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Europäische Union

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EU ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Weitere Bedeutungen von „Europäische Union“, „EU“, „Eu“ und „eu“ finden sich unter EU (Begriffsklärung).

Vorlage:Infobox Europäische Union

Die Europäische Union (EU) ist ein aus 27 europäischen Staaten bestehender Staatenverbund. Seine Bevölkerung umfasst über eine halbe Milliarde Einwohner. Der von den EU-Mitgliedstaaten gebildete Europäische Binnenmarkt ist der am Bruttoinlandsprodukt gemessen größte gemeinsame Markt der Welt. Seit dem Vertrag von Lissabon besitzt die Europäische Union eine eigene Rechtspersönlichkeit und verfügt seither über ein Rede- und Einsichtsrecht bei den Vereinten Nationen.[1]

Das politische System der EU, das sich im Zuge der europäischen Integration herausgebildet hat, basiert auf zwei Grundverträgen, dem Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag). Es beinhaltet sowohl supranationale (überstaatliche) als auch intergouvernementale (zwischenstaatliche) Elemente. Während im Europäischen Rat und im nach Fachressorts aufgeteilten Rat der Europäischen Union (Ministerrat) die nationalen Regierungen vertreten sind, repräsentiert das Europäische Parlament bei der Rechtsetzung der EU unmittelbar die Unionsbürger. Die Europäische Kommission als Exekutivorgan und der Gerichtshof der Europäischen Union als Rechtsprechungsinstanz sind ebenfalls supranational.

Die Anfänge der EU gehen auf die 1950er Jahre zurück, als zunächst sechs Staaten die Europäischen Gemeinschaften gründeten. Eine gezielte wirtschaftliche Verflechtung sollte nach dem Zweiten Weltkrieg neue militärische Konflikte für die Zukunft unmöglich machen und durch den größeren Markt das Wirtschaftswachstum beschleunigen. Im Lauf der folgenden Jahrzehnte traten in mehreren Erweiterungsrunden weitere Staaten den Gemeinschaften bei. Mit dem Vertrag von Maastricht gründeten die EG-Mitgliedstaaten 1992 die Europäische Union, die nun auch Zuständigkeiten in nichtwirtschaftlichen Politikbereichen besaß. In mehreren Reformverträgen, zuletzt im Vertrag von Lissabon, wurden die supranationalen Kompetenzen nochmals ausgebaut, zugleich wurden die gemeinsamen Institutionen schrittweise demokratisiert.

Innerhalb der EU bilden 17 Staaten die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Sie haben seit 1. Januar 2002 eine gemeinsame Währung, den Euro. Mit dem Ziel eines europaweiten Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts arbeiten die EU-Mitgliedstaaten auch in der Innen- und Justizpolitik zusammen. Durch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik bemühen sie sich auch um ein gemeinsames Auftreten gegenüber Drittstaaten. Die Europäische Union hat Beobachterstatus in der G8, ist Mitglied in der G20 und vertritt ihre Mitgliedstaaten in der WTO.

2012 wurde der Europäischen Union der Friedensnobelpreis „für über sechs Jahrzehnte Beitrag zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa“ zuerkannt.[2]

Mitgliedstaaten

Gründungsmitglieder

Ursprung der heutigen Europäischen Union waren die 1951 und 1957 gegründeten Europäischen Gemeinschaften (EGKS, EWG und Euratom). Ihre Mitgliedstaaten waren Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und das Königreich der Niederlande.

Drei dieser Gründungsmitglieder – Belgien, die Niederlande und Luxemburg – beschlossen 1958 mit dem Benelux-Vertrag eine nochmals intensivierte Wirtschaftsgemeinschaft, die dem 1993 verwirklichten Europäischen Binnenmarkt als Vorbild dienen konnte.

Eine gewisse Bedeutung ist dieser Ausgangssituation immer noch zuzusprechen: So gelten die sechs Gründungsmitglieder im Allgemeinen als mögliche Integrationsvorreiter bei verschiedenen Konzepten einer abgestuften Integration (siehe: Europa der zwei Geschwindigkeiten).

Erweiterungen

Entwicklung von 1952 bis 2007

1973 traten der Europäischen Gemeinschaft in der ersten Norderweiterung das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark bei. In Norwegen, das ebenfalls einen Beitrittsvertrag unterschrieben hatte, wurde dessen Ratifizierung in einem Referendum von der Bevölkerung abgelehnt.

In den 1980er Jahren folgten Griechenland (1981), Portugal und Spanien (beide 1986) als Neumitglieder. Diese Staaten hatten teils schon seit langem eine Annäherung an die Europäischen Gemeinschaften gesucht, waren jedoch wegen ihrer autoritären Regierungen nicht zugelassen worden. Erst nach erfolgreichen Demokratisierungsprozessen konnten sie beitreten.

Mit der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 vergrößerte sich die Zahl der Bürger innerhalb der Europäischen Gemeinschaft um die rund 16 Millionen neuen Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland, deren Staatsgebiet sich seitdem auch auf die Fläche der ehemaligen DDR erstreckt.

Schweden, Finnland und Österreich wurden 1995 mit der zweiten Norderweiterung in die kurz zuvor gegründete Europäische Union aufgenommen. Die Norweger stimmten 1994 trotz erneuter Regierungsbemühungen in einem Referendum wieder gegen den Beitritt.

Mit der ersten Osterweiterung traten am 1. Mai 2004 zehn Staaten der Europäischen Union bei. Darunter waren acht ehemals kommunistische mittel- und osteuropäische Staaten (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowenien, Slowakei und Ungarn), sowie der im Mittelmeer gelegene Inselstaat Malta und die geographisch zu Asien gehörende Insel Zypern, wobei bei letzterer faktisch nur der griechische Südteil der Insel aufgenommen wurde. Am 1. Januar 2007 wurden als 26. und 27. Mitgliedstaat Rumänien und Bulgarien in die Union aufgenommen. Durch diese Erweiterung war die Bevölkerung in der Europäischen Union auf fast eine halbe Milliarde Menschen angewachsen.

Neben diesen Erweiterungen kam es in einigen wenigen Fällen auch zu einer Verkleinerung der Gemeinschaft. So war das ursprünglich zu Frankreich gehörende Algerien nach seiner Unabhängigkeit 1962 nicht mehr Teil der EG. Das zu Dänemark gehörende autonome Grönland trat 1985 als bisher einziges Territorium nach einem Referendum aus der Gemeinschaft aus.

Mitgliedstaaten

Folgende 27 Staaten sind Mitglieder der Europäischen Union (in Klammern der von der EU genutzte Code nach ISO 3166):

Vorlage:Imagemap Mitgliedstaaten der Europäischen Union

BelgienBelgien Belgien (BE) ItalienItalien Italien (IT) RumänienRumänien Rumänien (RO)
BulgarienBulgarien Bulgarien (BG) LettlandLettland Lettland (LV) SchwedenSchweden Schweden (SE)
DanemarkDänemark Dänemark (DK) LitauenLitauen Litauen (LT) SlowakeiSlowakei Slowakei (SK)
DeutschlandDeutschland Deutschland (DE) LuxemburgLuxemburg Luxemburg (LU) SlowenienSlowenien Slowenien (SI)
EstlandEstland Estland (EE) MaltaMalta Malta (MT) SpanienSpanien Spanien (ES)
FinnlandFinnland Finnland (FI) NiederlandeNiederlande Niederlande (NL) TschechienTschechien Tschechien (CZ)
FrankreichFrankreich Frankreich (FR) OsterreichÖsterreich Österreich (AT) UngarnUngarn Ungarn (HU)
GriechenlandGriechenland Griechenland (GR) PolenPolen Polen (PL) Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich (GB)
IrlandIrland Irland (IE) PortugalPortugal Portugal (PT) Zypern RepublikRepublik Zypern Zypern (CY)

Für spezielle Gebiete der Europäischen Union gelten besondere Regelungen.

Zur EU gehören die außereuropäischen Gebiete einiger Mitgliedstaaten. Für andere von EU-Mitgliedstaaten abhängige Gebiete gelten allerdings weitreichende Ausnahmeregelungen, unter anderem für die Isle of Man und die Kanalinseln, die von den meisten EU-Politikbereichen ausgenommen sind.[3] Man unterscheidet dabei verschiedene Grade der Integration:

Karte des räumlichen Geltungsbereichs der EU-Verträge nach Art. 355 AEUV mit den assoziierten Gebieten sowie den EU-Gebieten in äußerster Randlage
  • Die meisten anderen überseeischen Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gehören den Verträgen entweder an oder sind diesen assoziiert. Rechtsgrundlage dafür ist Art. 198 AEUV, nach dem die Europäische Union das Ziel der Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und die Herstellung enger Wirtschaftsbeziehungen mit den assoziierten Ländern und Hoheitsgebieten ins Auge fasst. Nach Art. 200 AEUV sind diese Gebiete auch Teil der europäischen Zollunion.
  • Daneben gibt es auch Hoheitsgebiete, die nicht Teil der EU sind, für die jedoch die Bestimmungen der Zollunion gelten. Hierzu gehören namentlich für Großbritannien: Guernsey, Jersey und die Isle of Man.
  • Schließlich wurden für autonome Gebiete mit ausgeprägter regionaler Identität Sonderregelungen geschaffen, die weder eine Zugehörigkeit zur Europäischen Union noch nach Art. 3 Abs. 1 des Zollkodex der EU zu deren Zollgebiet vorsehen. Hierzu gehören die dänischen Autonomiegebiete Färöer und Grönland sowie das französische Überseegebiet Saint-Pierre und Miquelon

Insgesamt umfassen die Staatsgebiete der derzeitigen Mitgliedstaaten zusammen eine Grundfläche von 4.324.782 km².[4] Die Küstenlinie beträgt im Ganzen 65.992,9 km. Auf dem europäischen Festland haben die EU-Staaten Außengrenzen mit insgesamt 16 Nicht-Mitgliedstaaten,[4] darüber hinaus auf dem afrikanischen Kontinent mit Marokko und in Südamerika mit Brasilien und Suriname.

Die Bevölkerung der Mitgliedstaaten beträgt zusammengerechnet rund eine halbe Milliarde Menschen. Während die natürliche Population vorwiegend stagniert oder sogar zurückgeht, ist es vor allem die Immigration, die die Bevölkerung auf einem stabilen Niveau hält.[5] Neben den 23 Amtssprachen der Europäischen Union gibt es noch eine Vielzahl von Regional- und Minderheitensprachen in Europa.[6]

Beitrittskandidaten

  • Mitgliedstaaten
  • Beitrittskandidaten
  • Beitrittsantrag gestellt
  • Beitritt per Referendum abgelehnt
  • Antrag eingefroren
  • Antrag von EG abgelehnt
  • Nach Art. 49 EU-Vertrag kann jeder europäische Staat, der die Werte der EU achtet und sich für ihre Förderung einsetzt, die EU-Mitgliedschaft beantragen. Nach gängigem Verständnis ist die Bezeichnung „europäisch“ dabei im weiten Sinn zu verstehen und schließt etwa auch die geografisch in Asien liegenden Mitglieder des Europarats ein. Der Beitritt kann jedoch nur dann vollzogen werden, wenn die sogenannten Kopenhagener Kriterien (insbesondere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit) erfüllt sind.[7] Um diese Bedingungen zu erfüllen, gewährt die EU den Beitrittskandidaten sowohl beratende als auch finanzielle Hilfen.[8] Im Rahmen von Beitrittspartnerschaften wird so auf die Angleichung an EU-Standards hingearbeitet. Damit verbunden ist auch ein Twinning-Prozess mit Kooperationshilfen für den Verwaltungsaufbau. Hierzu werden mit den potenziellen Bewerberländern Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) abgeschlossen, die den Beitrittsprozess vorbereiten. Den Abschluss eines Beitrittsverfahrens bildet ein Beitrittsvertrag, der von allen EU-Mitgliedstaaten, dem Beitrittskandidaten und dem Europäischen Parlament ratifiziert werden muss.

    Grundsätzlich wird in der Fachterminologie zwischen „Beitrittskandidaten“ und „potenziellen Beitrittskandidaten“ unterschieden. Aktuell gibt es sechs Beitrittskandidaten. Seit 2005 wird mit Kroatien und der Türkei verhandelt. Am 10. Juni 2011 empfahl die Europäische Kommission dem Rat, Kroatien aufzunehmen. Beim EU-Gipfel am 8. Dezember 2011 in Brüssel wurde der 1. Juli 2013 als Beitrittsdatum für Kroatien festgelegt. Im Dezember 2005 wurde Mazedonien der Status eines Beitrittskandidaten zuerkannt, wobei der Termin für den Beginn der Verhandlungen noch offen ist. Der vierte aktuelle Beitrittskandidat, der EFTA-Staat Island, beantragte am 17. Juli 2009 die EU-Mitgliedschaft[9] und bekam am 17. Juni 2010 den Kandidatenstatus zugesprochen.[10] Montenegro wurde im Dezember 2010, genau zwei Jahre nach der Antragstellung ebenfalls zum offiziellen Kandidaten ernannt.[11][12]

    Albanien und Serbien reichten im April bzw. Dezember 2009 ihre Beitrittsanträge ein. Serbien wurde am 1. März 2012 formal als Beitrittskandidat anerkannt.[13] Ein weiteres potenzielles Bewerberland auf dem westlichen Balkan ist Bosnien und Herzegowina. Mit ihm wurde ebenso wie mit Serbien ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen bereits unterzeichnet, teilweise jedoch noch nicht von allen EU-Mitgliedern ratifiziert.[14] Eine Sonderrolle nimmt Kosovo ein, dessen Unabhängigkeit nicht von allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt wird.

    Es bestehen Überlegungen, weitere Länder in die EU aufzunehmen. Die EFTA-Staaten könnten mittelfristig beitreten, falls es von den betreffenden Ländern gewünscht wird. Langfristige Beitrittsperspektiven haben osteuropäische Staaten wie die Ukraine. Von Staaten des Kaukasus werden den drei Mitgliedern des Europarates (Armenien, Aserbaidschan und Georgien) Chancen eingeräumt, deren Zusammenarbeit mit der EU im Rahmen der Östlichen Partnerschaft vertieft werden soll.

    Nachbarstaaten mit besonderen Beziehungen

    Europäische Zwergstaaten mit besonderem EU-Rechtsstatus

    Außer zu den Beitrittskandidaten unterhält die Europäische Union auch zu einigen anderen Nachbarstaaten besondere Beziehungen. Dies betrifft insbesondere Norwegen und Liechtenstein. Diese Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) schlossen sich 1994 mit der EU im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zusammen, der eine Erweiterung des Europäischen Binnenmarkts ist. Durch das EWR-Abkommen gelten die Binnenmarktregelungen der EU auch für die EFTA-Länder – allerdings ohne dass diese in den EU-Organen mitentscheiden können. Sie haben lediglich in gemeinsamen EWR-Ausschüssen auf parlamentarischer oder ministerieller Ebene ein Anhörungsrecht. Die beiden Staaten sind damit wirtschaftlich, aber nicht politisch in die Strukturen der EU integriert. Auch Island ist bis zum Abschluss seiner EU-Beitrittsverhandlungen noch Mitglied in der EFTA und damit bereits jetzt Teil des Europäischen Wirtschaftsraums. Alle drei EWR-Staaten sind zudem auch Mitglied des Schengener Abkommens.

    Das vierte EFTA-Mitglied, die Schweiz, entschied sich 1992 gegen den Beitritt zum EWR. Stattdessen wurden mehrere bilaterale Verträge zwischen der Schweiz und der EU geschlossen, die unter anderem die Personenfreizügigkeit und den Beitritt der Schweiz zu den Abkommen von Dublin und Schengen betreffen, aber auch wirtschaftliche Fragen wie die Beseitigung bestimmter nichttarifärer Handelshemmnisse. Außerdem unterstützte die Schweiz die EU-Osterweiterung 2004 durch die Kohäsionszahlung von einer Milliarde Schweizer Franken, verteilt auf zehn Jahre.

    Besondere politische und wirtschaftliche Beziehungen unterhält die EU außerdem zu den europäischen Zwergstaaten in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Diese besonderen Vertragsverhältnisse zu Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino und dem Staat Vatikanstadt sollen vor allem deren territorialer und damit arbeitsmarktabhängiger Verbundenheit zu den EU-Nachbarländern Spanien, Frankreich, Italien oder Österreich gerecht werden. Mit Andorra, Monaco, San Marino und der Vatikanstadt, die den Euro nutzen, bestehen zudem besondere Währungsvereinbarungen. Liechtenstein verwendet hingegen weiterhin den Schweizer Franken.

    Mit den übrigen Nachbarstaaten im Süden und Osten ist die EU durch die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) verbunden. Anders als die Beziehungen zu den EFTA-Mitgliedern und zu den assoziierten Kleinstaaten läuft die ENP jedoch vollständig im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (siehe unten) ab.

    Politisches System

    Hauptartikel: Europarecht

    Das politische System der Europäischen Union hebt sich von einzelstaatlichen politischen Systemen deutlich ab. Als supranationaler Zusammenschluss souveräner Staaten besitzt die EU anders als ein Staatenbund eigene Souveränitätsrechte; andererseits haben die EU-Institutionen keine Kompetenzkompetenz – anders als ein Bundesstaat kann die EU also die Verteilung der Zuständigkeiten innerhalb ihres Systems nicht selbst gestalten. Gemäß dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung dürfen die EU-Organe nur in den Bereichen tätig werden, die in den Gründungsverträgen ausdrücklich genannt sind. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat daher im Maastricht-Urteil 1993 den neuen Begriff Staatenverbund geprägt, um die EU staatsrechtlich zu charakterisieren.

    Die beiden wichtigsten Verträge, auf denen die EU derzeit basiert, sind der Vertrag über die Europäische Union und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (früher EG-Vertrag). Man bezeichnet sie deshalb als europäisches Primärrecht. Das gesamte Sekundärrecht, das die EU selbst gemäß ihren eigenen Rechtsetzungsverfahren erlässt, ist aus diesen Verträgen und den darin genannten Kompetenzen abgeleitet.[15] Durch die Rechtspersönlichkeit, die die EU seit dem 1. Dezember 2009 besitzt, kann sie jedoch als Völkerrechtssubjekt in eigenem Namen (wenn auch grundsätzlich nur auf einstimmigen Beschluss des Rats für Auswärtige Angelegenheiten) internationale Verträge und Abkommen unterzeichnen. Über den neu geschaffenen Europäischen Auswärtigen Dienst kann sie diplomatische Beziehungen mit anderen Staaten aufnehmen und die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen – etwa dem Europarat oder den Vereinten Nationen – beantragen.

    Neben der EU gibt es außerdem die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom), die auf einem eigenen, 1958 geschlossenen Gründungsvertrag (dem Euratom-Vertrag) basiert. Nach der Auflösung von EGKS und EG ist die Euratom die letzte der noch bestehenden Europäischen Gemeinschaften. In ihren Strukturen ist sie jedoch vollständig an die EU angegliedert und teilt auch ihre Organe mit dieser.

    Hauptsächliche Arbeitsmethoden

    Je nach Politikfeld hat die EU unterschiedliche Kompetenzen und Abstimmungsverfahren. Grundsätzlich sind die Rechtsakte, die gemäß den Rechtsetzungsverfahren der EU von den europäischen Institutionen – Kommission, Rat und Parlament – beschlossen werden, bindend.[16] Da hier auch die Regierungen einzelner Staaten überstimmt werden können, spricht man von der supranationalen (überstaatlichen) Gemeinschaftsmethode. In einigen Politikfeldern, etwa der Handelspolitik, wird zwar einstimmig abgestimmt, die Beschlüsse sind dann jedoch bindend und können von den einzelnen Staaten nicht widerrufen werden.

    Andere Bereiche, in denen die EU keine Rechtsetzungskompetenz hat, sind von rein intergouvernementalen (zwischenstaatlichen) Entscheidungsmechanismen gekennzeichnet. Das betrifft vor allem die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP): Hier handelt es sich um eine bloße Zusammenarbeit zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten, wobei alle Entscheidungen einstimmig zu treffen sind und auch nicht unmittelbar Rechtsgültigkeit haben.[15]

    Das dritte Verfahren neben Gemeinschafts- und intergouvernementaler Methode ist schließlich die offene Methode der Koordinierung, das in einigen Bereichen angewandt wird, für die die EU keine eigene Rechtsetzungskompetenz hat. Hier finden keine formalen Entscheidungen, sondern nur eine informelle Abstimmung der Mitgliedstaaten im Rat statt; die Kommission wird nur unterstützend tätig.

    Zu den supranationalen Politikfeldern der EU gehören unter anderem die Zollunion, der Europäische Binnenmarkt, die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, die Forschungs- und Umweltpolitik, das Gesundheitswesen, der Verbraucherschutz, Bereiche der Sozialpolitik sowie der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, der Aspekte der Innen- und Justizpolitik umfasst, unter anderem die Einwanderungspolitik, die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen und die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen.

    Die supranationalen Kompetenzen der EU in diesem Kernbereich zeigen sich in mehrfacher Hinsicht:

    • Der Rat der Europäischen Union entscheidet hier meist nach dem Mehrheitsprinzip. Die Veto-Möglichkeiten der einzelnen Mitgliedstaaten sind stark eingeschränkt; in den meisten Politikfeldern können sie durch eine qualifizierte Mehrheit überstimmt werden.
    • Das supranationale Europäische Parlament hat in den meisten Politikbereichen volle legislative Mitspracherechte. Die Regierungen der Mitgliedstaaten können hier also nicht gegen den Willen des Parlaments Recht setzen.
    • Bestimmte exekutive Tätigkeiten in der EU sind vollständig der Europäischen Kommission überlassen. Dadurch wird deren Unabhängigkeit gegenüber den nationalen Regierungen besonders deutlich.
    • Das EU-Recht hat eine hohe Bindungswirkung: EU-Verordnungen sind unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedstaaten; bei EU-Richtlinien sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, sie in das jeweilige nationale Recht umzusetzen (auch wenn die genaue Form den Einzelstaaten überlassen bleibt). Dabei gilt zwingend die Gerichtsbarkeit der Gerichte der Europäischen Union mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) an der Spitze.[17]

    Am Zustandekommen von Rechtsakten der EU nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren sind die Europäische Kommission (alleiniges Initiativrecht), der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament beteiligt. Dabei wird zwischen EU-Verordnungen (ohne nationalen Umsetzungsakt unmittelbar in den Mitgliedstaaten gültig), EU-Richtlinien (erst ab der Umsetzung in nationales Recht bindend) und EU-Beschlüssen (jeweils Rechtsakt im Einzelfall, ähnlich einem Verwaltungsakt) unterschieden.

    Organe

    Das institutionelle Gefüge der EU ist seit ihren Anfängen 1952 im Wesentlichen konstant geblieben, allerdings veränderten sich die Kompetenzen der Organe im Einzelnen mehrmals. Rechtliche Grundlage für die Institutionen sind Titel III des EU-Vertrags sowie der Sechste Teil des AEU-Vertrags.

    In vielerlei Hinsicht zeigt die EU typische Züge eines föderalen Systems, mit der Kommission als Exekutive und einer zweiteiligen Legislative aus dem Europäischen Parlament als Bürger- und dem Rat als Staatenkammer. Die wichtige Rolle des Rates orientiert sich an dem Konzept des Exekutivföderalismus, das auch die Bundesrepublik Deutschland prägt und weniger auf eine klassische Gewaltenteilung als auf Politikverflechtung abzielt. Im Vergleich mit den Gepflogenheiten in föderalen Nationalstaaten ist in der EU jedoch der Einfluss der unteren Ebene (hier also der Regierungen der Mitgliedstaaten) größer: So werden beispielsweise die Kommissionsmitglieder nicht vom Europäischen Parlament gewählt, sondern von den nationalen Regierungen nominiert und müssen vom Parlament nur bestätigt werden. Eine Besonderheit ist ferner der Europäische Rat, der alle drei Monate stattfindende Gipfel der Staats- und Regierungschefs. Diese Institution soll nach dem EU-Vertrag die allgemeinen politischen Leitlinien der Union vorgeben. Sie hat damit sehr großen Einfluss auf die Entwicklung der Union, obwohl sie formal nicht in deren Rechtsetzungsprozess eingebunden ist.

    Europäischer Rat

    Herman Van Rompuy, Präsident des Europäischen Rates

    Der Europäische Rat (Art. 15 EUV und Art. 235 f. AEUV) setzt sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten der Europäischen Kommission zusammen, wobei der Kommissionspräsident nur beratende Funktion hat. Er wird vom Präsidenten des Europäischen Rates geleitet, der auf zweieinhalb Jahre ernannt wird. Der Europäische Rat legt Leitlinien und Ziele der europäischen Politik fest, ist jedoch nicht in die alltäglichen Verfahren eingebunden. Abstimmungen im Europäischen Rat werden grundsätzlich „im Konsens“ getroffen, also einstimmig, lediglich bestimmte operative Entscheidungen werden nach dem Mehrheitsprinzip gefällt. Der Europäische Rat versammelt sich mindestens viermal im Jahr und tagt generell in Brüssel.

    Rat der Europäischen Union

    Der Rat der Europäischen Union (Art. 16 EUV und Art. 237 ff. AEUV, auch Ministerrat genannt) ist eines der zwei Legislativorgane der EU. Er setzt sich – je nach Politikfeld – aus den jeweiligen Fachministern der nationalen Regierungen der Mitgliedstaaten zusammen und beschließt gemeinsam mit dem Europäischen Parlament die entscheidenden Rechtsakte. Je nach Politikfeld ist hierfür entweder eine einstimmige Entscheidung oder eine qualifizierte Mehrheit notwendig, wobei für Mehrheitsentscheidungen das Prinzip der doppelten Mehrheit (von Staaten und Einwohnern) gilt. In den intergouvernementalen Bereichen, vor allem der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie bestimmten Felder der Handels- und der Sozialpolitik, ist der Rat das einzige Entscheidungsgremium der EU; hier wird grundsätzlich einstimmig beschlossen.

    Der Vorsitz im Rat rotiert halbjährlich zwischen den Mitgliedstaaten, wobei jeweils drei aufeinander folgende Staaten in einer sogenannten Dreier-Präsidentschaft zusammenarbeiten. Im zweiten Halbjahr 2011 begann mit der polnischen EU-Ratspräsidentschaft eine neue solche Dreierperiode. Eine Ausnahme bildet der Rat für Auswärtige Angelegenheiten, in dem der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik den Vorsitz innehat. Unterstützt wird die jeweilige Ratspräsidentschaft vom Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union.

    Vorsitz im Rat der Europäischen Union (bis 2009 auch im Europäischen Rat)
    Jahr, Land (1. Halbjahr, 2. Halbjahr)
    2007 Deutschland, Portugal 2008 Slowenien, Frankreich 2009 Tschechien, Schweden
    2010 Spanien, Belgien 2011 Ungarn, Polen 2012 Dänemark, Zypern
    2013 Irland, Litauen 2014 Griechenland, Italien 2015 Lettland, Luxemburg
    2016 Niederlande, Slowakei 2017 Malta, Vereinigtes Königreich 2018 Estland, Bulgarien
    2019 Österreich, Rumänien 2020 Finnland, Deutschland  

    Europäisches Parlament

    Parlamentspräsident Martin Schulz

    Das Europäische Parlament (EP, Art. 14 EUV und Art. 223 ff. AEUV) ist der zweite Teil der EU-Legislative. Neben der Gesetzgebungsfunktion wirkt es bei der Feststellung des Haushaltsplans mit und übt parlamentarische Kontrollrechte aus. Es wird seit 1979 alle fünf Jahre bei der Europawahl direkt von den Bürgern der Mitgliedstaaten gewählt und repräsentiert daher die europäische Bevölkerung.

    Das Europäische Parlament hatte nach der Europawahl 2009 zunächst 736 Mitglieder, ab Dezember 2011 wurde es gemäß dem Vertrag von Lissabon auf 754 (ab der Europawahl 2014: 751) Mitglieder erweitert. Diese gruppieren sich nicht nach nationaler Herkunft, sondern entlang ihrer politischen Ausrichtung in (derzeit sieben) Fraktionen. Hierfür haben sich die nationalen Parteien mit ähnlicher Weltanschauung zu europäischen Parteien zusammengeschlossen. Die stärkste Fraktion im Europäischen Parlament ist derzeit mit 271 Abgeordneten die christdemokratisch-konservative Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), gefolgt von der sozialdemokratischen Fraktion Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament (S&D) mit 190 Abgeordneten.[18]

    Die Europawahlen werden allerdings weiterhin im nationalstaatlichen Rahmen abgehalten. Die Zahl der Abgeordneten pro Land richtet sich dabei grundsätzlich nach der Bevölkerungszahl; kleinere Länder sind aber überproportional vertreten, um auch ihnen eine angemessene Repräsentation ihrer nationalen Parteienlandschaft zu ermöglichen.

    Das Europäische Parlament hat zwei Tagungsstätten, eine in Brüssel und eine zweite in Straßburg. Den Vorsitz führen der Präsident des Europäischen Parlamentes (seit 2012 der Deutsche Martin Schulz, S&D) und seine Stellvertreter, die vierzehn Vizepräsidenten. Gemeinsam bilden sie das Präsidium.

    Europäische Kommission

    Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso

    Die Europäische Kommission (Art. 17 EUV und Art. 244 ff. AEUV) hat im institutionellen Gefüge der Europäischen Union vornehmlich exekutive Funktionen. Allerdings ist sie auch an der Legislative beteiligt: Sie hat nahezu das alleinige Initiativrecht in der EU-Rechtsetzung[19] und schlägt demnach Rechtsakte (Richtlinien, Verordnungen, Beschlüsse) vor. Parlament und Rat können diese Vorschläge hinterher jedoch frei abändern.

    Als Exekutivorgan sorgt die Kommission für die korrekte Ausführung der europäischen Rechtsakte, die Umsetzung des Haushalts und der beschlossenen Programme. Als „Hüterin der Verträge“ überwacht sie die Einhaltung des Europarechts und erstattet gegebenenfalls Klage vor den Gerichten der Europäischen Union. Auf internationaler Ebene handelt sie vor allem in den Bereichen Handel und Zusammenarbeit internationale Übereinkommen aus und vertritt beispielsweise die EU in der Welthandelsorganisation.

    Die Europäische Kommission besteht aktuell aus 27 Kommissaren, von denen je einer aus jedem Mitgliedstaat kommt. Der Europäische Rat ernennt sie für fünf Jahre mit qualifizierter Mehrheit. Das Europäische Parlament hat dabei jedoch einen Zustimmungsvorbehalt: Es kann die designierte Kommission als Ganzes (nicht jedoch einzelne Kommissare) ablehnen und auch nach deren Einsetzung durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt zwingen. In diesem Fall muss der Europäische Rat eine neue Kommission vorschlagen.

    Ihrem vertraglichen Auftrag nach dienen die Kommissare allein der Union und dürfen keinerlei Weisungen entgegennehmen. Die Kommission ist daher ein von den Mitgliedstaaten unabhängiges supranationales Organ der EU. Innerhalb der Kommission übernimmt jeder Kommissar die Zuständigkeit für einen Politikbereich, ähnlich wie die Minister im Kabinett einer nationalstaatlichen Regierung. Die politische Leitung der Kommission liegt beim Kommissionspräsidenten; dies ist bis 2014 der Portugiese José Manuel Durão Barroso.

    Die Kommission hat einen eigenen, in ressortspezifische Generaldirektionen unterteilten Verwaltungsapparat, der allerdings mit ca. 23.000 Beamten deutlich kleiner ist als derjenige nationalstaatlicher Regierungen. Daneben gibt es eine Anzahl von Europäischen Agenturen, die Spezialaufgaben wahrnehmen. Als Teil der Exekutive sind sie an die Kommission angegliedert, aber funktional von ihr unabhängig.

    Eine besondere Funktion nimmt der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik (Art. 18 EUV) ein, der sowohl Mitglied der Europäischen Kommission als auch Vorsitzender im Rat für Auswärtige Angelegenheiten ist.

    Europäische Zentralbank

    Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi

    Die Europäische Zentralbank (EZB, Art. 282 ff. AEUV) bestimmt seit dem 1. Januar 1999 die Geldpolitik in den Euro-Ländern. Die Bank ist politisch unabhängig: Ihr Direktorium wird vom Europäischen Rat ernannt, es ist jedoch nicht politischen Weisungen, sondern nur den im AEU-Vertrag festgelegten Zielen der Währungspolitik unterworfen – insbesondere der Wahrung von Preisstabilität. Sie legt insbesondere die Leitzinssätze fest. Die Europäische Zentralbank bildet gemeinsam mit den nationalen Zentralbanken das Europäische System der Zentralbanken (ESZB).

    Gerichtshof der Europäischen Union

    Als Gerichtshof der Europäischen Union wird das gesamte Gerichtssystem der Europäischen Union bezeichnet (Art. 19 EUV und Art. 251 ff. AEUV). Der Europäische Gerichtshof (EuGH, amtlich nur Gerichtshof) ist das oberste Gericht der Europäischen Union. Neben dem Europäischen Gerichtshof existiert seit 1989 noch das ihm vorgeschaltete Europäische Gericht (ursprünglich Europäisches Gericht erster Instanz). Beide Instanzen bestehen aus mindestens je einem Richter pro Mitgliedstaat, wobei der EuGH zusätzlich von mindestens acht Generalanwälten unterstützt wird (Art. 252). Diese werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten im Konsens für die Dauer von sechs Jahren ernannt. Alle drei Jahre werden beide Instanzen teilweise neu besetzt. Seit dem Vertrag von Nizza besteht die Möglichkeit, unterhalb des Europäischen Gerichts eigenständige Fachgerichte zu schaffen.

    Der Gerichtshof der Europäischen Union soll für eine einheitliche Auslegung des Rechts der Europäischen Union sorgen. Er ist befugt, in bestimmten Fällen selbst über Rechtsstreitigkeiten zwischen EU-Mitgliedsstaaten, EU-Organen, Unternehmen und Privatpersonen zu entscheiden.

    Europäischer Rechnungshof

    Der Europäische Rechnungshof (EuRH, Art. 285 ff. AEUV) wurde 1975 geschaffen und ist zuständig für die Rechnungsprüfung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben der Union und für die Kontrolle der Haushaltsführung im Hinblick auf deren Rechtmäßigkeit.

    Der Europäische Rechnungshof hat zurzeit 27 Mitglieder, eins aus jedem Mitgliedstaat, die vom Rat der Europäischen Union für sechs Jahre ernannt werden. Die derzeit rund 800 Mitarbeiter des EuRH bilden Prüfungsgruppen für spezifische Prüfvorhaben. Sie können jederzeit Prüfbesuche bei anderen Organen, in den Mitgliedstaaten sowie in weiteren Ländern abstatten, die EU-Hilfen erhalten. Rechtliche Schritte kann der EuRH jedoch nicht unternehmen. Verstöße werden den anderen Organen mitgeteilt, damit entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können.

    Die Arbeit des EuRH erreichte 1998 und 1999 eine breite Öffentlichkeit, als er der Europäischen Kommission die Zuverlässigkeitserklärung versagte. Der dann folgende Rücktritt der Kommission Santer ist aber nicht als unmittelbare Reaktion auf den Bericht des Rechnungshofes zu verstehen; denn seit der Rechnungshof Zuverlässigkeitserklärungen abgibt (seit Beginn der neunziger Jahre), waren diese stets negativ.

    Weitere bedeutende Einrichtungen

    Der Ausschuss der Regionen (AdR) mit Sitz in Brüssel repräsentiert seit seiner Gründung 1992 die regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften in der EU. Er hat beratende Funktionen im Legislativverfahren und muss insbesondere vor Entscheidungen gehört werden, die die regionale und kommunale Verwaltung betreffen. Von den 344 Mitgliedern des AdR stammen 24 aus Deutschland, davon werden 21 von den Bundesländern und drei von den Kommunen vorgeschlagen. Österreich stellt 12 Mitglieder, davon neun Vertreter der Bundesländer und drei der Kommunen.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist ein seit 1957 existierendes Organ. Er soll (nach dem Vorbild des französischen Wirtschafts- und Sozialrats) die „organisierte Bürgerschaft“ repräsentieren; seine 344 Mitglieder setzen sich zu je einem Drittel aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern sowie Repräsentanten sonstiger Interessen (etwa Landwirtschaft, Umweltschutz etc.) zusammen. Sie werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten ernannt, sind ihnen aber nicht rechenschaftspflichtig. Der EWSA wird wie der AdR nur beratend tätig, muss aber in allen Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik gehört werden.

    Der Europäische Bürgerbeauftragte mit Sitz in Straßburg ist der Ombudsmann der Europäischen Union und untersucht seit 1992 Beschwerden über Missstände in der Verwaltungstätigkeit ihrer Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen.

    Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS) ist eine unabhängige Kontrollbehörde der Europäischen Union, errichtet auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 (Datenschutzverordnung) um die EG-Organe und -Einrichtungen datenschutzrechtlich zu beraten und zu überwachen. Er hat seinen Sitz in Brüssel und ist seit 2004 Mitglied der Internationalen Konferenz der Beauftragten für den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre.

    Die Europäische Investitionsbank (EIB; Art. 308 ff. AEUV) mit Sitz in Luxemburg wurde 1958 errichtet. Die Bank ist politisch ebenfalls unabhängig und finanziert sich durch Anleihen auf den Kapitalmärkten. Die EIB unterstützt die Mitgliedstaaten und kleineren Unternehmen durch Gewährung von Darlehen zur Finanzierung von Projekten, die im europäischen Interesse liegen, beispielsweise Infrastrukturprojekte oder Umweltschutzmaßnahmen.

    Seit kurzem besitzt die Gemeinschaft die Keimzelle eines Nachrichtendienstes, der als eigenes Organ fungiert. Das Joint Situation Centre hat dabei seinen Sitz in Brüssel.

    Unionsbürgerschaft

    Hauptartikel: Unionsbürgerschaft

    Die Unionsbürgerschaft der Europäischen Union besitzen alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union laut Art. 20 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Aus der Unionsbürgerschaft folgt eine Reihe von Rechten der Unionsbürger, insbesondere in den anderen Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen. Zu den Rechten gehören insbesondere: Freizügigkeit, Diskriminierungsverbot, Kommunalwahlrecht am Wohnort, Wahlrecht zum Europäischen Parlament, diplomatischer und konsularischer Schutz, Petitions- und Beschwerderecht und das Recht, in einer der Amtssprachen der Europäischen Union mit der EU zu kommunizieren und in der gleichen Sprache eine Antwort zu erhalten. Der Lissabon-Vertrag führte mit der europäischen Bürgerinitiative erstmals auch ein Instrument direkter Demokratie in ein.

    Haushalt

    Im Haushalt der Europäischen Union werden die Einnahmen und Ausgaben jährlich für das folgende EU-Haushaltsjahr neu festgelegt. Eingebunden ist der Haushalt in ein seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 bestehendes System eines sog. mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) (früher: Finanzielle Vorausschau). Die Europäische Union legt den verbindlichen finanziellen Rahmen für den Haushalt in einem Mehrjahreszeitraum fest. Er wird auf Grundlage eines Vorschlags der Europäischen Kommission vom Rat, der in diesem Fall einstimmig entscheidet, gemeinsam mit dem Europäischen Parlament vereinbart und in eine sog. Interinstitutionelle Vereinbarung überführt.

    Zur Finanzierung ihrer Ausgaben verfügt die Europäische Union über sog. Eigenmittel, die sich aus Beiträgen der Mitgliedstaaten sowie zum geringeren Teil aus den Import-Zöllen an den Außengrenzen zusammensetzen. Die Beiträge der Mitgliedstaaten resultieren zum einen aus einem Anteil der Umsatzsteuer, der an die EU abzuführen ist (sogenannte Mehrwertsteuer-Eigenmittel), zum anderen aus Beiträgen, die sich proportional aus dem Bruttonationaleinkommen der Staaten ergeben. Eine Ausnahme stellt dabei der sogenannte Britenrabatt dar: Da ein sehr großer Anteil der EU-Mittel für die Gemeinsame Agrarpolitik ausgegeben wird, von der das Vereinigte Königreich durch seinen vergleichsweise geringen Agrarsektor nur wenig profitiert, erhält es seit 1984 zwei Drittel seiner Nettobeiträge zurückerstattet.

    Der Haushalt der EU und die Höhe der von den Mitgliedstaaten zu leistenden Beiträge sind Gegenstand vielfältiger Auseinandersetzungen und mühsamer Kompromisse, zumal die Rückflüsse von Finanzmitteln der EU in die einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich hoch ausfallen. Im Europäischen Rat stehen einander daher die Lager der Nettozahler- und der Nettoempfängerstaaten gegenüber: Während die Nettoempfänger meist bemüht sind, ihren Status zu halten, versuchen die Nettozahler, ihre Zahlungen wenigstens zu verringern.

    Ebenso umstritten ist die Ausgabenseite des Haushalts, obwohl dieser zu rund 90 % in die Mitgliedstaaten zurückfließt. Im Rahmen der regionalen Strukturförderung bemüht sich die EU, das Lebensniveau in ihren Mitgliedstaaten anzugleichen. Der Mittelfluss in die 271 Regionen, in die das Gebiet der EU aufgeteilt ist (sog. NUTS-2-Ebene), orientiert sich am Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (BIP); die 99 Regionen, in denen das BIP unter 75 % des EU-Durchschnitts von 2000 bis 2002 liegt, erhalten höhere Zuwendungen. Da jedoch die übrigen Mittel des Haushalts politikfeldbezogen und nicht landesspezifisch ausgegeben werden, ist die Nettoquote an EU-Mitteln nicht unbedingt vom BIP eines Landes abhängig: So war beispielsweise Irland bis 2009 ein Nettoempfänger, obwohl es nach Luxemburg das zweithöchste Durchschnittseinkommen der EU aufwies. Einen großen Anteil dieser politikfeldbezogenen Ausgaben machen die Subventionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik aus.

    Die Grundlage für den jährlichen EU-Haushalt bildet ein Finanzplanungsinstrument, das als Mehrjähriger Finanzrahmen, früher Finanzielle Vorausschau bezeichnet wird. Der Finanzrahmen wird für jeweils sieben Jahre aufgestellt. Die Haushaltsmittel, die darin für die Jahre 2007–2013 vorgesehen sind, belaufen sich auf rund 975 Mrd. €, entsprechend 1,24 % des Bruttonationaleinkommens aller Mitgliedstaaten. Dieser Betrag entspricht der zulässigen Obergrenze, die der Rat der EU im sogenannten Eigenmittelbeschluss festgelegt hat.[20] Innerhalb des Finanzrahmens wird ein jährlicher Etat aufgestellt, bei dem das Parlament und der Rat gemeinsam als Haushaltsbehörde der EU fungieren: Beide Institutionen können an dem von der Kommission vorgeschlagenen Vorentwurf des Haushaltsplans Änderungen vornehmen; der Rat hat dabei bei den Einnahmen, das Parlament bei den Ausgaben das letzte Wort.

    Die Haushaltsmittel für das Jahr 2009 verteilten sich dabei wie folgt (Angaben laut Verpflichtungsermächtigungen): 43 % (ca. 56 Mrd. Euro) entfallen auf die Gemeinsame Agrarpolitik durch den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft und auf die Förderung der ländlichen Entwicklung; 45 % (ca. 60 Mrd. Euro) auf Struktur- und Kohäsionsfonds sowie Wettbewerbsfähigkeit (interne Politikbereiche wie Forschungspolitik, transeuropäische Verkehrs- und Energienetze); 6 % (ca. 8 Mrd. Euro) auf externe Politikbereiche wie die Entwicklungspolitik der Europäischen Union oder Maßnahmen zugunsten von Demokratie und Menschenrechten; 1 % (ca. 1,5 Mrd. Euro) auf Sicherheit, Bekämpfung von Kriminalität und die Wahrung unionsbürgerschaftlicher Rechte. Der Rest von 5 % (ca. 7,7 Mrd. Euro) wird für Verwaltungsausgaben aufgewendet.[21]

    In einer vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat angeregten Überprüfung steht die gesamte Haushaltspolitik der Europäischen Union derzeit allerdings zur Debatte. 2009 machte die Kommission erste Vorschläge für eine Haushaltsgestaltung nach 2013, Anfang 2011 will die Kommission den konkreten Vorschlag vorlegen.

    Politikbereiche der Union

    Zuständigkeit der Union

    Alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten verbleiben gemäß Art. 5 EUV bei den Mitgliedstaaten. Für die Abgrenzung der Zuständigkeiten gilt der Grundsatz der sog. begrenzten Einzelermächtigung. Für die Ausübung gelten die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung wird die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur dann tätig, sofern und soweit die verfolgten Ziele auf Unionsebene besser verwirklicht werden können, als auf Ebene der Mitgliedstaaten. Zugleich dürfen die Maßnahmen der EU nicht weiter gehen, als für die Ziele, die im EU-Vertrag genannt sind, notwendig ist (Verhältnismäßigkeitsprinzip). Trotz dieser einschränkenden Grundsätze macht die EU-Rechtsetzung einen großen Teil der Gesetzgebung insgesamt aus: So sind in der Bundesrepublik Deutschland zwei Drittel aller im Bereich der Innenpolitik verabschiedeten Gesetze auf Initiativen oder Rechtsakte auf EU-Ebene zurückzuführen.

    Die Verträge übertragen der Union für einen bestimmten Bereich entweder eine ausschließliche Zuständigkeit, oder eine mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit. In bestimmten Bereichen ist die Union nur dafür zuständig, Maßnahmen zur Unterstützung und Koordinierung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten umzusetzen. Die Union hat nach Art. 3 AEUV ausschließliche Zuständigkeit in den Bereichen der Zollunion, der Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Wettbewerbsregeln, der Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, der Erhaltung der biologischen Meeresschätze im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik und der gemeinsamen Handelspolitik. Im Art. 4 AEUV sind die Bereiche genannt, in denen die Union ihre Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten teilt (Binnenmarkt, Sozialpolitik in bestimmten Bereichen, wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt, Landwirtschaft und Fischerei, Umwelt, Verbraucherschutz, Verkehr, transeuropäische Netze und Energie).

    Wirtschaftsbereich

    Die Geschichte der europäischen Einigung ist geprägt von der überragenden Bedeutung wirtschaftlicher Integrationsschritte. Angestoßen durch die Vergemeinschaftung des Kohle- und Stahlsektors 1952 und fortgeführt mit der Schaffung von EWG und EURATOM 1957 sowie mit der Vollendung des Binnenmarkts 1993 führten sie bis zur Einführung des Euro als Bargeld im Jahr 2002.

    Die Institutionen der EU spielen heute gleich in mehreren Bereichen eine wichtige Rolle für die europäische Wirtschaftspolitik: Während der Agrarsektor von einer EU-weiten Marktordnung mit hohen Subventionen geprägt ist, zeigt sich in Industrie- und Gewerbe der Einfluss der Union vor allem bei der Vorgabe von Normen und Wettbewerbsregeln, über deren Einhaltung die Kommission wacht. Die hauptsächliche Kompetenz zur Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt liegt beim Wettbewerbskommissar der Europäischen Kommission, der die jeweiligen Kartellbehörden der einzelnen Staaten als supranationales Organ ergänzt. Neben der Kontrolle der Wirtschaft ist er auch für die Genehmigung von Subventionen in den Mitgliedstaaten zuständig. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Staaten nationale Unternehmen zum Schaden von Wettbewerbern aus dem Rest der EU unterstützen.

    Außerdem fördert die EU unter anderem die Kooperation vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen bei der Forschung und Entwicklung innovativer Produkte für Wachstumsmärkte. Auch nach außen hin treten die EU-Länder als einheitlicher Wirtschaftsblock auf und werden etwa in der Welthandelsorganisation vom Handelskommissar vertreten.

    Zollunion und Binnenmarkt

    Hauptartikel: Europäischer Binnenmarkt

    Der EWG-Vertrag von 1957 hatte zum Ziel, Handelshemmnisse zwischen den Mitgliedstaaten abzubauen, und sah dafür die schrittweise Einführung der vier sogenannten Grundfreiheiten vor, nämlich des freien Verkehrs von Waren, Kapital, Dienstleistungen und Arbeitskräften im Gebiet der Gemeinschaft. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV), die Ein- und Ausfuhrzölle sowie mengenmäßige Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen (Kontingentierungen) innerhalb des Binnenmarktes untersagt. Seit den 1980er Jahren wurden die Grundfreiheiten – unter anderem durch die Rechtsprechung des EuGH und durch die Einheitliche Europäische Akte – so erweitert, dass auch alle anderen einzelstaatlichen Normen, die den zwischenstaatlichen Handel in der Gemeinschaft erschweren, unzulässig sind. Damit wurde die Wirtschaftsgemeinschaft zu einem einheitlichen Binnenmarkt ausgebaut.

    Die Europäische Zollunion besteht aus der EU (dunkelblau) und den Partnerstaaten Türkei, Andorra und San Marino (hellblau). Mit den EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen (grün) besteht eine Freihandelszone.

    Seit 1968 gilt innerhalb der Europäischen Union eine Zollunion, das heißt, der Handel zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten darf nicht durch Zölle oder gleichwirkende Abgaben behindert werden. Außerdem haben die Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten einen gemeinsamen Zolltarif. Seit 1996 ist auch die Türkei Mitglied der Zollunion, ebenso wie Andorra und San Marino. Die EWR-Mitgliedstaaten Island, Liechtenstein und Norwegen bilden mit der Zollunion eine Freihandelszone, wenden aber nicht den gemeinsamen Zolltarif gegenüber Drittstaaten an.

    Ferner sehen Art. 34 ff. AEUV zwischen den EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich das Verbot von mengenmäßigen Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen vor. Derartige Beschränkungen sind nur dann statthaft, wenn zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, aus sittlichkeits- und gesundheitspolizeilichen Erwägungen, aus Gründen des Lebensschutzes von Mensch und Tier und Pflanzen, wegen des nationalen Kulturguts von künstlerischen, geschichtlichen oder altertumswissenschaftlichen Wert oder wegen des Schutzes von gewerblichen Eigentum solche nationalen Rechtsvorschriften erforderlich sind. Im gesamten Gebiet der EU gilt außerdem ein allgemeines Benachteiligungsverbot, wonach kein Unionsbürger aufgrund seiner Staatsbürgerschaft diskriminiert werden darf. Durch diese sogenannte Inländergleichbehandlung dürfen etwa Kaufleute, die Waren in einem anderen EU-Mitgliedstaat veräußern, keinen anderen Vorschriften unterworfen werden als denjenigen, die auch für die Inländer des betreffenden Staates gelten.

    Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Warenverkehrsfreiheit hat diese Grundfreiheit zum Motor für die weitere Marktintegration gemacht. Er hat die Warenverkehrsfreiheit dadurch wesentlich erweitert, dass auch warenbezogene Vorschriften der Mitgliedstaaten, die EU-Ausländer genauso wie Inländer behandeln und keine Kontingentierungen vorsehen, als unzulässig gelten, wenn sie den Warenhandel in tatsächlicher Hinsicht zwischen den Mitgliedstaaten erschweren. Gemäß dem EuGH haben solche Vorschriften die gleiche Wirkung wie Kontingentierungen und sind deshalb ebenso vertragswidrig.[22] Dies betrifft auch Bestimmungen, die für Inländer und Ausländer gleichermaßen gelten: So ist beispielsweise die Vorschrift gefallen, nach der in Deutschland nur Bier verkauft werden durfte, das nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut war. Da das Reinheitsgebot sowohl für deutsche wie für ausländische Hersteller galt, war es zwar nicht benachteiligend, kam aber für die außerhalb Deutschlands hergestellten Biere praktisch einem Einfuhrverbot nach Deutschland gleich. Einzelstaatliche Vorschriften, die den Handel hemmen, sind allerdings in den Fällen erlaubt, in denen auch mengenmäßige Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen erlaubt wären. Außerdem sind solche Vorschriften dann statthaft, wenn sie nicht warenbezogen, sondern vertriebsbezogen sind.[23]

    Mit der Einheitlichen Europäischen Akte 1986 wurde das Ziel eines gemeinsamen Binnenmarkts auch vertraglich festgehalten. Um zu verhindern, dass das Prinzip, wonach Produkte, die in einem EU-Mitgliedstaat hergestellt und verkauft werden können, auch in der ganzen übrigen Union nicht verboten werden dürfen, zu einem Unterbietungswettlauf bei den Produktionsstandards führt, glichen die Mitgliedstaaten zahlreiche ihrer Rechts- und Verwaltungsvorschriften an und schufen im Rat der Europäischen Union eine Vielzahl EU-weiter Normen – trotz der Kritik an der damit verbundenen Zentralisierung.

    Freier Dienstleistungsverkehr

    Während der Abbau von Hindernissen im Warenhandel nach der Einrichtung des gemeinsamen Binnenmarkts recht rasch vorankam, blieben im Dienstleistungssektor (Art. 56 ff. AEUV) noch länger Hemmnisse für den zwischenstaatlichen Handel bestehen. Dieses Problemfeld wurde mit der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie vom 12. Dezember 2006 angegangen, die von der Europäischen Kommission als ein wichtiger Bestandteil der Lissabon-Strategie zur Förderung der europäischen Wirtschaft angesehen wird. Als Richtlinie bedarf sie der Umsetzung in jeweiliges nationales Recht durch die einzelnen Mitgliedstaaten.

    Ziel der Richtlinie ist die Förderung des grenzüberschreitenden Handels mit Dienstleistungen. Dafür sieht sie bestimmte Erleichterungen für niedergelassene Dienstleister vor, unter anderem die Schaffung einheitlicher Ansprechpartner und einer elektronischen Verfahrensabwicklung. Ihr Anwendungsbereich umfasst nicht nur klassische Dienstleister wie Frisöre, IT-Spezialisten, Dienstleister im Baugewerbe und Handwerker, sondern zum Teil auch Daseinsvorsorgeleistungen wie Altenpflege, Kinderbetreuung, Behinderteneinrichtungen, Heimerziehung, Müllabfuhr, Verkehrssysteme etc., soweit diese im betreffenden Mitgliedstaat bereits unter Marktbedingungen erbracht werden.

    Wettbewerbspolitik

    Um wirtschaftliche Kartelle und Monopole in der EU zu verhindern und einen fairen Wettbewerb auf dem Binnenmarkt sicherzustellen, werden die Kartellbehörden der einzelnen Staaten durch den Wettbewerbskommissar der Europäischen Kommission unterstützt. Neben der Kontrolle der Wirtschaft ist er auch für die Genehmigung von Subventionen in den Mitgliedstaaten zuständig. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Staaten bestimmte Firmen wettbewerbswidrig unterstützen. Subventionen sind nur für wirtschaftlich schwache Regionen zulässig (etwa für Ostdeutschland).

    Die EU-Wettbewerbspolitik (Art. 101 ff. AEUV) hat wesentlich dazu beigetragen, dass viele monopolartige Unternehmen, zum Beispiel im Telekommunikationsbereich, bei der Gas-, Wasser- und Stromversorgung und im Eisenbahnverkehr, ihre Sonderstellung aufgeben und sich der Konkurrenz anderer Anbieter auf dem Markt stellen mussten. Der Druck des Wettbewerbs führte häufig zu Innovationsschüben und zu sinkenden Verbraucherpreisen, aber auch zu veränderten Lohn- und Arbeitsbedingungen und vielfach zu einem Abbau von Arbeitsplätzen bei den betroffenen Unternehmen. Die Liberalisierung wurde und wird deshalb in Teilen der Öffentlichkeit kritisch gesehen.

    Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

    Europäische Währungsunion

    Die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung (Art. 127 ff. AEUV) war bereits früh ein Diskussionsthema in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Nachdem erste Versuche in diese Richtung, etwa der Werner-Plan von 1970, gescheitert waren, wurde schließlich auf der Grundlage des Vertrags von Maastricht der Euro als gemeinsame Währung eingeführt: 1999 für die Zentral- und Geschäftsbanken, 2002 als Barzahlungsmittel in allen beteiligten Mitgliedstaaten.

    Allerdings sind nicht alle Staaten der EU auch Mitglieder der Währungsunion. Großbritannien und Dänemark haben bei den Verhandlungen für sich die Möglichkeit einer Nichtteilnahme vorbehalten, von der sie bisher auch Gebrauch machen. Alle anderen Staaten sind grundsätzlich zur Teilnahme verpflichtet, Voraussetzung hierfür ist aber die Erreichung bestimmter Bedingungen, die als maßgeblich für die Geldwertstabilität angesehen werden. Diese sogenannten Konvergenzkriterien sind im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgehalten und beziehen sich auf Staatsverschuldung, Zinsniveau und Inflationsrate. Schweden vermeidet derzeit durch gezielte Nichteinhaltung dieser Konvergenzkriterien die Teilnahme an der Währungsunion, da eine Volksabstimmung 2003 gegen den Euro entschied. Auch von den 2004 und 2007 neu beigetretenen Ländern nehmen bisher nur Slowenien, Malta, Zypern, die Slowakei und Estland an der Währungsunion teil. Zurzeit gehören der Eurozone damit 17 Mitgliedstaaten an.

    Bereits im Vorfeld der Euro-Einführung führten die Konvergenzkriterien zu einer im eingetretenen Ausmaß kaum erwarteten Angleichung in der Finanz- und Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten. Leitungsorgan der Währungsunion ist die nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank unabhängig gestellte Europäische Zentralbank. Die Koordination der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitgliedstaaten übernimmt die sogenannte Eurogruppe, in der sich die Finanzminister der Eurozone treffen.

    Gemeinsame Handelspolitik

    Im Zuge der Gemeinsamen Handelspolitik regelt die EU die Ein- und Ausfuhren von und nach Drittstaaten (Art. 206 f. AEUV). Durch die Zollunion wurde ein einheitlicher Zolltarif (TARIC, Kombinierte Nomenklatur) eingeführt, den der Rat der Europäischen Union mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission beschließt. Er stellt ein wichtiges Merkmal und Verhandlungsobjekt der EU-Wirtschaftspolitik dar.

    Grundsätzlich ist die Gemeinsame Handelspolitik der EU dem Gedanken des weltweiten Freihandels verpflichtet, sie kann jedoch zur Abwehr wirtschaftlicher Gefahren auf ein umfangreiches Regularium von Schutzinstrumenten tarifärer wie nicht-tarifärer Art zurückgreifen. Neben den autonomen Maßnahmen kommt auch internationalen Handelsverträgen, an denen die EU beteiligt ist, große Bedeutung zu, insbesondere den Abkommen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO). Zwar sind alle Mitgliedstaaten auch eigenständige Mitglieder der WTO, doch Sprecherin für sie ist hier die Europäische Union, die durch den Handelskommissar der Europäischen Kommission vertreten wird.

    Gemeinsame Agrar- und Fischereipolitik

    Prozentuale Darstellung des Anteils der einzelnen Nationalstaaten am EU-Farm-Land

    Trotz ihres vergleichsweise geringen Beitrags zum Bruttoinlandsprodukt der EU hat die Agrarpolitik (Art. 38 ff. AEUV) bereits früh eine herausragende Bedeutung in der europäischen Integration erlangt. Durch eine Initiative der Europäischen Kommission 1960 auf den Weg gebracht, wurde im Januar 1962 durch den Ministerrat eine erste gemeinsame Agrarmarktordnung eingeführt. Angestrebt waren eine Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität und die Vermeidung von Preisschwankungen, was den Produzenten eine gut auskömmliche Lebenshaltung und den Verbrauchern eine stabile Versorgung zu angemessenen Preisen sichern sollte.

    Ein zu diesem Zweck errichtetes System von Garantiepreisen hatte jedoch eine Vielzahl unerwünschter Nebenfolgen. So führte es einerseits zu wenig marktkonformen Produktionsüberschüssen (bekannt als „Butterberge“, „Milchseen“ usw.), andererseits zu Lebensmittelpreisen, die deutlich über dem Weltmarktniveau lagen und damit die Verbraucher belasteten. Da die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft den Aufkauf von Produktionsüberschüssen garantierte, wurde außerdem auch ihr Haushalt über Jahrzehnte schwer belastet: Die Agrarpolitik machte lange Zeit deutlich mehr als die Hälfte der Gesamtausgaben aus. Darüber hinaus hatte das Garantiepreissystem auch umwelt- und entwicklungspolitisch negative Folgen, da es Importe erschwerte. So können Agrarprodukte unter bestimmten Voraussetzungen in Schwellen- und Entwicklungsländern effizienter produziert werden. Wesentlich sind hier neben wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie dem Lohnniveau und den Transportkosten auch die klimatischen Gegebenheiten und Ressourcenverfügbarkeit – insbesondere im Hinblick auf Wasser und Anbauflächen. Bis in die 1990er Jahre scheiterten alle Reformansätze zum Abbau der Preissubventionen an drastischen Formen bäuerlichen Protests und an dem hier beibehaltenen Einstimmigkeitsprinzip im Rat der Europäischen Union.

    Erst als deutlich wurde, dass die geplante Osterweiterung ohne eine Reform der Agrarpolitik den EU-Haushalt sprengen würde, da die Wirtschaft vieler der Beitrittskandidaten noch stark landwirtschaftlich geprägt war, wurde im Zuge der Agenda 2000 nach verschiedenen Quotenregelungen auch eine Absenkung der Erzeugerpreise (mit Ausgleichszahlungen) und eine Annäherung an die Weltmarktpreise für Agrarerzeugnisse eingeleitet. Dieser Reformprozess der Gemeinsamen Agrarpolitik ist jedoch bis heute nicht abgeschlossen.

    Während die Forstwirtschaft auf EU-Ebene bisher kaum eine Rolle gespielt hat, ist die Gemeinsame Fischereipolitik (Art. 38 ff. AEUV) bereits seit Anfang der 1970er Jahre ein wichtiges Streitobjekt in den Verhandlungen und bei der Austarierung politischer Kompromisse im Rat der Europäischen Union, obgleich sie lediglich einen geringen Teil im Haushalt der EU ausmacht. 2004 lag das Budget der Fischereipolitik bei 931 Millionen Euro und damit bei etwa 0,75 % des EU-Gesamtbudgets. Aufgabe der Gemeinsamen Fischereipolitik ist es, die Fischwirtschaft im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips zu fördern. Um der Überfischung und dem Rückgang der Fischbestände zu begegnen, setzt die EU Fangquoten für die verschiedenen Mitgliedstaaten und bestimmte Fischarten fest. Im Rahmen ihrer Strukturpolitik hat die EU einerseits eine Reduzierung der nationalen Fischfangflotten durchgesetzt, andererseits sorgt sie in besonders betroffenen Regionen für Ausgleichsmaßnahmen und fördert den Einsatz umweltgerechter Technik. Dennoch gelten die Fangquoten als ein wesentlicher Grund dafür, dass Länder wie Norwegen und Island, deren Wirtschaft stark von der Fischerei geprägt ist, nicht der EU beigetreten sind.

    Regionalpolitik

    Innerhalb der EU gibt es eine Reihe von Regionen, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weit unter dem EU-Durchschnitt liegt, meist als Folge nachteiliger wirtschaftsgeografischer Standortfaktoren. Ein klassisches Beispiel dafür ist der Mezzogiorno in Italien. Solchen Regionen – die durch den Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder seit 2004 stark zugenommen haben – wird eine spezielle Förderung gewährt, wodurch Unterschiede im Entwicklungsstand der Gebiete angeglichen und regionale Disparitäten zurückgedrängt werden sollen (Art. 174 ff. AEUV). Zu diesem Zweck wurden drei sogenannte Strukturfonds eingerichtet, die für den wirtschaftlichen Aufholprozess der ärmeren Regionen sorgen sollen. Die Verwendung dieser Gelder wird jeweils in der siebenjährigen Finanzvorschau der EU (aktuell für den Zeitraum 2007–2013) grob geplant.

    Der erste der drei Strukturfonds ist der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Er unterstützt unter anderem mittelständische Unternehmen, damit dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen werden. Um eine gezieltere Hilfe leisten zu können, werden die Fördermittel meist einzelnen Wirtschaftssektoren zugewiesen. Außerdem werden Infrastrukturprojekte initiiert und technische Hilfsmaßnahmen angewandt.

    Typischer Hinweis auf EFRE-Unterstützung einer Baumaßnahme

    Der EFRE kann dabei im Rahmen von drei Zielen tätig werden: Das erste Ziel, Konvergenz, gilt für Regionen, deren Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner unter 75 % des EU-Durchschnitts liegt. Dabei wird überwiegend die Modernisierung der Wirtschaftsstruktur sowie die Arbeitsplatzschaffung angestrebt. Das zweite Ziel, die regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung, betrifft die Regionen, die nicht im Rahmen des Ziels Konvergenz förderfähig sind; die hierfür vorgesehenen Mittel sind entsprechend geringer als diejenigen für Ziel 1. Die Prioritäten des Ziels der regionalen Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung liegen in der Stärkung von Forschung, Entwicklung und Finanzwesen sowie in Umweltschutz und Risikoprävention. Um einen Schock beim Wegfall von Subventionen durch den Übergang einer Region von Ziel 1 zu Ziel 2 zu verhindern, gibt es zwei Überbrückungsmechanismen: Regionen, die bisher in der Ziel-1-Kategorie gefördert wurden, deren BIP aber so gestiegen ist, dass es nun über 75 % des EU-Durchschnitts der Mitgliedstaaten vor 2004 liegt, erhalten eine abnehmende Übergangshilfe namens phasing-in. Anderen Regionen, die bis zu den EU-Erweiterungen seit 2004 in die Ziel-1-Kategorie fielen, nun aber durch den Beitritt ärmerer Länder aus statistischen Gründen das 75-%-Kriterium nicht mehr unterschreiten, wird eine abnehmende Übergangshilfe namens phasing-out zugesprochen. Das dritte Ziel des EFRE schließlich, europäische territoriale Zusammenarbeit, konzentriert sich auf die transnationale Zusammenarbeit und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Grenzregionen.[24]

    Der zweite Fonds ist der Europäische Sozialfonds, der wie der EFRE in allen Mitgliedstaaten zur Anwendung kommt. Er hat die Verbesserung der Bildungssysteme und des Zugangs zum Arbeitsmarkt zum Ziel.

    Der 1993 eingerichtete Kohäsionsfonds schließlich soll dazu dienen, wirtschaftliche und soziale Disparitäten unter den Mitgliedstaaten zu verringern. Förderfähig im Rahmen dieses Fonds sind Vorhaben im Zusammenhang mit Umwelt- und Verkehrsinfrastrukturen in Mitgliedstaaten der EU, deren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf unter 90 % des EU-Durchschnitts liegt. Seit dem 1. Mai 2004 sind dies Griechenland, Portugal, Spanien, Zypern, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei und Slowenien.

    Für die regionale Entwicklung in den Mitgliedstaaten will die EU in den Jahren 2007 bis 2013 rund 360 Milliarden Euro an Fördermitteln ausgeben. Oft werden die Finanzhilfen der EU nicht direkt von Brüssel ausbezahlt, sondern indirekt über nationale und regionale Behörden der Mitgliedstaaten. Direkt bezahlt die Europäische Kommission Gelder an staatliche oder private Organisationen, wie etwa Universitäten, Unternehmen, Interessenverbände und nichtstaatliche Organisationen.

    Außer unionsinternen Projekten fördert die EU teilweise auch Projekte in Ländern, die ihr beitreten wollen. Diese externen Förderungen dienen u. a. der Unterstützung von Nachbarschaftsbeziehungen und der Stabilisierung der Empfängerländer.

    Außen- und Sicherheitspolitik

    Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

    Im Rahmen der G8-Treffen ist die EU/EG seit 1977 als Teilnehmer mit einem Beobachterstatus vertreten.

    Ziel der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP, Art. 21 ff. EUV und Art. 205 ff. AEUV) sind die Wahrung der gemeinsamen Werte und Interessen der Union, die Stärkung der Sicherheit und des Friedens, die Förderung der internationalen Zusammenarbeit und die Stärkung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Anders als die meisten anderen Politikfelder der EU ist die GASP weitgehend intergouvernemental geprägt: Die Regierungen der Mitgliedstaaten legen einstimmig gemeinsame Strategien fest, bei deren Formulierung insbesondere das Europäische Parlament fast keine Mitspracherechte hat. Die europäische Außenpolitik ergänzt die Außenpolitik der Nationalstaaten, ersetzt sie aber nicht.

    Die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton.

    Allerdings liegt die praktische Verhandlungs- und Koordinierungsarbeit in der GASP größtenteils in der Hand des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik. Dieser ist zugleich Vizepräsident der Europäischen Kommission und (nicht stimmberechtigter) Vorsitzender im Rat für Auswärtige Angelegenheiten. Ihm unterstehen rund 130 Delegationen der Europäischen Union bei internationalen Organisationen und in Drittstaaten. Der Vertrag von Lissabon sieht zudem den Aufbau eines Europäischen Auswärtigen Dienstes vor, der sich aus diesen Delegationen sowie aus Personal des Ratssekretariats und der nationalen diplomatischen Dienste zusammensetzen und ebenfalls vollständig dem Hohen Vertreter untergeordnet sein soll (Art. 27 Abs. 3 EUV). Er hat dadurch operative Unabhängigkeit und kann im Rahmen der Vorgaben des Rates auch eigene Akzente setzen.

    Während die GASP im diplomatischen Alltag immer wieder Erfolge aufweist und etwa bei Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen ein gemeinsames Vorgehen der EU-Staaten inzwischen die Regel ist, verfolgen die nationalen Regierungen bei internationalen Krisen noch immer häufig eigene Strategien. Dies führte etwa vor dem Irakkrieg 2003 zu einem heftigen diplomatischen Konflikt zwischen den EU-Mitgliedstaaten (siehe Irak-Krise 2003).

    Die internationalen Beziehungen der EU werden oftmals in bi- und multilateralen Abkommen geregelt, die auf die wirtschaftlichen, aber auch politischen Interessen beider Partner ausgerichtet sind. Neben den Abkommen mit den AKP-Staaten (siehe Entwicklungspolitik) existieren auch Übereinkünfte mit anderen regionalen Freihandelsorganisationen, beispielsweise mit den südostasiatischen ASEAN-Staaten, dem südamerikanischen Mercosur, der nordamerikanischen NAFTA u. a. Ein besonderes Verhältnis besteht zwischen der EU und den USA als den beiden weltweit größten Wirtschaftsblöcken und wichtigsten westlich-demokratischen Mächten. Auch mit Russland besitzt die EU seit 1994 ein besonderes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA). Die weitere Entwicklung der russisch-europäischen Beziehungen ist jedoch unter den EU-Mitgliedstaaten umstritten.

    Europäische Nachbarschaftspolitik

  • EU
  • Beitrittskandidaten
  • EFTA
  • Östliche Partnerschaft
  • Ein wichtiger Bestandteil der europäischen Außenpolitik sind die Beziehungen zu den unmittelbaren Nachbarn im Süden und Osten der EU, mit denen sie im Zuge der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) seit 2004 ein dichtes Netz von Verträgen abgeschlossen hat. Ziel der ENP ist einerseits die wirtschaftliche Zusammenarbeit, andererseits die Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im unmittelbaren Umfeld der EU. Parallel zu dieser Nachbarschaftspolitik wurde 2008 mit den Staaten in Nordafrika und dem Nahen Osten (einschließlich der Türkei und Israel) die Union für das Mittelmeer gegründet, die an die euro-mediterrane Partnerschaft von 1995 anknüpft. 2009 wurde ergänzend mit den osteuropäischen Nachbarn der EU die Östliche Partnerschaft initiiert.

    Die ENP wendet sich vor allem an solche Staaten, die enge Beziehungen mit der EU suchen, ihr aber aus politischen oder geografischen Gründen in absehbarer Zeit nicht beitreten können. Nicht in die ENP eingeschlossen sind daher die Staaten auf dem westlichen Balkan, die als potenzielle Beitrittskandidaten gelten. Diese werden in sogenannten Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) auf die Mitgliedschaft vorbereitet. Die beitrittswilligen Staaten werden dadurch sowohl wirtschaftlich also auch politisch stärker an die EU gebunden, wodurch die Beitrittsgespräche einfacher werden sollen.

    Sowohl die ENP als auch die Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten liegen federführend nicht beim Hohen Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik, sondern beim Erweiterungskommissar der Europäischen Kommission. Er muss sich dabei jedoch eng mit dem Hohen Vertreter abstimmen, um die Kohärenz der europäischen Außenpolitik zu gewährleisten.

    Sicherheits- und Verteidigungspolitik

    EUFOR-Soldaten im Tschad

    Eine besondere Rolle nimmt schließlich die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP, Art. 42 ff. EUV) als Teil der GASP ein. Nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft 1954 fand die militärische Zusammenarbeit der westeuropäischen Staaten zunächst vor allem im Rahmen der NATO statt. Erst seit den neunziger Jahren bemühte sich die EU, auch eigenständige sicherheitspolitische Strukturen zu entwickeln. Hierfür stützte sie sich zunächst auf die Westeuropäische Union und entwickelte schließlich die GSVP. Diese soll sowohl die Neutralität bestimmter Mitgliedstaaten achten als auch mit der NATO-Zugehörigkeit anderer Mitgliedstaaten kompatibel sein. Die EU hat dabei den Charakter eines Defensivbündnisses; das heißt, im Fall eines bewaffneten Angriffs auf einen der Mitgliedstaaten müssen die anderen ihm Unterstützung leisten (Art. 42 Abs. 7 EUV).

    Auch die GSVP hat einige spezielle Institutionen: das Politische und Sicherheitspolitische Komitee, den Militärausschuss, den Militärstab, den Ausschuss für die zivilen Aspekte der Krisenbewältigung und die EU-Planungszelle für zivile und militärische Belange. Außerdem existiert eine Europäische Verteidigungsagentur mit der Aufgabe, „zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors“ beizutragen. Entscheidungen können grundsätzlich nur einstimmig im Rat der EU getroffen werden. Auch die sogenannte Passerelle-Regelung, durch die ansonsten Themen mit Einstimmigkeitserfordernis in den Bereich der Mehrheitsentscheidungen überführt werden können, ist auf die GSVP nicht anwendbar. Falls jedoch eine Gruppe von Mitgliedstaaten in der GSVP schneller voranschreiten möchte als andere, haben sie die Möglichkeit einer „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (Art. 46 EUV), die im Wesentlichen der Verstärkten Zusammenarbeit in anderen Politikfeldern entspricht.

    Das EUFOR-Emblem

    Ziel der GSVP ist die Erfüllung der sogenannten Petersberg-Aufgaben, nämlich humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben und Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung inklusive friedensschaffender Maßnahmen. Hierfür können die EU-Staaten gemeinsame militärische Missionen unternehmen, was erstmals 2003 in der Operation Artemis in Ost-Kongo geschah. Dem Vertragstext nach könnte die GSVP auch zu einer gemeinsamen europäischen Verteidigung, also einer Europaarmee, führen. Hierfür wäre jedoch ein einstimmiger Beschluss des Europäischen Rates erforderlich, der derzeit unwahrscheinlich scheint – insbesondere weil mehrere EU-Staaten auch in der NATO aktiv, andere dagegen neutral sind. Eine Nation stellt Truppen für Missionen im Rahmen der GSVP, etwa die EU-Friedensmission EUFOR, jeweils auf freiwilliger Basis und nach nationalen Rechtsvorgaben (Deutschland etwa nur nach Zustimmung des Bundestags).

    Eine Weiterentwicklung der GSVP stellen die seit 2005 aufgestellten EU Battlegroups dar, bei denen es sich um zwei multinationale Kampfverbände mit einer Stärke von 1500 Soldaten handelt, die im Krisenfall kurzfristig einsatzbereit sein sollen. Sie werden jeweils für ein halbes Jahr von einer Gruppe von Mitgliedstaaten gestellt und danach wieder aufgelöst.

    Entwicklungspolitik

    Empfängerländer privilegierter EU-Entwicklungshilfe

    Auch in der Entwicklungspolitik betätigt sich die Europäische Union (Art. 208 ff. AEUV). Die europäischen Staaten tragen damit vor allem in Afrika und Teilen von Südamerika die Verantwortung für die unter ihrer Herrschaft während der Kolonisation entstandenen Schäden. Anders als die Außen- und Sicherheitspolitik wird über entwicklungspolitische Maßnahmen nach dem Ordentlichen Gesetzgebungsverfahren entschieden, also unter gleichberechtigter Beteiligung des Europäischen Parlaments.

    Unter den Einzelmaßnahmen sind die Handelsvergünstigungen für Entwicklungsländer durch das Allgemeine Präferenzsystem, das Rohstoffregime sowie insbesondere die humanitäre Hilfe durch das zuständige Europäische Amt ECHO zu nennen. Daneben werden durch bi- oder multilaterale Verträge einer Reihe von Staaten zusätzliche Handelsprivilegien eingeräumt. Am wichtigsten ist hier das Cotonou-Abkommen, das im Jahr 2000 mit 77 Staaten im afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum (sog. AKP-Staaten) geschlossen wurde und die vorherigen Lomé-Abkommen ersetzte. Meist verpflichten diese Abkommen die Partnerländer im Gegenzug zur Einhaltung bestimmter demokratischer und rechtsstaatlicher Standards.

    Justiz- und Innenpolitik

    Der Schengener Raum hat zur Abschaffung von Grenzkontrollen geführt. (offene „Schengen-Grenze“ bei Kufstein)

    Seit dem Vertrag von Maastricht 1992 besitzt die Europäische Union Kompetenzen in der Justiz- und Innenpolitik. Der geschaffene dritte Pfeiler enthielt Regelungen für die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres. Zu den Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse gehörten unter anderem die Asylpolitik; Vorschriften für das Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten; die Einwanderungspolitik; Bekämpfung der illegalen Einwanderung, der Drogenabhängigkeit, des Betrugs im internationalen Maßstab; die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen; die polizeiliche Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Terrorismus, des illegalen Drogenhandels und sonstiger schwerwiegender Formen der internationalen Kriminalität.

    Durch den Vertrag von Amsterdam 1997 wurde das umfassendere Ziel eines europaweiten Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts eingeführt und das Schengener Abkommen über die Abschaffung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen in das EU-Recht übernommen. Dieser umfasst neben der Politik im Bereich Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung (Art. 77 ff. AEUV, früher als flankierende Maßnahmen zum freien Personenverkehr bezeichnet) auch die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen (JZZ, Art. 81 AEUV) und die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS, Art. 82 ff. AEUV). Durch die PJZS kann die EU unter anderem Mindeststandards im Strafprozessrecht, etwa die Rechte von Angeklagten, festlegen (Art. 82 AEUV). Für bestimmte grenzüberschreitende Straftaten, etwa Terrorismus, Menschenhandel, Drogenhandel, Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption und Computerkriminalität, kann sie außerdem Mindestvorschriften für Straftatbestände und Strafmaß regeln (Art. 83 AEUV).

    Der Europol-Hauptsitz in Den Haag

    Nachdem zunächst für all diese Bereiche der Rat einstimmig beschloss und das Europäische Parlament keine Kompetenzen hatte, wurde nach und nach das ordentliche Gesetzgebungsverfahren eingeführt. Seit dem Vertrag von Lissabon 2007 gilt es für die gesamte Justiz- und Innenpolitik. Allerdings gelten für einige Mitgliedstaaten, nämlich Großbritannien, Irland und Dänemark, Ausnahmeregelungen; sie nehmen an den gemeinsamen Maßnahmen nur in begrenzter Form teil. Andererseits sind auch einige Nicht-EU-Staaten, nämlich Island, Norwegen und die Schweiz, dem Schengener Abkommen beigetreten und müssen daher bestimmte von der EU in diesem Rahmen gefasste Beschlüsse implementieren.

    Zur Umsetzung der gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik wurden die europäischen Behörden Europol und Eurojust gegründet, die die Zusammenarbeit der nationalen Polizei- und Justizbehörden koordinieren. Zudem wurde das Schengener Informationssystem eingerichtet, durch das die Mitgliedstaaten Informationen über zur Fahndung ausgeschriebene Personen und Gegenstände austauschen. Für den gemeinsamen Grenzschutz gibt es die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (kurz Frontex). Zu den im Rahmen der PJZS getroffenen Maßnahmen zählt außerdem unter anderem der Europäische Haftbefehl, der die Auslieferung von Straftätern zwischen den Mitgliedstaaten vereinfachte.

    Bildungspolitik und Forschungsförderung

    Der Bologna-Prozess ist darauf angelegt, einen europäischen Hochschulraum zu schaffen.

    Der durch technologische Innovationsschübe und globale Vernetzungsmöglichkeiten ausgelöste Wandel der europäischen Länder von klassischen Industrie- zu potenziellen Informations- und Wissensgesellschaften hat dazu geführt, dass die EU-Organe, die sich mit der Bildungspolitik (Art. 165 f. AEUV) jahrzehntelang nur wenig befassten, hier inzwischen bedeutende Aktivitäten entfalten. So sieht die im Jahr 2000 verabschiedete Lissabon-Strategie, ebenso wie ihr Nachfolgeprogramm Europa 2020 die Bildungspolitik als wichtigste Dimension zur Förderung der europäischen Wirtschaft. Sie zielt auf die Herstellung eines europäischen Bildungs- und Beschäftigungsraumes im Zeichen des lebenslangen Lernens.

    Der Bologna-Prozess, der 1999 auf einer Konferenz von 29 europäischen Bildungsministern eingeleitet wurde und inzwischen 45 Staaten umfasst, ist darauf angelegt, einen Europäischen Hochschulraum zu schaffen. Er ist dabei nicht auf die EU begrenzt, orientiert sich aber an deren bildungspolitischen Zielen. Sein Kernbestandteil ist ein zweistufiges System von Studienabschlüssen, die in Deutschland nach dem angelsächsischen Vorbild Bachelor und Master genannt wurden. Während der Bachelor im Regelfall drei bis vier (in Deutschland drei) Studienjahre dauern und den ersten berufsbefähigenden Studienabschluss bieten soll, dauert der Master ein bis zwei (in Deutschland zwei) Jahre und dient der Spezialisierung. Daran kann sich eine Promotion zur Erreichung des Doktortitels anschließen, der schon heute europaweit der höchste akademische Grad ist.

    Um Freizügigkeit und Mobilität von Lernenden in Europa zu fördern, wurde außerdem der Europäische Qualifikationsrahmen (EQF, ein Schema, durch das verschiedene Kompetenzen bestimmten Niveaustufen zugeordnet werden) eingeführt. Durch dieses System, das in allen europäischen Ländern auf denselben Vergabeprinzipien beruht, sollen Kompetenzen und Bildungsabschlüsse international besser vergleichbar gemacht werden. Um an Hochschulen die Anerkennung von Studienaufenthalten im Ausland zu erleichtern und die europaweite Mobilität von Studierenden zu fördern, wurde ein europaweites Leistungspunktesystem, das European Credit Transfer System (ECTS, „Europäisches Kreditpunkte-Transfer-System“) geschaffen, das die europaweite Anrechnung, Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen ermöglichen soll.

    Studenten aus fünf Nationen im Rahmen des Erasmus-Programms in Groningen

    In Analogie zum Hochschulwesen wird auch für die berufliche Bildung ein Leistungspunktesystem entwickelt. Dadurch soll dem individuell Lernenden in ganz Europa ermöglicht werden, seinen Lernerfolg beziehungsweise seine erworbene Kompetenz zu dokumentieren. Die Punkte sollen gleichfalls überall in Europa angerechnet werden können. Angestrebt wird damit eine erhöhte Durchlässigkeit der unterschiedlichen Bildungssysteme in Europa, die aber eine Neustrukturierung der Aus- und Weiterbildungsgänge in den Mitgliedstaaten voraussetzt.

    Neben diesen Maßnahmen zur Schaffung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums gibt es bereits seit den 1980er Jahren eine Vielzahl von EU-Programmen, die den europaweiten Austausch im Bildungswesen fördern sollen. Im Juli 2004 hat die Europäische Kommission einen Legislativvorschlag vorgelegt, nach dem diese Programme in ein einziges Programm für Lebenslanges Lernen zusammengefasst wurden, das nach vier verschiedenen Bildungsbereichen gegliedert ist: allgemeine (Schul-)Bildung, berufliche Bildung, Hochschulbildung und Erwachsenenbildung. Unter den derzeit existierenden Kooperationsmaßnahmen im allgemeinbildenden ist das Hochschulprogramm Erasmus besonders bekannt, das im Hochschulbereich die länderübergreifende Kooperation sowie den Austausch von Studenten und Dozenten fördert. Daneben gibt es das Comenius-Programm, das Schulpartnerschaften unterstützt, Lingua, das den Fremdsprachenunterricht auf EU-Ebene fördert, sowie Leonardo, das entsprechende Aktivitäten in der beruflichen Bildung anregt.

    Außer im Bereich der Lehre ist die EU auch in der Forschungsförderung tätig (Art. 179 ff. AEUV). Der von der Europäischen Kommission gegründete Europäische Forschungsrat, der seine Tätigkeit Anfang 2007 aufnahm, soll die wissenschaftliche Grundlagenforschung unterstützen. Insgesamt 22 in den Forschungsrat berufene Wissenschaftler vergeben darin unabhängig von politischer Einflussnahme Projektmittel in Höhe von zunächst jährlich einer Milliarde Euro nach Exzellenzkriterien und ohne Rücksicht auf regionale Verteilung. Dabei gibt es neben den schon früher geförderten thematischen Programmen nun auch allgemeine Finanzmittel für Forschung ohne unmittelbare Anwendung (die sogenannte Frontier Research, also „Forschung an den Grenzen des Wissens“). Das Programm soll u. a. dazu dienen, die EU als Forschungsstandort für Hochqualifizierte attraktiver zu machen, herausragende Wissenschaftstalente besser zu identifizieren und personelle Lücken in der Spitzenforschung zunächst vor allem durch die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern aufzufüllen.[25]

    Daneben fördert die EU auch speziell neue Technologien, insbesondere zur Stärkung der europäischen Industrie. So wurden zahlreiche Koordinierungsgremien gegründet, um einheitliche Standards zu entwickeln, damit der Binnenmarkt nicht durch unterschiedliche technische Standards in der Entwicklung gehemmt wird. Beispielsweise hat das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) mittlerweile weltweit verwendete Standards in der Telekommunikation geschaffen, etwa Euro-ISDN, GSM und DECT.

    Kultur- und Sprachpolitik

    Die erste Kulturhauptstadt Europas wurde Athen im Jahr 1985

    Mit der gemeinsamen Kulturpolitik will die EU „einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes“ (Art. 167 AEUV) leisten. Das Ziel der kulturellen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der EU wird oft unter dem Schlagwort des europäischen Kulturraums gefasst.[26] Allerdings wird die EU selbst in diesem Politikfeld nur unterstützend tätig und kann keinen Einfluss auf nationale Rechtsvorschriften ausüben.

    Ausdruck des kulturellen Engagements der EU waren in den Jahren 1996 bis 1999 die Programme Kaleidoskop (Förderung künstlerischer und kultureller Aktivitäten), Ariane (Förderung des Bereichs Buch, Lesen und Übersetzung) und Raphael (Förderung des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung). In den Jahren 2000 bis 2004 wurden im Rahmen des Nachfolgeprogramms Kultur 2000 insgesamt 167 Millionen Euro für Projekte ausgegeben, die auf einen gemeinsamen Kulturraum zielten.[27] Kultur 2000 wurde 2004 um zwei Jahre verlängert und wurde dann durch das Kulturförderprogramm Kultur 2007–2013 abgelöst. Der Großteil der EU-Fördermittel für Kultur von etwa 80 % kommt aus den EU-Strukturfonds, macht allerdings nur etwa 3 % aller Strukturfondsmittel aus.

    Tallinn war 2011 zusammen mit Turku Kulturhauptstadt Europas

    Einen besonders öffentlichkeitswirksamen Akzent setzt die Aktion Kulturhauptstadt Europas. Dieser Titel wird seit 1985 jährlich einer oder zwei europäischen Städten verliehen, in denen im entsprechenden Jahr zahlreiche kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Die so ausgezeichneten Städte erfreuen sich erhöhter Aufmerksamkeit und können mit steigenden Besucherzahlen rechnen.

    Darüber hinaus existieren weitere Programme, wie beispielsweise seit 1982 zur Förderung von Regional- oder Minderheitenkulturen das Europäische Büro für weniger verbreitete Sprachen (EBLUL) und seit 1987 das Informations- und Dokumentationsnetz Mercator. Die EU legt erklärtermaßen Wert darauf, die Sprachen und Sprachenvielfalt, d. h. auch die Minderheitensprachen in der Europäischen Union, zu achten und zu respektieren.

    In der EU werden heute 23 Sprachen als offizielle Amtssprachen der Europäischen Union anerkannt, mit denen alle Gremien der EU kontaktiert werden können. Zuletzt wurden 2007 die Sprachen Irisch, Bulgarisch und Rumänisch als weitere Amtssprachen anerkannt. Von den Amtssprachen werden Englisch, Französisch und Deutsch als interne Arbeitssprachen verwendet, um die Verständigung zwischen den Mitarbeitern der europäischen Institutionen zu erleichtern. Je nach Institution hat sich von diesen drei Arbeitssprachen jeweils eine Arbeitssprache als vorherrschend herausgebildet (zum Beispiel Englisch in der EZB). Im Europäischen Parlament können Redebeiträge in jeder Amtssprache gehalten werden und werden von Dolmetschern simultan übersetzt. Abgeordnete, Journalisten und andere Zuhörer können die Debatten über Kopfhörer verfolgen. Die Abgeordneten sprechen deshalb meist in ihrer Landessprache, Beamte und geladene Experten verwenden häufig Englisch oder Französisch.

    Sozial- und Beschäftigungspolitik

    Obwohl die Angleichung sozialer Standards bereits früh zu den Zielen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zählte, sind die einzelstaatlichen Souveränitätsvorbehalte und die Einforderung des Subsidiaritätsprinzips hier im Allgemeinen stärker ausgeprägt als in der Wirtschaftspolitik. Daher gilt in bestimmten Fragen dieses Politikfelds, etwa im Bereich der sozialen Sicherheit, im Rat der EU das Einstimmigkeitsprinzip; das Europäische Parlament muss lediglich angehört werden und hat keine Mitbestimmungsrechte. Die Bedeutung der nationalen Politikgestaltung in diesen Feldern ist also entsprechend wichtiger: Die wichtigen sozialen Sicherungssysteme, also etwa Arbeitslosen- und Sozialhilfe, sind nach wie vor auf der Ebene der Nationalstaaten angesiedelt. Da sie in allen EU-Mitgliedstaaten einen großen Anteil des Staatshaushalts – und damit auch des politischen Gestaltungsspielraums – ausmachen, haben die Regierungen auch nur wenig Interesse daran, in diesem Bereich Kompetenzen auf die EU zu übertragen. Auf anderen Gebieten, etwa der Arbeitssicherheit oder der Gleichstellung der Geschlechter, gilt dagegen das ordentliche Gesetzgebungsverfahren.

    Die Sozialpolitik der EU (Art. 151 ff. AEUV) stützt sich daher in materieller Hinsicht hauptsächlich auf den 1960 gegründeten Europäischen Sozialfonds, dessen Mittel für Maßnahmen zur Berufsbildung, Umschulung, zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit (75 % der Fördermittel) und zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen verwendet werden. Darüber hinaus ist mit der Verankerung sozialer Grundrechte im EU-Vertrag das Anliegen verbunden, normierend auf die Sozialpolitik der Mitgliedstaaten einzuwirken. Das zeigt sich unter anderem in der akzentuierten EU-Gleichstellungspolitik im Sinne einer Umsetzung des Gender Mainstreaming-Konzepts, in Antidiskriminierungsvorgaben und in Vorgaben zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

    Mit dem Vertrag von Amsterdam hat sich die EU zudem eine aktive Beschäftigungspolitik zum Programm gemacht (Art. 145 ff. AEUV). Die hierfür zur Verfügung stehenden Mittel waren zunächst sehr gering, wurden jedoch nach und nach erweitert. Angestrebt wird eine zwischen der EU und den Mitgliedstaaten koordinierte Strategie, die vor allem auf bessere Qualifizierung der Arbeitsuchenden und auf Arbeitsmarktflexibilität gerichtet ist. Auch eine arbeitsmarktpolitische Koordination der Mitgliedstaaten untereinander wird von der EU gefördert.

    Verbraucherschutz

    1992 fanden mit dem Vertrag von Maastricht erstmals auch Verbraucherschutzinteressen in das europäische Vertragswerk Eingang (Art. 12, Art. 169 AEUV). Als vorrangige Ziele werden nicht nur einheitliche Qualitätsstandards in Produktion und Handel angestrebt, sondern auch Gesundheitsschutz sowie Aufklärung und Information der Verbraucher. Dies zeigt sich zum Beispiel bei der zwingenden Kennzeichnungspflicht genmanipulierter Produkte.

    Nach den bei der Rinderseuche BSE deutlich gewordenen Defiziten des Verbraucherschutzes wurde 1999 bei der Europäischen Kommission die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz eingerichtet, die unter anderem für Pflanzenschutz, Veterinär- und Lebensmittelkontrollen zuständig ist. So kann die Freizügigkeit für Waren im Binnenmarkt durch Ausfuhrverbote teilweise suspendiert werden, wenn eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucher durch bestimmte Produkte besteht. Die bereits 1985 eingeführte Produkthaftungsrichtlinie legt die Beweislast für ein fehlerfreies Produkt im Schadensfall auf die Herstellerseite, so unter anderem bei Kinderspielzeug, Textilien und Kosmetika. Gegenstand der EU-Verbraucherpolitik sind darüber hinaus zum Beispiel auch Erstattungsansprüche bei Pauschalreisen, irreführende Werbung und missbräuchliche Vertragsklauseln insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr.

    Umwelt-, Klima- und Energiepolitik

    Der Gelbe Frauenschuh ist in der EU durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützt.

    Eine aktive Umweltschutzpolitik (Art. 191 ff. AEUV) wurde von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bereits seit Anfang der 1970er Jahre betrieben, zum Beispiel in den Bereichen Gewässerschutz, Luftreinhaltung und Abfallentsorgung. Stand zunächst der nachsorgende Umweltschutz im Sinne der Beseitigung eingetretener Schäden im Vordergrund, so wird unterdessen das Prinzip der Vorbeugung immer stärker betont. Seit dem Vertrag von Amsterdam ist der Umweltschutz ein Querschnittsprinzip, das bei sämtlichen Maßnahmen der EU zu berücksichtigen ist. So muss etwa bei der Planung von Wirtschafts- und Infrastrukturprojekten grundsätzlich eine Umweltverträglichkeitsprüfung unternommen werden, die als einheitliches Verwaltungsverfahren der Genehmigung baulicher Maßnahmen vorausgeht.

    Rechtsakte in der Umweltpolitik ergehen im Allgemeinen nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren. Einzelstaaten haben die Möglichkeit, strengere Umweltmaßstäbe anzulegen als die für die gesamte EU gültigen, sofern daraus keine Handelshemmnisse entstehen.

    Mit der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sollen natürliche Lebensräume wildlebender Tiere und Pflanzen und damit die biologische Vielfalt erhalten werden. Ausgewiesene Schutzgebiete in den EU-Mitgliedstaaten sollen sich zu einem europäischen ökologischen Netz entwickeln.

    Neben der klassischen Umweltpolitik bildet auch der Klimaschutz ein vertragliches Ziel der EU. Unter den wichtigen internationalen Akteuren nimmt die EU hier – bei schwankendem Engagement und Erfolg einzelner Mitgliedstaaten – eine Vorreiterrolle ein. Die Reduktion von Kohlendioxid-Emissionen soll durch verschiedene Maßnahmen, vor allem durch den EU-Emissionsrechtehandel, erreicht werden. Außerdem fördert die EU mit dem Programm ALTENER die Ersetzung fossiler Brennstoffe durch regenerative Energien.

    Die Energiepolitik der Europäischen Union ist erst seit dem Vertrag von Lissabon auch vertraglich institutionalisiert (Art. 194 AEUV). Vereinzelte energiepolitische Initiativen (zur Förderung der Energieeffizienz oder zur Entflechtung der Energieversorgungsunternehmen) ergingen zuvor schon über den Umweg der Umwelt- oder der Wettbewerbspolitik. Ziele der Energiepolitik sind ein funktionierender Energiemarkt, die Gewährleistung der Energieversorgung, die Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien sowie die Verflechtung der Energienetze zwischen den Mitgliedstaaten. Maßnahmen, die die Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen, also den Energiemix der Mitgliedstaaten betreffen, können nach Art. 192 nur einstimmig getroffen werden (Energierecht).

    Verkehrs- und Raumfahrtpolitik, Transeuropäische Netze

    Die Verkehrspolitik der EU (Art. 90 ff. AEUV) ist in erster Linie auf die Verbesserung der grenzüberschreitenden Mobilität von Personen und Gütern im Binnenmarkt gerichtet. Ein wesentlicher Bestandteil ist dabei der Auf- und Ausbau Transeuropäischer Netze (TEN, Art. 170 AEUV), die bis 2020 die verschiedenen europäischen Regionen miteinander verbinden sollen. Dieses TEN-Projekt umfasst Straßen, Eisenbahnstrecken, Binnenwasserstraßen, den kombinierten Verkehr (Verbindung verschiedener Verkehrsträger), Häfen, Flughäfen und Umschlaganlagen für den Güterfernverkehr, aber auch Informations-, Navigations- und Verkehrsmanagementsysteme.

    Die Öresundbrücke zwischen Dänemark und Schweden ist Teil der Transeuropäischen Netze

    Daneben spielt auch das Ziel der Umweltverträglichkeit in der EU-Verkehrspolitik eine wichtige Rolle. Der zunehmenden Belastung von Wohnbevölkerung und Umwelt, die sich aus Straßenverkehr und Luftfahrt ergibt, trägt die Europäische Kommission mit Vorschlägen Rechnung, die erhöhte technische Umweltstandards der Fahrzeuge vorsehen und Wege- und Umweltkosten vermehrt den Nutzern anlasten.

    Daneben setzt die Kommission vor allem auf die Förderung des Schienenverkehrs: Schon 1996 legte sie ein Weißbuch zur „Revitalisierung der europäischen Eisenbahnen“ vor, das die Bildung sogenannter transeuropäischer Freeways für den Güterschienenverkehr vorsieht. In einem Segment des TEN-Aufbaus gibt es Großprojekte wie die Hochgeschwindigkeitsstrecke Paris-Brüssel-Köln-Amsterdam-London.

    Jenseits der binnenmarktorientierten Verkehrspolitik verfolgt die EU auch eine eigene Weltraum-Politik in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA, mit der die EU einen Vertrag, das EU-ESA-Rahmenabkommen, geschlossen hat. Für die Raumfahrtpolitik der EU und die Koordination mit der ESA und weiteren Partnern ist der zu diesem Zweck gebildete Europäische Weltraumrat zuständig.

    Wirtschaft

    Nokia-Unternehmenssitz in Espoo. 164 Unternehmen der Fortune Global 500 haben ihren Sitz in der Europäischen Union.

    Mit einem nominalen Bruttoinlandsprodukt von 18.394 Mrd. Dollar (Stand: 2008) bildet die Europäische Union den größten Binnenmarkt weltweit, insgesamt erwirtschaftet sie rund ein Viertel des globalen BIP. Das Pro-Kopf-Einkommen unterliegt dabei jedoch je nach Land starken Schwankungen und liegt in Nord- und Westeuropa meist deutlich höher als in den südlichen und östlichen Mitgliedstaaten. Am höchsten ist es in Luxemburg mit 113.044 Dollar, am niedrigsten in Bulgarien mit 6.857 Dollar pro Jahr.

    Die wichtigsten Wirtschaftssektoren sind Industrie und Dienstleistungen, die Landwirtschaft macht dagegen nur einen kleinen Teil der europäischen Wirtschaft aus. Das Wirtschaftswachstum in der EU betrug zwischen 2000 und 2008 durchschnittlich 2,2 %. Durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise erfuhr die EU 2009 eine Rezession um 4,1 %, ab 2010 wird wieder ein leichtes Wachstum erwartet.[28] Die durchschnittliche jährliche Inflationsrate zwischen 2000 und 2010 betrug 2,15 %.[29] Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote belief sich im Juli 2011 auf 9,5 %,[30] die Energieintensität der europäischen Wirtschaft (Energieverbrauch in Kilogramm Öläquivalenten pro 1000 € BIP) lag 2008 bei 167,4 (zum Vergleich: USA 180,7; Japan 90,1).[31] Außenwirtschaftlich erzielte die EU 2008 ein Leistungsbilanzdefizit von 256.877 Mio. Euro.[32]

    Geschichte

    Schon nach dem Ersten Weltkrieg gab es verschiedene Bestrebungen, eine Union europäischer Staaten zu bilden, etwa die 1922 gegründete Paneuropa-Union. Diese Bestrebungen blieben jedoch letztlich erfolglos.[33] Der entscheidende Ausgangspunkt für die europäische Integration wurde erst das Ende des Zweiten Weltkrieges: Durch eine Vernetzung der militärisch relevanten Wirtschaftssektoren sollte ein neuer Krieg zwischen den früheren Gegnern unmöglich gemacht und in der Folge auch die politische Annäherung und dauerhafte Versöhnung der beteiligten Staaten erreicht werden. Daneben waren auch sicherheitspolitische Erwägungen von Bedeutung: Im beginnenden Kalten Krieg sollten die westeuropäischen Staaten enger zusammengeschlossen und die Bundesrepublik Deutschland in den westlichen Block eingebunden werden.[34]

    Zeittafel

    Unterz.
    In Kraft
    Vertrag
    1948
    1948
    Brüsseler
    Pakt
    1951
    1952
    Paris
    1954
    1955
    Pariser
    Verträge
    1957
    1958
    Rom
    1965
    1967
    Fusions-
    vertrag
    1986
    1987
    Einheitliche
    Europäische Akte
    1992
    1993
    Maastricht
    1997
    1999
    Amsterdam
    2001
    2003
    Nizza
    2007
    2009
    Lissabon
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    Europäische Gemeinschaften Drei Säulen der Europäischen Union
    Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM)
    Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) Vertrag 2002 ausgelaufen Europäische Union (EU)
        Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Europäische Gemeinschaft (EG)
          Justiz und Inneres (JI)
      Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS)
    Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
    Militärbündnis Westeuropäische Union (WEU)    
    aufgelöst zum 1. Juli 2011
                         


    Römische Verträge (1957)

    Hauptartikel: Römische Verträge
    Die sechs Gründungsmitglieder der EGKS im Jahr 1951

    Am 9. Mai 1950 schlug der französische Außenminister Robert Schuman daher vor, die gesamte französisch-deutsche Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen Behörde zu unterstellen.[35] Dieser Schuman-Plan führte am 18. April 1951 zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, umgangssprachlich auch „Montanunion“) durch Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande.[36] Die Institutionen dieser EGKS bildeten den Kern der späteren EU: eine Hohe Behörde mit supranationalen Kompetenzen (aus der später die Europäische Kommission wurde), ein Ministerrat als Legislative (heute Rat der EU) und eine Beratende Versammlung (das spätere Europäische Parlament). Allerdings veränderten sich die Zuständigkeiten der verschiedenen Organe im Laufe der Integration – so hatte die Beratende Versammlung noch kaum Mitspracherechte, während das Europäische Parlament heute in den Bereichen, in denen das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gilt, mit dem Rat gleichberechtigt ist.

    1957 bildeten die sogenannten Römischen Verträge den nächsten Integrationsschritt. Mit diesen Verträgen gründeten dieselben sechs Staaten die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) sowie die Europäische Atomgemeinschaft (EAG und Euratom).[37] Ziel der EWG war die Schaffung eines gemeinsamen Marktes, in dem sich Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräfte frei bewegen konnten. Durch die Euratom sollte eine gemeinsame Entwicklung zur friedlichen Nutzung der Atomenergie stattfinden.

    Saal und Konferenzort, in dem 1957 die Römischen Verträge unterzeichnet wurden.

    EGKS, EWG und Euratom hatten zunächst jeweils eine eigene Kommission und einen eigenen Rat. Mit dem sogenannten Fusionsvertrag wurden diese Institutionen 1967 jedoch zusammengelegt und nun als Organe der Europäischen Gemeinschaften (EG) bezeichnet.[38]

    Neben den Stationen fortschreitender Integration gab es aber auch Rückschläge und Phasen der Stagnation. So scheiterte der Plan einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) 1954 in der französischen Nationalversammlung.[39] In den 1960er Jahren bremste Charles de Gaulle als Präsident Frankreichs das Vorankommen der Gemeinschaft mit der sogenannten Politik des leeren Stuhls und mit seinem wiederholten Veto gegen den britischen Beitritt zur EWG.[40][41] In der ersten Hälfte der 1980er Jahre war es dann die britische Premierministerin Margaret Thatcher, die mit der Forderung nach einer Absenkung der britischen Beitragszahlungen weitere Integrationsfortschritte verhinderte.[41] Diese Phase stagnierender Integration wurde auch als Eurosklerose bezeichnet. Gleichwohl verliehen vereinzelte Erklärungen auch in dieser Zeit dem Gedanken der europäischen Integration immer wieder Vorschub, so etwa das am 14. Dezember 1973 beschlossene Dokument über die europäische Identität, in dem die neun Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften ihre Vorstellungen zur Entwicklung einer europäischen Identität beschrieben, sich zur „Dynamik des europäischen Einigungswerks“ bekannten und die „vorgesehene Umwandlung der Gesamtheit ihrer Beziehungen in eine Europäische Union“ als gemeinsames Ziel bekräftigten.[42]

    Erst Ende der achtziger Jahre gewann die Integration wieder an Dynamik. Mit der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) 1987 entwickelte die EWG unter dem Kommissionspräsidenten Jacques Delors den Plan eines Europäischen Binnenmarkts, in dem bis zum 1. Januar 1993 durch eine Angleichung des Wirtschaftsrechts sämtliche nationalen Hemmschwellen für den europaweiten Handel überwunden werden sollten.[43]

    Vertrag von Maastricht (1992)

    Der Vertrag von Maastricht im Jahr 1992 gründet die Europäische Union. (Ort der Unterzeichnung)

    Das Ende der Ost-West-Konfrontation und die damit im Zusammenhang stehende Wiedervereinigung Deutschlands führten zu weiteren Integrationsschritten:[44] Am 7. Februar 1992 wurde der Vertrag von Maastricht zur Gründung der Europäischen Union (EU) unterschrieben. Darin wurde zum einen die Gründung einer Wirtschafts- und Währungsunion beschlossen, die später zur Einführung des Euro führte; zum anderen beschlossen die Mitgliedstaaten eine engere Koordinierung in der Außen- und Sicherheitspolitik und im Bereich Inneres und Justiz. Zugleich wurde die EWG in Europäische Gemeinschaft (EG) umbenannt, da sie nun auch Zuständigkeiten in anderen Politikbereiche als der Wirtschaft erhielt (etwa in der Umweltpolitik).[45]

    Mit dem Vertrag von Amsterdam 1997 und dem Vertrag von Nizza 2001 wurde das Vertragswerk der EU erneut überarbeitet, um eine bessere Funktionsweise der Institutionen zu gewährleisten. Dabei besaßen jedoch bis zum Vertrag von Lissabon lediglich die Europäischen Gemeinschaften, nicht aber die Europäische Union selbst[46] Rechtspersönlichkeit. Dies bewirkte, dass die EG im Rahmen ihrer Kompetenzen allgemein verbindliche Beschlüsse fassen konnte, während die EU lediglich als „Dachorganisation“ tätig war. Insbesondere in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik konnte die EU nicht als eigenständige Institution auftreten, sondern immer nur in Gestalt ihrer einzelnen Mitgliedstaaten.

    Die Einführung des Euro als standardmäßige Währung im Jahr 1999. Gegenwärtig umfasst die Eurozone 17 Mitgliedstaaten.

    Durch das Ende des Ost-West-Konfliktes geriet auch die endgültige Überwindung der politischen Spaltung Europas in den Blickpunkt der EU. Schon zuvor war sie durch mehrere Erweiterungsrunden (1973, 1981, 1986, 1995) von sechs auf fünfzehn Mitglieder angewachsen; nun sollten auch die mittel- und osteuropäischen Länder, die zuvor dem Ostblock angehört hatten, Teil der Union werden.[47] Hierfür legten die EU-Mitgliedstaaten 1993 die sogenannten Kopenhagener Beitrittskriterien fest, mit denen Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und die bürgerlichen Grundfreiheiten als Grundwerte der Union definiert wurden.[48] 2004 und 2007 kam es schließlich zu den beiden Osterweiterungen, bei denen zwölf neue Mitglieder in die EU aufgenommen wurden.

    Ab dem Jahr 2000 bestimmte die sogenannte Lissabon-Strategie für die Europäische Union das ökonomische und soziale Ziel, „bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu werden“.[49] Außerdem sollte die EU „im Rahmen des globalen Ziels der nachhaltigen Entwicklung [als] ein Vorbild für den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritt in der Welt“ wirken.[50] Das Nachfolgeprogramm der Lissabon-Strategie, Europa 2020, griff diese Ziele im Wesentlichen erneut auf.

    Vertrag von Lissabon (2007)

    Hauptartikel: Vertrag von Lissabon
    Die Unterzeichner des Vertrags von Lissabon im Jahr 2007.

    Durch die Erweiterungsrunden drohte allerdings die politische Handlungsfähigkeit der EU zunehmend eingeschränkt zu werden: Erste Anpassungsreformen gab es – mit den üblichen Schwierigkeiten und Kompromissen – im Agrarsektor, bei der regionalen Strukturförderung und bei der Modifizierung des Briten-Rabatts. Im Hinblick auf das Institutionengefüge waren sie jedoch nur teilweise erfolgreich: Die Veto-Möglichkeiten für einzelne Mitgliedstaaten hätten eine Vielzahl von Entscheidungen blockieren können. Mit der Einführung des Verfahrens der verstärkten Zusammenarbeit durch die Verträge von Amsterdam und Nizza wurde eine Möglichkeit entwickelt, um einer solchen Blockade europäischer Entscheidungsprozesse entgegenzuwirken. Integrationswillige Mitgliedstaaten konnten nun in einzelnen Bereichen tiefergehende Einigungsschritte vollziehen, auch wenn sich die übrigen EU-Staaten nicht beteiligten: Als Vorbild dienten hierfür das Schengener Abkommen und die Währungsunion. Allerdings stieß dieses Konzept eines „Europas der verschiedenen Geschwindigkeiten“ auch auf Kritik, da es die EU zu spalten drohe. Ein weiterer Problempunkt war die Arbeitseffizienz der Europäischen Kommission: Stellten bis 2004 einzelne Mitgliedstaaten noch zwei Kommissare, wurde deren Anzahl nach der Osterweiterung auf einen Kommissar pro Land reduziert – dennoch wuchs die Kommission von neun Mitgliedern 1952 bis auf 27 Mitglieder 2007 an.

    Auf dem Gipfel von Laeken 2001 beschlossen daher die Staats- und Regierungschefs der EU die Einberufung eines Europäischen Konvents, der einen neuen Grundvertrag ausarbeiten sollte, mit dem die Entscheidungsverfahren der EU effizienter und zugleich demokratischer werden sollten. Im Oktober 2004 wurde dieser Verfassungsvertrag in Rom unterzeichnet. Er sah unter anderem eine Auflösung der EG und die Übertragung ihrer Rechtspersönlichkeit an die EU, eine Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen, eine Verkleinerung der Kommission sowie eine bessere Koordinierung der Gemeinsamen Außenpolitik vor. Die Ratifikation des Verfassungsvertrags scheiterte jedoch, da ihn Franzosen und Niederländer in einem Referendum ablehnten.[51] Stattdessen erarbeitete daher eine Regierungskonferenz im Jahr 2007 den Vertrag von Lissabon, der die wesentlichen Inhalte des Verfassungsvertrages übernahm.[52] Geplant war nun eine Ratifizierung bis zur Europawahl 2009.[53] Auch der Vertrag von Lissabon erlebte jedoch verschiedene Ratifikationskrisen, in deren Verlauf das Ziel, die Kommission zu verkleinern, wieder aufgegeben wurde. Er ist am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten.

    Entwicklungslinien, Kontroversen und Perspektiven

    Vorwurf der Bürgerferne

    Nachdem in der unmittelbaren Nachkriegszeit mit der Europäischen Bewegung kurzzeitig eine Organisation mit relativ breiter gesellschaftlicher Grundlage die europäische Integration vorangetrieben und die Gründung des Europarats 1949 erreicht hatte, gingen die Europäischen Gemeinschaften ab 1951 nicht mehr aus der Bevölkerung hervor, sondern aus Regierungsinitiativen und -vereinbarungen. Die eher technisch-wirtschaftlichen Politikfelder, auf denen die Gemeinschaften anfangs tätig waren, und auch das technokratisch-funktionalistische Politikverständnis der frühen Europapolitiker wie Jean Monnet trugen ebenfalls zu einer strukturell bedingten „Bürgerferne“ der EG bei. Die europäische Einigung vollzog sich zunächst ohne intensive Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit: Man spricht daher von einem permissive consensus (etwa: zulassender Konsens), mit dem die Bevölkerung die von ihren Regierungen verfolgte Integration passiv-wohlwollend hinnahm.

    Erst ab Anfang der achtziger Jahre bemühten sich die Europäische Kommission und die Regierungen, auch eine höhere aktive Zustimmung der Bevölkerung zum Einigungsprozess zu erreichen. So wurden, ausgehend vom Adonnino-Bericht zum „Europa der Bürger“, der 1985 vom Europäischen Rat angenommen wurde, eine Vielzahl teils symbolischer, teils politischer Maßnahmen verwirklicht, um die EG im Alltag erfahrbar zu machen und eine gemeinsame europäische Identität zu fördern. Diese reichten von den EU-Symbolen über den Europäischen Führerschein, das Studentenaustauschprogramm Erasmus, die Unionsbürgerschaft, die Schaffung eines Europäischen Bürgerbeauftragten und das individuelle Petitionsrecht beim Europäischen Parlament bis zum EU-weiten Kommunalwahlrecht am jeweiligen Wohnort. Eine größere Rolle spielen außerdem das Schengener Abkommen, durch das in einem Großteil der EU auf Kontrollen des grenzüberschreitenden Personenverkehrs verzichtet wird, und der Euro als gemeinsame Währung.

    Inwieweit dies einem europäischen Identitätsbewusstsein aufhelfen kann, bleibt abzuwarten. Obwohl die Mehrheit der europäischen Bevölkerung der EU-Mitgliedschaft ihres Landes prinzipiell positiv gegenübersteht, zeigt sie sich skeptischer, was die Institutionen der EU anbelangt.[54] Diese Europaskepsis mag darin begründet liegen, dass traditionell nicht die EU, sondern der Nationalstaat den politischen Orientierungsrahmen der Europäer darstellt, in dem die Bürger ihre Interessen artikulieren. Vor allem aufgrund der Sprachbarrieren existiert nach wie vor keine einheitliche europäische Öffentlichkeit mit einem gemeinsamen Mediensystem.

    Auch das Wissen der EU-Bevölkerung über europäische Fragen und Institutionen gilt allgemein als verhältnismäßig gering.[55] Dies lässt sich auch auf die Komplexität der inneren Strukturen der EU zurückführen, in der sich die historischen Kompromisse der beteiligten Staaten im Integrationsprozess widerspiegeln.[56] Sie verhindern bisher eine Verbindung bestimmter europapolitischer Programme mit einzelnen Entscheidungsträgern, die in der Öffentlichkeit als klare Alternativen erscheinen: So gibt es etwa bei den für jeden Mitgliedstaat getrennt stattfindenden Europawahlen keine EU-weiten Spitzenkandidaten, die in den Augen der Wählerschaft das jeweilige europapolitische Programm ihrer Parteien verkörpern würden; und auch die stark konsensorientierte Berufung des Kommissionspräsidenten durch den Europäischen Rat findet ohne eine vorhergehende öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung zwischen alternativen Kandidaten statt. „Brüssel“ – häufig als allgemeines Synonym für den gesamten politischen Apparat der Union verwendet – liegt daher für viele Bürger nach wie vor fernab und scheint nur als bürokratischer Störfaktor in Erscheinung zu treten.

    Unter dem Eindruck der Staatsschuldenkrise im Euroraum, zu deren Folgen harte Sparprogramme und eine besonders hohe Jugendarbeitslosigkeit in den betroffenen Ländern gehören, hat ein „Manifest zur Neugründung der EU von unten“ , das zur Schaffung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für ein Freiwilliges Europäisches Jahr aufruft, zahlreiche prominente Erstunterzeichner unter Politikern, Publizisten und Künstlern gefunden. Das Freiwillige Europäische Jahr soll dazu dienen, alle Interessierten im Rahmen von Auslandsaufenthalten an der Erarbeitung von Lösungen vor allem für Umwelt- und Gesellschaftsprobleme zu beteiligen, die der einzelne Nationalstaat nicht mehr allein zu lösen vermag.[57]

    Vorwurf des Demokratiedefizits

    Verbunden mit dem Vorwurf der Bürgerferne ist derjenige des Demokratiedefizits. Als 1979 die ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament stattfanden, war diese Bürgerkammer der Gemeinschaft gegenüber dem Rat noch in einer ausgeprägt unterlegenen Stellung: Es konnte lediglich beratend tätig werden, aber Gesetzesbeschlüsse des Rats weder verändern noch verhindern. Daraus ergab sich aus staatsrechtlicher Sicht für manche ein bedenkliches Demokratiedefizit der Gemeinschaft, da der Rat als Gesamtorgan der beteiligten einzelstaatlichen Regierungen – gewissermaßen als vereinigte Exekutive – auch die Gesetzgebung in der Gemeinschaft hauptsächlich bestimmte. Auch wenn argumentiert werden konnte, dass diese Akteure der Exekutive alle einer demokratischen Kontrolle auf nationalstaatlicher Ebene unterlagen, war doch auf Gemeinschaftsebene das Gewaltenteilungsprinzip nicht angemessen berücksichtigt.

    Um diesem Demokratiedefizit abzuhelfen, wurde das Europäische Parlament seit Ende der achtziger Jahre in mehreren Vertragsreformen aufgewertet, um seine Stellung im Gesetzgebungsprozess gegenüber dem Rat zu stärken. Der Vertrag von Maastricht 1992 führte das Mitentscheidungsverfahren ein, in dem die Kompetenzen zwischen Europäischem Parlament und Rat der EU ähnlich verteilt sind wie im deutschen Zustimmungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat: Beide Institutionen sind gleichberechtigt, ein Gesetz kommt nur bei einer Einigung zwischen ihnen zustande. Dieses Mitentscheidungsverfahren galt zunächst nur für einige bestimmte Politikfelder; es wurde jedoch durch die Verträge von Amsterdam, Nizza und Lissabon zum „ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“ ausgeweitet, das für fast die gesamte EU gilt.

    Allerdings ist umstritten, inwieweit diese zusätzliche Kompetenzen des Europäischen Parlaments tatsächlich Wirkung haben können, solange sich die Öffentlichkeit weiter am nationalstaatlichen Rahmen orientiert und daher kaum über die Arbeit des Parlaments informiert ist. Pessimistische Interpretationen gehen daher davon aus, dass sich trotz der Stärkung des Parlaments die Übertragung von Bürgerinteressen auf EU-Ebene nicht verbessern wird;[58] Optimisten erwarten dagegen, dass eine Kompetenzerweiterung des Europäischen Parlaments auch zu einer größeren Medienaufmerksamkeit für seine Tätigkeit führt und dass dadurch die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit gefördert werden kann.

    Die Zweifel an der durch das Europäische Parlament bewirkten demokratischen Legitimation beschränken sich aber nicht auf die konkrete Rolle des Europäischen Parlaments in der Organstruktur der EU. Kritisiert wird auch die Ungleichheit der Europawahl nach dem Prinzip der degressiven Proportionalität, bei der kleine Staaten mehr Abgeordnete pro Einwohner stellen als große. Diese Kritik wurde auch vom deutschen Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil vorgebracht.

    Erweiterung, Vertiefung und Finalität der Union

    Eine grundsätzliche Debatte in der Europäischen Union ist schließlich diejenige zwischen Erweiterung und Vertiefung: Bereits auf dem Gipfel von Den Haag 1969 diskutierten die europäischen Staats- und Regierungschefs über den scheinbaren Gegensatz zwischen der „vertikalen“ Vertiefung (der Aufnahme neuer Politikfelder in den Bereich der Gemeinschaft) und der „horizontalen“ Erweiterung (der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten). Sind die konkreten Themen, über die 1969 diskutiert wurde – die Koordination von Wechselkursen und der Beitritt des Vereinigten Königreichs – inzwischen auch längst verwirklicht, so stellte sich die Frage der optimalen Verschränkung von Erweiterung und Vertiefung doch auch später immer wieder. Oft traten die beiden Optionen dabei als konkurrierende Vorstellungen auf: Erweiterungen schienen nur auf Kosten des engen supranationalen Zusammenhalts möglich. Andererseits wurden in der historischen Entwicklung der EU meist beide Ziele parallel verfolgt – häufig fielen Beschlüsse zur Vertiefung nahezu gleichzeitig mit denen zu neuen Erweiterungsrunden.

    Nach den tiefgreifenden Vertragsreformen der 1990er Jahre erfuhr die Diskussion um die Zukunft der EU allerdings eine neue Wende. Wurde die Entwicklung der Union bis dahin vor allem als ein offener Prozess gesehen, der durch Vertiefung oder Erweiterung in eine bestimmte Richtung gelenkt werden könne, intensivierte sich seither die Debatte um die Finalität, also das Endziel und die möglichen Grenzen des europäischen Einigungsprozesses.

    In der vertikalen Dimension gewann in diesem Zusammenhang das Subsidiaritätsprinzip an Bedeutung, demzufolge Entscheidungen immer auf der niedrigstmöglichen Entscheidungsebene getroffen werden sollten. Die Verfechter nationaler Souveränitätsvorbehalte führen daher an, dass zahlreiche Politikfelder sinnvoller auf Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten, nicht der EU behandelt werden sollten. Unter Befürwortern einer engen politischen Union hingegen wird vermehrt das Ziel eines europäischen Bundesstaats eingefordert, wie es schon zu Beginn des Integrationsprozesses von den europäischen Föderalisten vertreten wurde und sich zuletzt im Konzept der Europäischen Verfassung niederschlug. Bei einer Verlangsamung des Vertiefungsprozesses fürchten viele Integrationsbefürworter, dass die EU ihre politischen Ambitionen (etwa in Klima- und Außenpolitik) aufgeben und sich allein auf ihr wirtschaftliches Programm, den gemeinsamen Binnenmarkt, konzentrieren müsste – wobei genau dieses Szenario von einigen eher souveränitätsorientierten Mitgliedstaaten, etwa das Vereinigte Königreich, durchaus befürwortet wird. Als Lösungsansatz in diesem Konflikt zwischen Vorreitern und Bremsern der Integration wird das Modell eines Kerneuropas beziehungsweise eines „Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ diskutiert. Es soll (etwa mittels der verstärkten Zusammenarbeit) einer Gruppe von Mitgliedstaaten vertiefte Integrationsschritte ermöglichen, während andere Mitglieder nur in weniger intensiver Form an der EU beteiligt wären. Kritiker sehen in diesem Vorschlag jedoch eine Spaltungsgefahr für die Union.

    In der horizontalen Dimension geht es gegenwärtig vor allem um die Frage, ob die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ernsthaft weiter betrieben werden sollen. Gegner führen unter anderem an, dass die islamische Kultur der Türkei nicht zur christlich geprägten europäischen Identität passe und dass ein Großteil der Türkei außerhalb der geografischen Grenzen Europas liege. Befürworter sehen dagegen keine geografischen oder kulturellen Hindernisse für den Beitritt, insbesondere da der türkische Staat ebenso wie die EU ohnehin auf säkularen Grundlagen basiere. Vielmehr könne die Türkei gerade als EU-Mitglied eine kulturell wie strategisch wichtige Brückenfunktion zwischen westlicher und islamischer Zivilisation übernehmen. Über den türkischen Beitritt hinaus geht die Debatte außerdem um die Frage, ob die EU überhaupt endgültige geografische Grenzen besitzen kann oder ob sie ihre integrierende und befriedende Wirkung überall dort entfalten sollte, wo ihre Normen angenommen und ihre Kriterien erfüllt werden. Eine vorläufige Lösung stellt hier die Europäische Nachbarschaftspolitik dar, durch die die EU ihren Nachbarn im Osten und Süden die Möglichkeit geben will, auch ohne Vollmitgliedschaft an bestimmten Maßnahmen der Integration teilzunehmen. Allerdings sehen viele der Nachbarstaaten hierin lediglich eine Vorstufe zum Vollbeitritt. Eine endgültige Antwort über die Zukunft der EU als offenes Projekt oder als Modell in festen Grenzen steht nach wie vor aus.

    Politikwissenschaftlicher Forschungsstand

    Die zunehmende politische Integration der Europäischen Union war und ist Gegenstand mehrerer politikwissenschaftlicher Debatten. Verschiedene Ansätze der Internationalen Beziehungen, einer Teildisziplin der Politikwissenschaft, beziehen sich ausdrücklich auf die europäische Integration. So versucht der Neofunktionalismus die Eigendynamik des Integrationsprozesses zu beschreiben und entwickelte Erklärungsansätze dafür, dass in seinem Verlauf immer neue Politikfelder darin einbezogen wurden. Als Gegenposition betont der liberale Intergouvernementalismus die Rolle, die die nationalstaatlichen Regierungen im Integrationsprozess spielten.

    Die derzeit größte theoretische Herausforderung stellt die europäische Integration für den Neorealismus dar. Dessen Grundannahme vom Mächtegleichgewicht, demzufolge internationale Kooperation immer vor dem Hintergrund staatlicher Sicherheitserwägungen stattfindet und am Souveränitätsverständnis der beteiligten Staaten seine Grenzen findet, scheint nur schwer mit der Entwicklung der EU in Einklang zu bringen. Vertreter des neoliberalen Institutionalismus sehen die EU daher als starkes Indiz dafür an, dass zwischenstaatliche Institutionen nicht allein dazu dienen können, sicherheitspolitische Bedenken einzelner Staaten bezüglich relativer Machtzugewinne anderer Staaten zu überwinden, sondern auch ein von ihren Mitgliedern unabhängiges Machtgefüge entwickeln können.[59] In Ergänzung dazu werten Vertreter des Konstruktivismus, beispielsweise Jeffrey T. Checkel, die EU als Beispiel für veränderte und internalisierte Normen der Mitgliedstaaten.

    Zur Beschreibung der Funktionsweise der Europäischen Union wird in der Politikwissenschaft heute meist auf den Begriff des Mehrebenensystems zurückgegriffen, in der Rechtswissenschaft auf den des Staaten- oder Verfassungsverbunds.

    Siehe auch

    Literatur

    Politikwissenschaft

    Rechtswissenschaft

    Weblinks

     Portal:Europäische Union – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Europäische Union

    Wiktionary: Europäische Union – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
     Commons: Europäische Union – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
    Wikiatlas Wikimedia-Atlas: Europäische Union – geographische und historische Karten
    Wikinews Wikinews: Europäische Union – in den Nachrichten

    Offizielle Seiten

    Unabhängige Informations- und Medienportale

    Anmerkungen

    1. European Union @ United Nations. Die EU wird auf dieser Grundlage als derivatives Völkerrechtssubjekt klassifiziert.
    2. Offizielle Webseite des norwegischen Nobelpreiskomitees, abgerufen am 12. Oktober 2012.
    3. Amt für Amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, Protokoll Nr. 3 betreffend die Kanalinseln und die Isle of Man (L 73 vom 27. März 1972, S. 164 (DE, FR, IT, NL)), in: Amtsblatt der Europäischen Union, abgerufen 25. Mai 2008.
    4. 4,0 4,1 CIA World Factbook: European Union (englisch), abgerufen 12. Mai 2008 (englisch).
    5. Europäische Kommission (Generaldirektion für Beschäftigungspolitik, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit), Demographic Trends, Socio-Economic Impacts and Policy Implications in the European Union, S. 10 (PDF), abgerufen 29. März 2008 (englisch).
    6. Europäische Kommission, Sprachenvielfalt, abgerufen 24. Mai 2008.
    7. Europäische Kommission: Beitrittskriterien, abgerufen 20. Februar 2008; Europäischer Rat (Kopenhagen), Schlussfolgerungen des Vorsitzes, S. 13 (PDF), abgerufen 20. Februar 2008.
    8. Amt für Amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, Verordnung (EG) Nr. 1085/2006 des Rates vom 17. Juli 2006 zur Schaffung eines Instruments für Heranführungshilfe (IPA), Art. 1 ff, abgerufen 20. Februar 2008.
    9. Focus: „Island beantragt EU-Mitgliedschaft“ vom 17. Juli 2009
    10. EU-Kommission begrüßt Beschluss des Rates zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Island, Portal der EU, 17. Juni 2010, abgerufen 22. Juni 2010.
    11. n-tv, 17. Dezember 2010: Europäisches Kandidatenkarussell: Montenegro darf mitspielen
    12. Tagung des Europäischen Rates 16./17. Dezember 2010 Schlussfolgerungen (Deutsch) Europäische Union. 17. Dezember 2010. Abgerufen am 22. Dezember 2010.
    13. Zeit Online, 28. April 2009: Beitritt: Albanien beantragt Aufnahme in die EU.
    14. Europäische Kommission, Beitrittskandidaten und potenzielle Bewerberländer, abgerufen 20. Februar 2008.
    15. 15,0 15,1 Amt für Amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Union: Organe und Verfahren: Abgeleitetes Recht, abgerufen 21. Februar 2008.
    16. Amt für Amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften: Organe und Verfahren: Verträge, abgerufen 21. Februar 2008.
    17. Europäisches und öffentliches Wirtschaftsrecht I. 3. Auflage – Springer, Wien/New York
    18. Stand 1. Januar 2012; Quelle: Website des Europäischen Parlaments – Ihre Abgeordneten.
    19. Zu den Ausnahmen siehe Art. 289 IV AEUV.
    20. Beschluss über das System der Eigenmittel
    21. EU-Kommission: EU-Haushalt 2009: Neuer Schwung für die europäische Wirtschaft
    22. Vgl. die Dassonville-Entscheidung (EuGHE 1974, 837, 852) sowie das Cassis-de-Dijon-Urteil von 1979.
    23. Vgl. Keck-Entscheidung, EuGHE in NJW 1994, 121.
    24. Vgl. die Darstellung des EFRE auf der Homepage der Europäischen Kommission und der Überblick über die durch den EFRE geförderten Regionen.
    25. Der Tagesspiegel, 28. Februar 2007, S. 27: „Mehr Exzellenz für Europa“.
    26. Europäische Kommission: Kulturelle Zusammenarbeit, abgerufen 7. Juli 2006. Vgl. auch Europäisches Parlament: Entschließung des Europäischen Parlaments zur kulturellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union (2000/2323(INI)), in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C72E vom 21. März 2002, S. 144. (PDF)
    27. Europäische Kommission: Kulturelle Vielfalt, in: Gesamtbericht über die Tätigkeit der Europäischen Union. Brüssel, Luxemburg, 2006, S. 120f, ISBN 92-79-00589-8
    28. Eurostat, Wachstumsrate des realen BIP.
    29. Eurostat, Harmonisierter Verbraucherpreisindex: Inflationsrate des Jahresdurchschnitts.
    30. Eurostat, Harmonisierte Arbeitslosenquote.
    31. Eurostat, Energieintensität der Wirtschaft.
    32. Eurostat, Zahlungsbilanz, Leistungsbilanz, vierteljährliche Daten.
    33. Oliver Burgard: Europa von oben. – Warum die politischen Initiativen für eine Europäische Union nach dem Ersten Weltkrieg scheiterten. In: Die Zeit Nr. 3 vom 13. Januar 2000.
    34. Peter Krüger: Das unberechenbare Europa: Epochen des Integrationsprozesses vom späten 18. Jahrhundert bis zur Europäischen Union. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-17-016586-0, S. 207 (Beginn Kalter Krieg); Gustav Schmidt: Die Römischen Verträge und der (Kalte Krieg) Ost–West–Konflikt, abgerufen 29. März 2008.
    35. Europäische Kommission, Erklärung vom 9. Mai 1950, abgerufen 2. Mai 2008.
    36. Europäische Kommission, 1951, abgerufen 2. Mai 2008.
    37. Europäische Kommission, 1957, abgerufen 2. Mai 2008.
    38. Europäische Kommission, 1967, abgerufen 2. Mai 2008.
    39. Europäische Kommission, 1954, abgerufen 2. Mai 2008.
    40. European Navigator (Centre Virtuel de la Connaissance sur l'Europe), Étienne Deschamps: The ‘empty chair’ policy, abgerufen 12. Mai 2008 (englisch).
    41. 41,0 41,1 Europäische Kommission, 1963, abgerufen 2. Mai 2008.
    42. Dokument zur europäischen Identität (Kopenhagen, 14. Dezember 1973), veröffentlicht im Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Dezember 1973, Nr. 12, S. 131–134, abgerufen im Portal europarl.europa.eu am 10. November 2012.
    43. Europäische Kommission, 1987, abgerufen 2. Mai 2008.
    44. REGIERUNGonline, Die Europäische Einigung – eine einzigartige Erfolgsgeschichte, abgerufen 2. Mai 2008.
    45. Europäische Kommission, 1993, abgerufen 2. Mai 2008.
    46. Finanzredaktion Hamburg, Die EU hat keine Gesetzgebungsbefugnisse, abgerufen 18. Februar 2006.
    47. Günter Verheugen, Rede vom 31. März 2003 an der Technischen Universität Budapest, abgerufen 20. Februar 2008.
    48. Vertrag über die Europäische Union (Konsolidierte Fassung), Art. 6, abgerufen 18. Februar 2008.
    49. Taskforce Beschäftigung unter Vorsitz von Wim Kok, Jobs, Jobs, Jobs – Mehr Beschäftigung in Europa schaffen (PDF), abgerufen 18. Februar 2008.
    50. Amt für Amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, Amtsblatt Nr. 320 E vom 15/12/2005 S. 0164 – Entschließung des Europäischen Parlaments zur Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie, in: Amtsblatt der Europäischen Union, abgerufen 18. Februar 2008.
    51. Europäisches Informations-Zentrum (EIZ) Niedersachsen, Ein neuer Vertrag für die Europäische Union, abgerufen 2. Mai 2008.
    52. Europäische Kommission, Der Vertrag auf einen Blick, abgerufen 2. Mai 2008.
    53. Europäischer Rat (Brüssel), Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Punkt 11 (PDF), abgerufen 29. März 2008.
    54. Generaldirektion Kommunikation: Eurobarometer 66, S. 118–131, abgerufen 21. September 2008.
    55. Generaldirektion Kommunikation: Eurobarometer 67, S. 118 (PDF), abgerufen 22. Februar 2008.
    56. Ulrich Werner: Die EU oder: Viele Köche – dicker Brei, abgerufen 22. Februar 2008.
    57. Die Zeit Nr. 19 vom 3. Mai 2012, S. 45.
    58. Jürgen Habermas: Erste Hilfe für Europa, in: Die Zeit, 29. November 2007, S. 6.
    59. Collard-Wexler, Simon (2004): Integration Under Anarchy: Neorealism and the European Union, in: European Journal of International Relations, 12 (3), S. 406
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