
Bürgerlieder
Bürgerrechtsbewegung
- We Shall Overcome, ursprünglich von der amerikanischen Gewerkschafts- und der afro-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung ausgehend, fand das Lied in den 1960er- und 1970er-Jahren Eingang in die westeuropäische Jugend- und Friedensbewegung
- Venceremos, ein politisches Kampflied aus Chile zur Zeit der Unidad Popular hat heute in der spanischsprachigen Welt eine ähnliche Bedeutung wie We Shall Overcome.
Soldatenlieder
Deutsch:
- O Deutschland hoch in Ehren
- Westerwaldlied (Heute wollen wir marschier’n ...)
- Argonnerwaldlied
- Engeland-Lied / Matrosenlied (denn wir fahren gegen Engeland...)
- Panzerlied (Ob´s stürmt oder schneit ...)
- Rußlandlied (Von Finnland bis zum Schwarzen Meer ...)
Britisch:
Russisch/Sowjetisch:
Freiheitslieder
- Vaterlandslied (Der Gott, der Eisen wachsen ließ)
- Die Moorsoldaten
Deutsches Kaiserreich (in quasi offizieller Funktion)
- Die Wacht am Rhein (1840/54)
Kampflieder der Arbeiterbewegung
Siehe auch: Arbeiterlied
- Arbeiterbundeslied
- Der heimliche Aufmarsch
- Einheitsfrontlied
- Brüder, zur Sonne, zur Freiheit
- Die Arbeiter von Wien
- Bandiera rossa
- Lied der Arbeit
- Warschawjanka
- Die Internationale
- Wann wir schreiten Seit’ an Seit’
Kampflieder der „Rechten“
- Vorwärts! Vorwärts! schmettern die hellen Fanfaren bzw. Unsre Fahne flattert uns voran, Lied der Hitler-Jugend
- Horst-Wessel-Lied (Nationalsozialismus)
- Brüder in Zechen und Gruben
- Ein junges Volk steht auf
- Es zittern die morschen Knochen – heute da hört uns Deutschland, Reichsarbeitsdienst
- Siehst du im Osten das Morgenrot – Volk ans Gewehr
- Giovinezza (Italienischer Faschismus)
- Cara al Sol (Franquismus)
Politisch-religiöse Kampflieder
- Bogurodzica, (vermutlich Ende des 14. oder Anfang des 15. Jahrhunderts), anlässlich der Schlacht bei Tannenberg
- Ktož jsú boží bojovníci, Kampflied der Hussiten
- Ein feste Burg ist unser Gott (möglicherweise als Kampflied gegen die vordringenden Osmanen konzipiert)
- The Battle Hymn of the Republic, Kampflied der Unionstruppen im amerikanischen Bürgerkrieg[11]
- Nun danket alle Gott / Choral von Leuthen
Liste bekannter Kampfliederbücher
- Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei, Gau Koblenz-Trier (Hrsg.): Sturm- und Kampf-Lieder für Front und Heimat, Verlag: Propaganda-Verlag Paul Hochmuth, ab 1940/1941, 126 Seiten
- Little Red Songbook
Literatur
- Hilmi Abbas: Altkurdische Kampf- und Liebeslieder. Bechtle, München/Esslingen 1964.
- Walter Blankenburg: Das christliche Kampflied. In: Wilhelm Stählin (Hrsg.): Vom heiligen Kampf. Beiträge zum Verständnis der Bibel und der christlichen Kirche. Stauda, Kassel 1938.
- Günter Hartung: Deutschfaschistische Literatur und Ästhetik: gesammelte Studien, Leipzig 2001
- Diemar Klenke: Der singende deutsche Mann – Gesangvereine und deutsches Nationalbewusstsein von Napoleon bis Hitler. Waxmann, Münster etc. 1998, ISBN 3-89325-663-6 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
Aufnahmen/Tonträger
- Wann wir schreiten Seit an Seit. Hymnen und Kampflieder der Arbeiterbewegung. Audio-CD, Phonica (Das Ohr), 2004
Weblinks
- Nationalsozialistische Kampflieder und ihre „verharmlosten“ Versionen
- Texte von Kampfliedern aus der Zeit der Befreiungskriege von 1813
- Philip Oltermann: Die Mozarts der Fankurve. In: Der Spiegel, 19. April 2007, abgerufen am 21. November 2009
- Sammlung sozialistischer Kampflieder
Einzelnachweise
- ↑ Hans Thomalla, Das Kampflied als musikalisches Material, S. 32f (Memento vom 18. Mai 2015 im Internet Archive) (PDF; 535 kB).
- ↑ Zitiert nach: Hanns Eisler: Musik und Politik. Notizen. Textkritische Ausgabe, herausgegeben von Günter Mayer. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1973, S. 114 und Monica Steegmann: Musik und Industrie. ISBN 3-7649-2156-0, S. 104.
- ↑ Gerlinde Haid: Volkslied. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 5, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2006, ISBN 3-7001-3067-8.
- ↑ Vgl. „Diese Taktik, der Mischkampf, der Schlachtengesang, die Wagenburg, die Gefolgschaft ist den Kelten mit den Germanen gemeinsam.“ Julius Cramer: Die Verfassungsgeschichte der Germanen und Kelten (1906) (vollständig online), siehe speziell Kapitel IV S. 31–36
- ↑ Brief an Schlüter, 1885. In: Karl Marx und Friedrich Engels über Kunst und Literatur. Berlin 1948, S. 241 f. Zitiert nach: Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Band 1. Akademie-Verlag, Berlin-DDR 1955, S. XXXV.
- ↑ komponiert als Chant de guerre pour l’armée du Rhin, also als Kriegslied für die Rheinarmee
- ↑ „Es soll nicht verschwiegen werden, daß in dieser Zeit häufig vaterländisches und patriotisches Liedgut ein Schwerpunkt des Singens darstellte“, heißt es in einer im Web abrufbaren Geschichte des Chorgesanges (Memento vom 9. November 2011 im Internet Archive)
- ↑ Auf, auf zum Kampf! - Text
- ↑ Vgl. Variantenvergleich
- ↑ Zur Umdichtung von Arbeiterliedern durch die NS-Propaganda vgl. Günter Hartung: Deutschfaschistische Literatur und Ästhetik: gesammelte Studien, Leipzig 2001, S. 176 (online in der Google Buchsuche)
- ↑ Das Lied der Konföderierten, Maryland, My Maryland, Schlachtlied der Südstaaten-Konföderation, enthielt den für Kampflieder typischen Appell, „die Ketten der Tyrannen zu sprengen“. Es wurde gesungen zur Melodie von O Tannenbaum
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