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Anthropozän

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Dieser Artikel behandelt das Zeitalter. Siehe auch: Anthropocene, Operntitel.
Eine Satellitenaufnahme der Erde gibt anhand der sichtbar gemachten Lichtverschmutzung einen Eindruck der Größenordnung anthropogener Umweltbeeinflussung
Menschliche Bedürfnisse verursachen unterschiedliche Umwelteinflüsse
Das Schmelzen des arktischen Meereises verläuft schneller, als alle Klimamodelle zeigten, welche Grundlage des 4. IPCC-Sachstandsberichts von 2007 waren

Der Ausdruck Anthropozän (zu altgriechisch ἄνθρωπος ánthropos, deutsch ‚Mensch‘ und καινός ‚neu‘) ist ein Vorschlag zur Benennung einer neuen geochronologischen Epoche: nämlich des Zeitalters, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist.[1]

Der Begriff wurde 2000 vom niederländischen Chemiker und Atmosphärenforscher Paul Crutzen gemeinsam mit Eugene Stoermer[2][3] ins Spiel gebracht: Die beiden Wissenschaftler wollen damit ausdrücken, dass die Menschheit zu einem geologischen Faktor geworden sei.[4] 2002 präzisierte Crutzen in einem Artikel in der renommierten Fachzeitschrift Nature den Begriff als eine „Geologie der Menschheit“. Er modifizierte damit einen Vorschlag des italienischen Geologen Antonio Stoppani, der bereits 1873[5] „Anthropozoische Ära“ beziehungsweise „Anthropozoikum“ als Bezeichnungen für ein neues Erdzeitalter vorgeschlagen hatte: „Eine neue tellurische Macht könne es an Kraft und Universalität mit den großen Gewalten der Natur aufnehmen“. Andere Wissenschaftler verwendeten auch den Begriff „Noosphäre[6] oder Psychozoikum. Auch Hubert Markl verwendet 1995 in seiner Publikation Natur als Kulturaufgabe „Anthropozoikum“ als aktuellen Faunenschnitt für die alleinige Verantwortung des Menschen.[7]

2008 fand die stratigraphische Kommission der Geological Society of London, der weltweit ältesten geowissenschaftlichen Vereinigung, überzeugende Argumente für die These, dass das als Holozän bezeichnete zwischeneiszeitliche Zeitalter mit stabilen Klimaverhältnissen an sein Ende gelangt und in einen stratigraphischen Abschnitt eingetreten sei, für den „in den letzten Millionen Jahren keine Entsprechung zu finden sei“.[8] Hierbei spielen der Anstieg der Produktion von Treibhausgasen,[9] die menschengemachten landschaftlichen Veränderungen, welche in ihrem Umfang derweil die natürliche jährliche Sedimentproduktion erheblich übertreffen, die Übersäuerung der Ozeane sowie die fortdauernde Vernichtung von Biota eine Rolle. Sie warnen davor, dass „die Kombination von Artensterben, weltweiter Artenwanderung und der verbreiteten Verdrängung natürlicher Vegetation durch landwirtschaftliche Monokulturen ein unmissverständliches biostratigraphisches Signal unserer Zeit darstellt. Diese Auswirkungen sind bleibend, da die zukünftige Entwicklung auf den überlebenden (und häufig anthropogen verschobenen) Beständen aufbaut.“[8][10]

Auf dem 35. Internationalen Geologischen Kongress in Kapstadt 2016 bestätigte die 2009 gebildete,[11] vom britischen Paläobiologen Jan Zalasiewicz[12] geleitete[13] und aus derzeit 34 Personen bestehende Arbeitsgruppe zum Anthropozän die Thesen Crutzens und Stoermers.[14][15] Im Mai 2019 beschloss dieses Gremium mit deutlicher Mehrheit, bis 2021 einen ausgearbeiteten Entwurf für die Einführung des Anthropozäns bei der International Commission on Stratigraphy einzureichen, einschließlich eines definitiven geologischen Startpunkts für den Beginn der neuen Epoche.[16]

Zeitliche Einordnung

Auf dem 35. Internationalen Geologischen Kongress in Kapstadt sprach sich 2016 die Arbeitsgruppe zum Anthropozän dafür aus, einen „Golden Spike“ (engl., dt. sinngemäß Goldener Punkt) zu suchen und festzulegen, eine charakteristische Veränderung in den Sedimenten an einem bestimmten Ort („Typlokalität“): Er wird in der Mitte des 20. Jahrhunderts vermutet, dem Zeitpunkt, seit dem der Einfluss der Menschen auf die Erde exponentiell wächst und sehr langlebige Spuren hinterlässt: oberirdische Atombombentests, „Große Beschleunigung“, Bevölkerungswachstum, „Explosion“ des Einsatzes von Erdöl und Kohle, Entwicklung der Erosionsraten, Kunstdüngereinsatz in der Landwirtschaft; Flugasche, Aluminium- und Beton- sowie viele Plastikpartikel in den Sedimenten; globaler Transport von Tier- und Pflanzenarten in bis dato nicht gekanntem Umfang.[14]

Nach einem Vorschlag britischer Geologen von 2008 soll als Beginn des Anthropozäns das Jahr 1800 (der Beginn der Industrialisierung) festgelegt werden.[8] Untersuchungen von Eisbohrkernen ergaben zudem, dass seither die Konzentration von Methan und CO2 zunimmt.[6] Die offizielle Einfügung des Anthropozäns in das chronostratigraphische System der Erde wurde von der International Commission on Stratigraphy in ihrer Working Group on the 'Anthropocene' mehrere Jahre ernsthaft diskutiert.[17] Am 29. August 2016 sprach sich die Arbeitsgruppe schließlich mehrheitlich dafür aus, dass der Einfluss des Menschen auf den Planeten signifikant genug ist um die Einführung einer neuen Epoche in der Erdgeschichte zu rechtfertigen. Für den Beginn der Epoche sprachen sich die Geologen jedoch mehrheitlich für das Jahr 1950 aus.[18][19] Am 16. Juli 1945 wurde in Alamogordo in New Mexico die erste Kernwaffe zu Testzwecken gezündet und damit das Atomzeitalter „eingeläutet“. Dieses Datum wird von den Geowissenschaftlern um Jan Zalasiewicz (* 1954) von der University of Leicester als Beginn für das Anthropozän vorgeschlagen.[20]

2015 stellte für Geologen der University of Leeds hingegen bereits das Jahr 1610 den Beginn des Anthropozäns dar: durch die Einschleppung von Krankheiten in die „Neue Welt“ und das dadurch bedingte Massensterben der indigenen Bevölkerung sei es zu einem markanten Rückgang der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre gekommen, da die von den Ureinwohnern Amerikas genutzten Felder brach lagen und von der Kohlendioxid-fixierenden Vegetation zurückerobert wurden; zudem begann in diesem Zeitraum ein in der Geschichte des Planeten nie zuvor dagewesener Artenaustausch zwischen den naturgemäß bislang weitestgehend isolierten Kontinenten.[21][22]

Beispiele für den Einfluss des Menschen auf die Umwelt

Luftverschmutzung über Indonesien und dem indischen Ozean, Oktober 1997; weiß markiert: von Feuern stammende Aerosole (Rauch) in den unteren Luftschichten; grün, gelb und rot: darüber liegender Smog in der Troposphäre

Der Einfluss des Menschen auf die Umwelt ist durch stark verbesserte Messmethoden und Möglichkeiten der Datenauswertung (EDV, PCs) besser dokumentiert als noch 1945 (am Ende des Zweiten Weltkriegs). Mit dem Beginn des Kalten Kriegs, der 1989/1990 mit dem Fall der Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion endete, begannen die USA und die UdSSR im Rahmen eines Rüstungswettlaufs umfangreiche Aktivitäten zur Erforschung des erdnahen Weltraums. Beide entwickelten Trägerraketen, mit denen Satelliten in erdnahe (und auch geostationäre) Umlaufbahnen starten konnten: Der erste Satellit war Sputnik 1, der von der UdSSR im Oktober 1957 in eine Erdumlaufbahn gestartet wurde. Dieses Ereignis fand weltweite Beachtung und versetzte dem Westen den Sputnik-Schock.

Bald entwickelten beide Seiten immer leistungsfähigere Satelliten. Sie dienten militärischen (Spionagesatellit) und zivilen Zwecken (der Begriff Erdbeobachtungssatellit wird mit zivilen Zwecken verbunden) – viele Forschungen dienten beiden Zwecken zugleich. Einsatzgebiete waren und sind vor allem Meteorologie (Wettersatelliten), Umweltbeobachtung (Umweltsatellit), Kartierung, Geologie.

Artensterben

Hauptartikel: Artensterben

Siehe auch Artenvielfalt, Biodiversität, Insektensterben, Massenaussterben

Nach der International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN, dt. Internationale Naturschutzorganisation) galten 2007 rund 12 % der Arten der Vögel, 20 % der Säugetiere, 29 % der Amphibien und 33 % der Nacktsamer unter den Pflanzen als bedroht. Der „Living Planet Index“ des WWF konstatierte im Mai 2008, dass die Artenvielfalt auf der Erde zwischen 1970 und 2005 um 27 Prozent gesunken sei. Besonders betroffen waren diesen Erhebungen zufolge Land- und Süßwasserbewohner im asiatisch-pazifischen Raum. Laut WWF sind derzeit rund 34.000 Arten vom Aussterben bedroht.

Die Bestände der in den Agrarlandschaften Europas heimischen Brutvogelarten haben zwischen 1980 und 2009, also in dreißig Jahren, um nahezu 50 % abgenommen.[23]

Vielfach wird das derzeitige Artensterben mit den großen Massenaussterben der Vergangenheit verglichen. In den 541 Millionen Jahren des Phanerozoikums kam es neben zahlreichen kleineren Aussterbe-Ereignissen zu fünf Massenaussterben mit einem Artenschwund von 75 Prozent oder darüber. Nach neueren Erkenntnissen ereigneten sich diese ökologischen Krisen in geologisch sehr kurzen Zeiträumen (überwiegend innerhalb von wenigen zehntausend Jahren) und bildeten die gravierendsten Einschnitte in die Biodiversität. Der bedeutsamste Unterschied früherer Massensterben zur derzeitigen Situation ist, dass das aktuelle Artensterben durch eine einzige biologische Art – nämlich den Menschen mit seinen Aktivitäten und seinem Raumanspruch und Ressourcenverbrauch – verursacht wird, wohingegen erdgeschichtliche Faunenschnitte auf den Einschlag kosmischer Objekte (Kometen, Asteroiden) sowie in erheblichem Maße auf den Flutbasalt-Ausstoß magmatischer Großprovinzen zurückgeführt werden.[24] Forscher der nationalen autonomen Universität von Mexiko und der Stanford-Universität gehen davon aus, dass 75 Prozent aller Spezies in einigen Jahrhunderten von der Erde verschwinden werden und dass in den letzten 40 Jahren die Hälfte der Tierwelt durch den Menschen ausgelöscht wurde.[25] Die Weltnaturschutzunion (IUCN) geht davon aus, dass die aktuelle Aussterberate 1.000- bis 10.000-fach über der „normalen“ Hintergrundaussterberate liegt.[26]

Artenverschleppung

Durch menschliche Aktivitäten (Warentransporte, Tourismus, Verkehr) wird eine Vielzahl von Arten auf andere Kontinente und damit in Lebensräume verschleppt, in denen sie ursprünglich nicht heimisch waren. Der gegenwärtige Klimawandel begünstigt oftmals die Anpassung an diese Standorte (zum Beispiel Asiatische Tigermücke, Asiatischer Laubholzbockkäfer). Besonders robuste und expansive Arten, denen in den neuen Biotopen oft natürliche Fressfeinde fehlen, können nach kurzer Zeit große Populationen bilden, einheimische (autochthone) Arten verdrängen und auf diese Weise das ökologische Gleichgewicht nachhaltig beeinflussen oder stören. Beispiele hierfür sind die chinesische Wollhandkrabbe und der Riesen-Bärenklau in Europa, die Katze und Aga-Kröte in Australien sowie die Hausratte weltweit.

Siehe auch: Neobiota

Erschaffung neuer Minerale

Ein die Geologie direkt betreffender Faktor sind neu entstandene Minerale: Derzeit (2017) werden 208 von offiziell 5208 bekannten Mineralen menschlichem Schaffen zugeschrieben, hauptsächlich dem Bergbau. Dadurch sind in den letzten 250 Jahren so viele neue Minerale entstanden wie vermutlich niemals zuvor in der Erdgeschichte.[27]

Klimawandel

Die burning-embers-Grafik aus dem Bericht des IPCC von 2001 (zuletzt aktualisiert 2014), eine häufig im Zusammenhang mit dem 2-Grad-Ziel gezeigte Veranschaulichung der mit steigenden globalen Temperaturen zunehmenden Risiken
Globale Durchschnitts-Temperaturen seit 1880

Der Mensch hat nach gegenwärtigem wissenschaftlichen Verständnis den entscheidenden Anteil an der neuzeitlichen anthropogenen globalen Erwärmung, dem aktuellen Klimawandel. Nach dem 2013/14 erschienenen fünften Sachstandsbericht des IPCC ist der menschliche Einfluss auf die Erwärmung nach der besten Schätzung etwa gleich groß wie die komplette beobachtete Erwärmung während des Zeitraums zwischen 1951 und 2010. Zudem sei es extrem wahrscheinlich, dass die in diesem Zeitraum beobachtete Erwärmung zu mehr als 50 % vom Menschen verursacht wurde.[28]


Der IGBP-Klimawandelindex fasst die Entwicklung der weltweiten Folgen des Klimawandels in eine (steil steigende) Kurve. Darin enthalten ist der Kohlenstoffdioxidgehalt der Erdatmosphäre, die mittlere Temperatur, die Höhe des Meeresspiegels und die Seeeisbedeckung.

Die mögliche Kompensation der weltweit durch den aktuellen Klimawandel verursachten Schäden („Loss and Damage“) zeitigt eine seit Jahrzehnten andauernde, teils heftige internationale Diskussion: Z. B. der „Green Climate Fund“ soll einen Beitrag dazu leisten.


Das Auslösen globaler, möglicherweise abrupt eintretender Kippelemente („Tipping points“) kann unvorhersehbare und nicht mehr umkehrbare Folgen auslösen. Beim Überschreiten des von den Vereinten Nationen ausgegebenen Zwei-Grad-Ziels sind seriöse Vorhersagen über weitere Konsequenzen nicht mehr möglich.[29]

Wesentliche, auch geologisch feststellbare Folgen des Klimawandels sind im Folgenden aufgeführt:

Territorial/auf dem Festland

Abschmelzen der Polkappen
Albedo-Veränderung in Grönland zeigt den Unterschied der reflektierten Strahlung des Jahres 2011 im Vergleich zum Mittelwert der Jahre 2000–2006 (mithilfe des Satelliten MODIS aufgenommene Falschfarbendarstellung)


Abschmelzen von Gletschern
Degradation von Böden
Siehe auch: Versteppung und Desertifikation
Rückgang von Permafrost

Datei:Global Mass Balance from GRACE.ogv

Weltmeere („Ozeane“)

Anstieg der Meeresspiegel
Zwischen 1993 und 2014 stieg der Meeresspiegel um 3,2 mm pro Jahr. Dies sind 50 % mehr, als im Durchschnitt des 20. Jahrhunderts gemessen wurden


Versauerung
Geschätzte Verringerung des pH-Werts an der Meeresoberfläche durch anthropogenes Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre zwischen 1700 und den 1990er Jahren

Mit der Klimaerwärmung verbunden sind weitere Effekte wie eine Zunahme des CO2-Gehalts der Erdatmosphäre sowie die Versauerung der Meere.[30]


Korallenbleiche
Hauptartikel: Korallenbleiche
Veränderung des Sauerstoffgehalts

Seit 1960 hat der Sauerstoffgehalt der Meere weltweit laut Forschern um ca. 2 % abgenommen; verantwortlich dafür wird die Erwärmung der oberen Wasserschichten gemacht.[31]

Veränderung von Meeresströmungen

Der zusätzliche Süßwassereintrag im Zuge der globalen Erwärmung in der Antarktis verändert die Dynamik der „Thermohalinen Zirkulation“;[32] unter anderem mit dem sich verändernden globalen Windregime ist sie ein wesentlicher Faktor für die globalen Meeresströmungen.

Übernutzung oder Verlust zur Verfügung stehender Ressourcen

Summierter Verlauf und Hochrechnung der Weltproduktion von Erdöl nach Studien der ASPO, CERA sowie weiteren Forschern und Verbänden

Einen weiteren Hinweis auf unseren Einfluss auf den Heimatplaneten gibt der „Welterschöpfungstag“: Er gibt an, zu welchem Tag des Jahres die Menschheit hochgerechnet die ihr für dieses Jahr auf der Erde zur Verfügung stehenden Ressourcen verbraucht hat und ist damit ein Maßstab für die Nachhaltigkeit unseres Lebens. 2014 wurde er am 18. August, 2015 am 13., 2016 am 8. August erreicht.[33] 1987 lag er noch auf dem 19. Dezember des Jahres.

Siehe auch: Übernutzung

Böden

Der grassierende globale Verlust, beispielsweise der landwirtschaftlich nutzbaren Böden wird unter anderem auf der jährlichen internationalen „Global Soil Week“ thematisiert. Dabei geht es um Themen wie um Bodendegradation, -erosion, -schutz oder -versauerung. Die weltweite Konkurrenz um verbleibende nutzbare und wertvolle Flächen treibt die Preise für Pacht und Kauf von Land in die Höhe, siehe „Landgrabbing“.

Peakoil

Das englischsprachige „Peak Oil“ bezeichnet das „globale Ölfördermaximum“, den historischen Zeitpunkt der weltweit maximalen Förderrate von Erdöl.

Peak Phosphor

Weltweiter Phosphatabbau seit 1900

Peak Phosphor steht hier als Beispiel für die Endlichkeit des Abbaus und Verbrauchs von Metallen und „Nichtmetallen“, Mineralien und „seltenen Erden“ weltweit.

Peak Sand

Auch Sand ist eine im Zuge der weltweiten Bautätigkeit (siehe Beton) sowie Landerhaltung (bei der Nordseeinsel Sylt) oder Landgewinnung wie in Dubai und Singapur übernutzte Ressource. Seine Gewinnung vom Meeresboden wird zur menschengemachten ökologischen Katastrophe. Die Strände weltweit sind zwischen 1986 und 2008 um 40 m schmaler geworden.[34]

Überfischung

Die weltweite Überfischung der Ozeane ist ein drängendes Problem. Im Weltjahresbericht 2012 fordert die Welternährungsorganisation der UNO (Food and Agriculture Organization of the United Nations/ FAO) eine nachhaltigere Fischereipolitik: Nahezu 30 % der Fischbestände weltweit seien überfischt, ungefähr 60 % an der Ausbeutungsgrenze.[35]

Umgestaltung großer Landflächen

Umweltverschmutzung

Hauptartikel: Umweltverschmutzung


Gewässerverschmutzung

Hauptartikel: Gewässerverschmutzung

Lichtverschmutzung

Die Lichtverschmutzung als Teil der allgemeinen Umweltverschmutzung betrifft durchschnittlich ca. 80 % der Weltbevölkerung, in Europa und den USA sogar 99 % und hat Folgen für Pflanzen- und Tierwelt. Italienische Wissenschaftler von der Universität Padua haben 2001 zusammen mit dem amerikanischen National Geophysical Data Center (NOAA) einen Weltatlas der Lichtverschmutzung erstellt;[38] eine Neuauflage erschien Mitte 2016.[39][40]

Luftverschmutzung

Absichtliche anthropogene Luftverschmutzung: Pick-up beim Rolling Coal, „Rollende Kohle“
Hauptartikel: Luftverschmutzung

In Ländern der Dritten Welt, in Russland, in der Volksrepublik China und anderen Schwellenländern ist die Luftverschmutzung besonders hoch. Etwa 90 % des Ertragsrückgangs beim Weizen in Indien ist auf die direkte Wirkung kurzlebiger Schadstoffe wie Ruß und Ozon zurückzuführen, der Rest auf deren Beitrag zur Erwärmung.[41]

Methan-Konzentration in der Erdatmosphäre seit 800.000 vor unserer Zeit

Beim Einsatz von (ursprünglich als umweltfreundlich angesehenen) Kühlmitteln wie den Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) oder Fluorkohlenwasserstoffen (FKW) entweichen Teile in die Erdatmosphäre, steigen auf und zerstören Teile der stratosphärischen Ozonschicht: Insbesondere über der Antarktis entsteht jährlich ein Ozonloch.

Treibhausgase menschlichen Ursprungs tragen zum Treibhauseffekt bei:


  • Methan trägt 25-mal stärker als CO2[44] und mit rund 20 % zum anthropogenen Treibhauseffekt bei (-> Treibhauspotential). Dabei ist weit mehr Methan in der Erdatmosphäre als jemals während der letzten 650.000 Jahre;[45] die Methan-Konzentration stieg zwischen 2000 und 2006 jährlich um etwa 0,5 Teilchen pro Milliarde, seit da mit einer mehr als zehnfach höheren Rate.[46] Der rasante Anstieg in den letzten Jahren könnte mit der Förderung von Schiefergas durch Hydraulic Fracturing zusammenhängen.[47]
  • Das Treibhauspotential von „Lachgas“ (Distickstoffmonoxid, N2O) ist 298-mal größer als das von CO2.

Radioaktiver Staub

Der Radioaktive Niederschlag von Kernwaffentests in der Atmosphäre seit Juli 1945 und verstärkt bis in die 1960er Jahre ist ein untrügliches Zeichen für die Veränderung der Erde durch den Menschen: In allen Proben, die seitdem weltweit aus der Biosphäre gezogen werden, lassen sich Radionuklide nachweisen, die nie zuvor auf der Erde existiert hatten.[48]


Vermüllung

Die fünf größten zirkulierenden Meeresdriftströme der Erde
„Plastik-Planet“

Plastikteile und deren Zersetzungsprodukte sammeln sich insbesondere in den großen Strömungswirbeln der Weltmeere. In manchen Meeresregionen schwimmen sie dicht an dicht auf der Wasseroberfläche. Dem Nordpazifikwirbel (engl. North Pacific Gyre) hat dieses Phänomen auch den Beinamen Great Pacific Garbage Patch (dt. Großer Pazifikmüllfleck) eingebracht. An der Oberfläche der teilweise auf Nano-Größe zerkleinerten Stücke reichern sich zahlreiche Umweltgifte an.[49][50]

Mikroplastik ist inzwischen auch in Organismen gefunden worden, die sich ausschließlich in Tiefseegräben aufhalten.[51] Dies zeigt, wie umfassend sich der Plastikmüll inzwischen in den Ozeanen verbreitet hat.

Dabei wird eine Kunststofftüte im Durchschnitt lediglich 25 Minuten lang benutzt;[52] ihr Zersetzungsprozess dauert je nach Kunststoffsorte zwischen 100 und 500 Jahre.

Kritik

In der geisteswissenschaftlichen Literatur ist das Konzept auf Kritik gestoßen. Das Anthropozän würde die Rolle des Menschen als aus der Natur herausgehobener Art betonen und gerade keine Alternative zur ungehemmten Umgestaltung der Erde durch den Menschen vermitteln. Im Gegenteil würden die bisherigen Eingriffe des Menschen in Naturkreisläufe zum Anlass oder als Rechtfertigung gebraucht, um – diesmal mit dem Anspruch der Reparatur – erneut, gezielt und mit größeren Zielen ökologische Steuerungsmechanismen zu beeinflussen. Vorschläge des Geoengineerings würden den Menschen endgültig zum Herrscher der Erde machen, auch wenn sie unter dem Aspekt der Verantwortung für frühere Eingriffe und die weitere Entwicklung kommuniziert würden.[53] Stattdessen wäre eine (Re-)Integration des Menschen in die natürliche Umwelt erforderlich, die gerade nicht mit einer herausgehobenen Stellung vereinbar sei.

In seiner Kritik an der Idee des Anthropozäns weist Jürgen Manemann darauf hin, dass dieses Konzept in einem Zivilisationsmodell gründe, das vom Machbarkeits- und Perfektibilitätswahn geprägt sei. Dies zeige sich nicht zuletzt an der inneren Dimension der Idee des Anthropozäns, die auf einen Trans- oder Posthumanismus ziele. Statt mehr Technik und mehr Wissen sei es nötig einen Kulturwandel einzuleiten. Dazu müsste die Zivilgesellschaft in eine Kulturgesellschaft transformiert werden. Das Gegenkonzept zur Idee des Anthropozäns sei eine neue Humanökologie, die Wege zur kulturellen Erneuerung der Menschen aufweise und gleichzeitig daran mitwirke, kreativ neue Strukturen zu entwickeln, die helfen, Grundfähigkeiten zu entwickeln, die es Menschen ermöglichen, angesichts der Klimakatastrophe ein humanes Leben zu führen.[54]

Kritik innerhalb der Erdwissenschaften wird daran festgemacht, dass das Anthropozän keinen global definierbaren Beginn habe, wie es für eine Periodisierung erforderlich ist. Auf verschiedenen Kontinenten hat der Mensch zu unterschiedlichen Zeitpunkten massiv in den Naturhaushalt eingegriffen. In Amerika oder Australien seien Merkmale später aufgetreten als im Nahen Osten oder Südeuropa. Andererseits hätten die Eingriffe des Menschen seit dem Ende der letzten Eiszeit graduell zugenommen, eine scharf umrissene Grenze gebe es nicht. Die dieser Bewertung entsprechende Epoche ist schon anerkannt, nämlich als das Holozän, von dem das Anthropozän abgegrenzt werden solle.[55]

Nicht zuletzt wurde Kritik daran erhoben, dass die Menschheit der Industriegesellschaften sich selbst als geologische Epoche definiert, obwohl die Dauerhaftigkeit der menschlichen Einflüsse auf die Erde oder auch die Anwendbarkeit des Begriffs Mensch (Anthropo-) auf künftige, genetisch optimierte und durch Technologie unterstützte Wesen keineswegs gesichert ist.[56]

Die Deutsche Stratigraphische Kommission schreibt dazu:

„Zum einen geht es darum, ein Anthropozän wie alle anderen Stratigraphischen Einheiten formal mit einem GSSP und Golden Spike zu etablieren. Die DSK hält das für wenig sinnvoll, auch wenn mit dem Eingang in die Lehrbücher die Einheit wesentlich populärer werden könnte. Als informeller Begriff ist sie schon jetzt in aller Munde, so dass die Working Group [of the ‚Anthropocene‘ der Subcommission on Quaternary Stratigraphy der ISC] mit ihrem Vorhaben vermutlich auch von dieser öffentlichen Wirkung angetrieben wird. Man muss aber aufpassen, dass wissenschaftliche Konzepte nicht mit politischen Weltanschauungen vermischt werden. Vielleicht ist es also besser, das Anthropozän auf dem Feld der Geoethik zu platzieren, und nicht auf Stratigraphischen Tabellen.“

E. Mönnig (DSK): „Zur Anthropozän-Debatte.“ 27. Februar 2016

Rezeption

Ausstellungen

Bildung

  • Weltdekade der Vereinten Nationen 2005 bis 2014 – Bildung für nachhaltige Entwicklung, Reinhold Leinfelder: Alles hängt mit allem zusammen – Herausforderungen und Chancen für Bildung für nachhaltige Entwicklung im Anthropozän[61][62]

Kunst

Literatur

Philosophie

  • Luciano Floridi rezipiert den Begriff im 9. Kapitel seines Buches The 4. Revolution (2014) unter der Überschrift Die Kosten und Risiken des Anthropozäns

Wissenschaften

Siehe auch

Literatur

(chronologisch)

Video-on-Demand

Weblinks

Wiktionary: Anthropozän – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Sven Titz: Ausrufung des Anthropozäns: Ein gut gemeinter Mahnruf. In: Neue Zürcher Zeitung vom 4. November 2016
  2. Paul J. Crutzen und Eugene F. Stoermer: The “Anthropocene”. In: IGBP Global Change Newsletter. Nr. 41, 2000-05 S. 17–18 (http://www.igbp.net/download/18.316f18321323470177580001401/1376383088452/NL41.pdf).
  3. Paul J. Crutzen: Geology of mankind (PDF) In: Nature, 415, 2002, 23; sowie neuer: W. Steffen, P.J. Crutzen, J.R. McNeill: The Anthropocene: Are Humans Now Overwhelming the Great Forces of Nature? In: Ambio, 36, 2007, S. 614–621, doi:10.1579/0044-7447(2007)36[614:TAAHNO]2.0.CO;2
  4. C.N. Waters: A Stratigraphical Basis for the Anthropocene. Geological Society of London, 2014, ISBN 978-1-862-39628-9. S. 29.
  5. Corso di geologia del professore Antonio Stoppani Geologia stratigrafica, z. B. Abschnitt 883
  6. 6,0 6,1 Paul J. Crutzen: Die Geologie der Menschheit. In: Paul J. Crutzen u. a.: Das Raumschiff Erde hat keinen Notausgang. 2011, S. 7–10.
  7. Hubert Markl: Natur als Kulturaufgabe. Deutsche-Verlagsanstalt, Stuttgart 1986 (Kapitel 4)
  8. 8,0 8,1 8,2 Jan Zalasiewicz u. a.: Are we now living in the Anthropocene? In: GSA Today. Vol. 18, Nr. 2, Februar 2008, ISSN 1052-5173, S. 4–8, doi:10.1130/GSAT01802A.1.
  9. Eicke R. Weber: Das Ende des glücklichen Gleichgewichts. In: badische-zeitung.de, 5. Januar 2013.
  10. Mike Davis: Wer wird die Arche bauen? In: Paul J. Crutzen u. a.: Das Raumschiff Erde hat keinen Notausgang. 2011, S. 60–92.
  11. Dagmar Röhrlich; Jan Zalasiewicz im Gespräch mit Ralf Krauter: Neue Epoche für die Erde. In: deutschlandfunk.de, 30. Oktober 2010
  12. 2.le.ac.uk
  13. Dagmar Röhrlich: Schafft der Mensch sein eigenes Erdzeitalter? In: deutschlandfunk.de, 8. Januar 2016
  14. 14,0 14,1 Dagmar Röhrlich im Gespräch mit Lennart Pyritz: Das Zeitalter des Menschen: Quasi in Stein gemeißelte Veränderungen. In: deutschlandfunk.de, 29. August 2016, abgerufen am 3. September 2016
  15. Lennartz Pyritz: scilogs.spektrum.de
  16. Meera Subramanian: Anthropocene now: influential panel votes to recognize Earth’s new epoch. In: Nature. Mai 2019. doi:10.1038/d41586-019-01641-5. abgerufen am 24. Mai 2019
  17. quaternary.stratigraphy.org: Working Group on the 'Anthropocene'
  18. Professors Jan Zalasiewicz, Colin Waters: Media note: Anthropocene Working Group (AWG). University of Leicester, 29. August 2016, abgerufen am 1. September 2016 (english).
  19. Anthropozän: Geologen wollen neues Erdzeitalter ausrufen. In: Spiegel Online. 29. August 2016, abgerufen am 31. August 2016.
  20. Wann genau begann das Anthropozän? In: spektrum.de; When did the Anthropocene begin? A mid-twentieth century boundary level is stratigraphically optimal. In: Quaternary International. „Available online 12 January 2015“, abgerufen 18. Januar 2015.
  21. Anthropozän: Wann begann das Erdzeitalter des Menschen? Auf: wissenschaft.de vom 12. März 2015.
  22. Ein neues Erdzeitalter – Geologische Belege für das Anthropozän. In: Neue Zürcher Zeitung, 8. Januar 2016
  23. Dachverband Deutscher Avifaunisten, Bundesamt für Naturschutz, Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (Hrsg.): Vögel in Deutschland 2009. (PDF; 7 MB), Tabelle S. 9: Indikatoren für die Artenvielfalt auf europäischer Ebene (Europas „Wild Bird Indicators“.) (29. Juli 2012)
  24. David P. G. Bond, Stephen E. Grasby: On the causes of mass extinctions. In: Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology. 478, Nr. 15, Juli 2017, S. 3–29. doi:10.1016/j.palaeo.2016.11.005.
  25. Gerardo Ceballosa, Paul R. Ehrlich, Rodolfo Dirzo: Biological annihilation via the ongoing sixth mass extinction signaled by vertebrate population losses and declines. pnas.org doi:10.1073/pnas.1704949114. Nach: DLF24, 11. Juli 2017: Sechstes großes Massensterben der Erdgeschichte (11. Juli 2017)
  26. Klaus Jacob: Die sechste Katastrophe. In: Süddeutsche Zeitung. 31. August 2014.
  27. Menschheit schuf 208 neue Minerale. Scinexx. 2. März 2017.
  28. Climate Change 2014: Synthesis Report. (PDF) Contribution of Working Groups I, II and III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Core Writing Team, R.K. Pachauri and L.A. Meyer (eds.)] IPCC, Geneva 2014, 151 S.
  29. Interview mit Dirk Schindler: 1,5 Grad-Ziel ist utopisch. In: Der Sonntag, 20. November 2016, S. 11
  30. Dagmar Röhrlich: Hitzestress und saures Wasser: Wie Klimawandel und Meeresversauerung die Ökosysteme in die Zange nehmen. In: deutschlandfunk.de, 9. Dezember 2011, abgerufen am 3. September 2016
  31. Sunke Schmidtko, Lothar Stramma, Martin Visbeck: Decline in global oceanic oxygen content during the past five decades. In: Nature. 542, 2017, S. 335, doi:10.1038/nature21399. Weniger Sauerstoff in Ozeanen: Den Fischen bleibt die Luft weg. In: spiegel.de, 16. Februar 2017, abgerufen am 17. Februar 2017
  32. Dagmar Röhrlich: Antarktis: Der Antrieb der globalen Meereszirkulationen schwächelt. In: deutschlandfunk.de, 31. August 2016, abgerufen am 3. September 2016
  33. overshootday.org
  34. Dagmar Röhrlich: Bakterien sollen Strände vor Erosion schützen. In: deutschlandfunk.de, 17. November 2016, abgerufen am 25. November 2016
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